Handbuch E-Learning. Patricia Arnold

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Название Handbuch E-Learning
Автор произведения Patricia Arnold
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783846349656



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      (6) Präsentieren und Diskutieren von Lernergebnissen ...

      Beim autonomen und selbst organisierten Lernen in virtuellen Bildungsräumen entscheiden die Lernenden selbst, ob, wann, wozu und wie sie die Ergebnisse ihres Lernprozesses – in formalen Rahmungen – zusammenfassen, formulieren und dokumentieren bzw. präsentieren wollen. Dafür stehen ihnen mit Textverarbeitung, Datenbank, Bild- und Grafikbearbeitung, Tabellenkalkulation und anderen Arbeitsprogrammen am Computer vielfältige Instrumente zur Verfügung. Sie können damit ihre erarbeiteten Ergebnisse differenziert und anschaulich und für andere leicht nachvollziehbar präsentieren und zur Diskussion stellen. Mit der Erarbeitung der Präsentation und Diskussion der Lernergebnisse können wiederum Lerneffekte ausgelöst werden, die dadurch entstehen, dass der Lernende mit eigenen Worten einen Sachverhalt beschreibt, eine Problematik erneut formuliert, eine selbst erarbeitete Lösung begründet oder eine kritische Stellungnahme abgibt. Dadurch können auch kreative Ideen, Problematisierungen bisher erarbeiteter Ergebnisse oder neue Interessen und Lernziele ausgelöst werden. Denn mit der Erstellung der Präsentation der Lernergebnisse sind die Lernenden gezwungen, sich über ihre eigenen gegenstandsbezogenen Bedeutungszuschreibungen sowie über die der Zielpersonen ihrer Präsentation klar zu werden, damit die präsentierten Ergebnisse allgemein verständlich und diskutierbar werden. Die Ergebnisse können so von anderen empfangen und auch kommentiert, ergänzt und bearbeitet werden. Die autonom und selbst organisiert durch ihr forschendes Lernen erarbeiteten Ergebnisse werden so zu einem Gegenstand lernender Kommunikation und Kooperation für alle beteiligten Lernenden und auch Lehrenden.

      ... können aber durch Instruktion verhindert werden

      Die Präsentation und Diskussion von eigenständig erarbeiteten Lernergebnissen fördern zweifellos die heute in der Wissensgesellschaft notwendige Kompetenz zur inhaltlich fundierten und allgemein verständlichen Kommunikation über notwendige Problemlösungen, erforderliche Entwicklungen, neue Ergebnisse und deren Bedeutung für die Gesellschaft. Dies erfordert in Lehr- und Lernprozessen einen erheblichen Zeitaufwand. Da zugleich mit der Einführung und Nutzung digitaler Medien eine zeitliche Verkürzung von Lernprozessen erhofft wird, entsteht die Gefahr, dass damit gerade die mögliche Autonomie und Selbstorganisation im Lernen erheblich erschwert oder durch implementierte Instruktionsstrukturen unterbunden wird. Während in traditionellen Lehr- und Lernprozessen die Lernenden das Erlernte noch mündlich oder schriftlich in Referaten, Klausuren, Aufsätzen oder Niederschriften referieren, die gewöhnlich von den Lehrenden veranlasst und schließlich kontrolliert und zensiert werden, wird in instruktionalen Lernmedien das Erlernte durch die richtige Auswahl aus vorgegebenen Antworten oder die Eingabe des richtigen Begriffs oder der richtigen Zahl geprüft, was richtig auswendig gelernte Fakten und Formeln voraussetzt. Ganzheitliche Handlungskompetenzen können so nicht erworben und geprüft werden.

      2.5.3 Förderung der virtuellen Lernkultur

      Sechs Ansatzpunkte

      An welchen Punkten muss angesetzt werden, um die Entstehung einer neuen Kultur virtuellen Lehrens und Lernens zu fördern, die die beschriebenen Potenziale virtueller Bildungsangebote aufgreift und gelingende Bildungsprozesse ermöglicht? Den Erfolg ihrer Bildungsprozesse stellen die Lernenden letztlich immer selbst her. Die Lernenden müssen daher im Mittelpunkt aller Überlegungen zur Förderung einer neuen virtuellen Lernkultur stehen. Sechs Ansatzpunkte sind dafür bei der Entwicklung virtueller Bildungsangebote zu berücksichtigen:

      (1) Aufgabenorientierte didaktische Konzepte: Aushandlung von Lernaufgaben

      Didaktische Konzepte müssen den Erwerb ganzheitlicher Handlungskompetenzen für die Berufstätigkeit (Hahne 2003) sowie die Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensgestaltung in den verschiedenen Praxisfeldern als auch die wissenschaftliche Weiterentwicklung des aktuellen Wissensbestands im Lernbereich in ihr Zentrum stellen. Primäres methodisches Mittel ist dabei, dass Lehrende und Lernende in diskursiven Prozessen gemeinsam allgemeine wie spezielle Aufgabenstellungen aus den entsprechenden gesellschaftlichen Aufgabenbereichen ausgliedern, die dafür notwendigen Grundlagen bestimmen und diese lehrend vermitteln und lernend aneignen. Dieser Aushandlungsprozess dient dem tieferen Eindringen in den Lerngegenstand, seiner Ausdifferenzierung und Kontextualisierung. Gleichzeitig ermöglicht ein solches Vorgehen den Lernenden, subjektiv bedeutsame Defizite ihrer Handlungsfähigkeiten wahrzunehmen und auszugleichen, subjektiv bedeutsame Teilelemente auszuwählen und durch kommunikative Bezüge (in Lerngruppen, im Dialog mit Lehrenden, im Kontakt mit Fachexperten etc.) auch partizipative und kooperative Lernprozesse zu erfahren und auf diese Weise in die Prozesse und Methoden adäquater Handlungsweisen schrittweise hineinzuwachsen.

      Aushandlung von Lernaufgaben bedeutet nicht, dass der Kompetenzvorsprung der Lehrenden unbeachtet bleibt. Im Gegenteil, Lehrende bringen ihren Kompetenzvorsprung auch in virtuelle Bildungsangebote ein, indem sie Aufgabenvorschläge erarbeiten und Prozesshilfen bei der Bearbeitung geben. Aushandlung erfordert vielmehr, dass auch die Interessen, Lerngründe und Arbeitsergebnisse der Lernenden als wichtige Lernressourcen einzubeziehen sind. Eine Rückkopplung der Arbeitsergebnisse der Lernenden an die Gesamtgruppe gehört also unverzichtbar zu aufgabenorientierten didaktischen Konzepten. Gerade durch die Erstellung eigener Arbeitsergebnisse erwerben sie ihre Kompetenzen ganzheitlich und befähigen sich zugleich, sie auch eigenständig erfolgreich einzusetzen. Mit aufgabenorientierten didaktischen Konzepten wird auch zur Kontextualisierung von Lerngegenstand, Lernsituation und Praxisfeld beigetragen. Weitere Vorkehrungen, um den notwendigen Kontext für Lernen herzustellen, können z. B. Erfahrungsgeschichten und Fallstudien sein, aber auch Reflexionshilfen zur jeweiligen Lernsituation und -strategie (Arnold/Smith 2003).

      (2) Förderung autodidaktischer Kompetenzen

      Zeitlich und örtlich flexibilisiertes Lernen mit vielfältigen Lernressourcen und einem hohen Grad an Individualisierung sowie in neu entstehenden virtuellen sozialen Kontexten stellt hohe Anforderungen an die autodidaktischen Kompetenzen. Die Lernenden müssen ihre Lernziele bestimmen und Diskrepanzerfahrungen machen, ihre Lernzeiten planen, ihre Lernumgebung organisieren und gestalten, die Lernressourcen erschließen und für ihre Lernziele auswählen, eigene Lernschritte bestimmen, planen, durchführen, kontrollieren, bewerten und daraus Schlussfolgerungen für ihren weiteren Lernprozess ziehen, sich gegebenenfalls auch Hilfen organisieren und in dieser Vielfalt an erforderlichen Handlungsschritten Prioritäten setzen. Virtuelle Bildungsangebote sollten daher Vorkehrungen und Hilfen beinhalten, mit denen die Lernenden die notwendigen autodidaktischen Kompetenzen selbstständig erwerben können, und Raum für Erfahrungsaustausch und Reflexion der eigenen Lernhandlungen bereitstellen. Für die Lehrenden bedeutet dies, ihre eigenen Kompetenzen dahin gehend zu erweitern, dass sie die Lernenden beim selbst gesteuerten Lernen und bei dem dazu notwendigen Kompetenzerwerb unterstützen können.

      (3) Förderung der Selbstreflexion

      Selbst organisiertes Lernen im virtuellen Bildungsraum erfordert die Selbstreflexion der eigenen Lernprozesse. E-Portfolios sind dafür ein sehr brauchbares Instrument. In den E-Portfolios werden alle wichtigen Lernergebnisse gesammelt, die Lernprozesse in ihren Voraussetzungen, Bemühungen, Fortschritten und Leistungen protokolliert und die angestrebten weiteren Lernziele und die zu ihrer Erreichung zu vollziehenden Lernschritte notiert. Diese Sammlungen und Aufzeichnungen sind die Grundlage für Kommentare und Empfehlungen der Lehrenden und anderen Lernenden sowie für die Selbstreflexion. Wichtig ist, dass die E-Portfolios in die didaktischen Konzepte integriert sind (Arnold/Kumar 2014b). Den jeweiligen Lehr- und Lernformen entsprechend können sie unterschiedlich gestaltet sein und auch als alternative Form für realitätsnahe kompetenzorientierte Prüfungen verwendet werden.

      (4) Förderung von Medienkompetenzen

      Lehrende wie Lernende brauchen für erfolgreiches Lehren und Lernen Medienkompetenzen. Grundlegend ist die Mediennutzungskompetenz zur Erschließung und Nutzung der Lernressourcen. Darüber hinaus brauchen beide aber auch Medien­gestaltungskompetenz: