Название | Einführung in die Publizistikwissenschaft |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846321706 |
Die Fallauswahl muss immer begründet werden!
benennt.
8.1 Ein Land: Impliziter Vergleich
Einzelfallstudien sind in der Komparatistik unter der Bedingung vertretbar, dass sie als implizierter Vergleich angelegt werden (vgl. George/ Bennett 2005; Muno 2009). Zum Beispiel kann ein Mediensystem in
Einzelfallstudien können einen Beitrag zur Komparatistik liefern–wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen
Bezug auf einen von der komparativen Literatur entwickelten Idealtypus analysiert werden–um z. B. zu untersuchen, ob Grossbritannien wirklich dem von Hallin/Mancini (2004) entwickelten „liberalen“ Mediensystemtypus zugeordnet werden kann. Hierbei wird ein Mediensystem, das als repräsentativ für den Idealtypus gelten kann, auf seine prototypischen Charakteristika oder seine gravierenden Abweichungen hin untersucht (representative case oder deviant case analysis). Bezogen auf das genannte Beispiel, stünde dann allerdings weniger das britische System in seiner Gesamtheit im Erkenntniszentrum als die Angemessenheit und Verallgemeinerbarkeit des von Hallin/Mancini entworfenen Idealtypus. Theoretisch sauber durchgeführt, könnte eine solche Einzelfallstudie im besten Fall zur Überarbeitung der komparativen Typologie führen.
Viele Handbücher bieten eine Zusammenführung von Einzelfallanalysen in Form von Länderkapiteln–so etwa im Internationalen Handbuch Medien des Hans-Bredow-Instituts (2009), im Euromedia Handbook (Kelly/Mazzoleni/McQuail 2004) oder im ICA Handbook of Election News (Strömbäck/Kaid 2008). Sofern die als Länderkapitel präsentierten Fallstudien nach systematischen Kriterien ausgewählt, nach methodisch einheitlichen Kriterien verglichen, ihre Ergebnisse in einem synthetisierenden Schlusskapitel einer echt komparativen Analyse zugeführt und in Bezug auf eine einheitliche Theorie als theorieunterstützend oder theoriewiderlegend interpretiert werden, sind die Anforderungen einer „method of structured, focused comparison“|36◄ ►37| (George/Bennett 2005) erfüllt. In den genannten Beispielen, wie auch bei vielen anderen solcher Handbücher, ist dies allerdings nicht der Fall.
8.2 Wenige Länder: Qualitativer Vergleich
Paarvergleiche sind häufig, aber nicht unproblematisch. Sie müssen den Anforderungen der „structured comparisons“ folgen
Bei nur zwei oder drei Fällen muss die gerade angesprochene „method of structured, focused comparison“ angewendet werden (George/Bennett 2005). Es sollten dafür jeweils möglichst repräsentative Fälle ausgewählt werden, die idealerweise Aussagen über den dahinterstehenden Idealtypus erlauben. Die Frage, wofür jeder Fall ein Fall ist, muss vom Forscher also klar angegeben werden. Man muss allerdings realistischerweise auch sagen, dass die Generalisierbarkeit von Zwei-Land-Vergleichen im Regelfall sehr begrenzt bleibt. Das Hauptproblem liegt darin, dass bei kleiner Fallzahl eine grosse Menge von Kontextvariablen ins Blickfeld geraten, die vom Forscher kaum unter Kontrolle zu bekommen sind. Wenn sich die beiden Länder hinsichtlich Geschichte, Kultur, Wirtschaft, Politik, Recht etc. stark unterscheiden und diese Kontextfaktoren mit dem Untersuchungsgegenstand zudem eng verflochten sind, können Zusammenhänge nicht mehr zuverlässig identifiziert werden. Formal gesprochen, gilt dann die abhängige Variable als unterdeterminiert. Um dennoch Zusammenhangsmuster aufspüren und erklären zu können, sollten sich Forscher mit qualitativen Strategien wie „pattern matching“, „process tracing“ oder „analytical narratives“ vertraut machen (George/Bennett 2005; Jahn 2006; Muno 2009; Rohlfing 2009).
8.3 Mittlere Länderzahl: Kontrollierter Vergleich
Mittlere Fallzahlen sind ideal, aber an bestimmte Analysestrategien gebunden
Logik des Most Similar Systems Design (MSSD)
Bei Vergleichsstudien von 4–15 Mediensystemen ist erst recht eine bewusste Fallauswahl erforderlich. Diese Studien fussen auf sogenannten quasi experimentellen Designs. Dafür stehen verschiedene Strategien zur Verfügung: Der erste Weg besteht darin, möglichst ähnliche Mediensysteme auszuwählen; der zweite Weg darin, möglichst verschiedenartige Mediensysteme zu untersuchen (vgl. Przeworski/ Teune 1970; Jahn 2006; Landman 2008). Die erste Forschungsstrategie wird mit Most Similar Systems, Different Outcome beschrieben. Hierbei werden Mediensysteme ausgewählt, in denen der Untersuchungsgegenstand |37◄ ►38| (die abhängige Variable) in sehr ähnlichen Kontexten variiert. Es werden ähnliche Mediensysteme zum Ausgangspunkt genommen, um die groben Rahmenbedingungen für den Untersuchungsgegenstand konstant gering zu halten. Ziel ist nun die Identifikation jener Ursache, die in beiden Mediensystemen eben nicht gleich ist und dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass es zu unterschiedlichen Outcomes hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes kommt. In Abbildung 1 ist die Logik von Most Similar Systems, Different Outcome systematisch dargestellt. Verglichen werden zwei Mediensysteme, die sich in vielen Kontextfaktoren gleichen, aber in einem unterscheiden. Der Grund, warum sich im zweiten Mediensystem der Untersuchungsgegenstand X nicht herausgebildet hat liegt im Fehlen des Kontextfaktors „b“. Das grosse Problem dieser Forschungsstrategie liegt darin, wie man most similar systems erkennt bzw. bestimmt. Hierbei können Mediensystemtypologien wie die von Hallin/Mancini (2004) helfen. Beispiele für kommunikationswissenschaftliche Anwendungen des Most Similar Systems Design sind Adam (2007), Esser (2008) und natürlich Hallin/ Mancini (2004).
Abbildung 1: Erklärlogik von „Most Similar Systems, Different Outcome“
Logik des Most Different Systems Design (MDSD)
Die zweite Forschungsstrategie wird als Most Different Systems, Similar Outcome bezeichnet. Bei solchen Untersuchungen von extrem heterogenen Mediensystemen besteht das Ziel darin, in der Fülle von Unterschieden jenen gemeinsamen Faktor zu finden, der dann als ursächlich (im Sinne einer hinreichenden Bedingung) für einen überall vorgefundenen, ähnlichen Outcome gelten kann. In Abbildung 2 ist „a“ der verursachende Faktor, der in den ansonsten unterschiedlichen Mediensystemen 3 und 4 dafür sorgt, dass sich Outcome X in beiden zeigt; Mediensystem 5 dient als Prüffall zur Bestätigung dieser Schlussfolgerung. Kommunikationswissenschaftliche Beispiele für Most Different Systems Designs legten Swanson/Mancini (1996), Norris/Inglehart (2009) sowie Hanitzsch/Seethaler (2009) vor.
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Abbildung 2: Erklärlogik von „Most Different Systems, Similar Outcome“
MSSD und MDSD sind Idealvorstellungen, die adaptiert und kombiniert werden können
Beide Forschungsstrategien, Most Similar und Most Different Systems Design, werden in der Praxis dadurch verkompliziert, dass es nie nur eine Ursache für ein erklärungsbedürftiges Phänomen gibt, sondern immer eine Konstellation mehrerer Ursachen. Beide Designs sind demnach als Idealvorstellungen anzusehen, die sich nur selten in Reinform realisieren lassen. Um die Vor- und Nachteile der verschiedenen Forschungsstrategien auszugleichen, kombinieren viele Studien die Logik von Most Similar und Most Different Systems Design.
Logik der Qualitative Comparative Analysis (QCA)
Es gibt eine weitere Lösung für das Problem, dass ein erklärungsbedürftiges Phänomen meist auf eine Konstellation mehrerer Ursachen zurückgeführt werden kann. Sie nennt sich Qualitative Comparative Analysis (vgl. Schneider/Wagemann 2007; Ragin 2008) und basiert auf einem anderen Kausalitätsverständnis und einer anderen Datenanalysestrategie als die beiden zuvor behandelten Strategien. Das Kausalitätsverständnis der QCA ist weniger deterministisch, indem nicht isolierte verursachende Einzelfaktoren gesucht werden (etwa „b“ in Abbildung 1), sondern grössere