Zwischen Aufbruch und Randale. Geralf Pochop

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Название Zwischen Aufbruch und Randale
Автор произведения Geralf Pochop
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783947380718



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      N.F.P. und KVD united

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      AbRAUM live im AfA 1990/1991

      So 1991/92 hörte man ja ständig von Freunden, die Stress hatten oder zusammengeschlagen wurden. Wenn Leute im Netz jetzt immer beklagen, wie unsicher zum Beispiel Halle-Neustadt seit 2015 geworden wäre, da muss ich immer lachen, denn Anfang der 90er konntest du dich dort beispielsweise mit langen Haaren oder Punkerfrisur überhaupt nicht blicken lassen. Unsere Songs „Violence“ und „ParaHanoia“ vom ersten Tape erzählen ja davon.

       Wie kamst du auf die Idee, N.F.P. zu gründen?

      Na, N.F.P. war dann schon die Nachfolgeband von AbRAUM, drei Viertel der Band waren ja identisch. Wie oben schon geschrieben, Hardcore war unser Sound der Stunde, er fing unser Lebensgefühl am besten ein, HC war einfach unser Ding. Möglicherweise waren wir auch die Ersten im Chemiedreieck, die diesen Sound spielten. Wir wollten klingen wie Agnostic Front, Slapshot, Sheer Terror und wie sie alle hießen. Zum Glück haben wir es aber nicht hinbekommen, diese zu kopieren, sondern etwas Eigenes zu kreieren.

       Wenn N.F.P. irgendwo spielte, war das immer eine große Party. Erzähl mal etwas über Nuclear Flower Power.

      Wir haben uns in Halle schnell eine relativ große Fan-Basis erspielt. Wie gesagt, Hardcore war der Soundtrack, der gut zu dieser aufregenden, auch harten Zeit passte. Wir sprachen damit nicht nur Punks an, sondern einen größeren Kreis von Leuten mit Interesse an harter Musik. Oft kamen unsere Fans, die auch irgendwie unsere Freunde waren, einfach mit, wenn wir auswärts spielten, nach Stendal zum Beispiel oder nach Potsdam. Irgendwie war immer Party, zumindest in den Anfangsjahren.

      Es gab viele Besetzungswechsel, ab 1996 war ich dann das einzige Originalmitglied. Wir hatten immer Leute in der Band, die gut spielen konnten und mit vielen spinnerten Ideen. Wir wollten eben nicht das Ami-Zeux eins zu eins kopieren, wie es ja die meisten deutschen HC-Bands in der Zeit machten. Stattdessen gingen wir zur FDP, sagten, wir wollen beim Wahlkampf helfen, ließen uns ein Wahlplakat aushändigen, das uns dann ein befreundeter Grafiker am Computer der Kunsthochschule in ein Bandplakat im gleichen Look (und zum Plattencover unserer EP bei Halb 7 Records) umfunktionierte. Der ganze Klamauk gipfelte dann in der Verdammt-Charmant-CD, die neben vielen guten Songs auch einen Haufen Quatsch und Gimmicks enthielt. Das Problem war nur: Außerhalb unserer, heute würde man sagen, Blase konnte niemand was mit diesem Blödsinn plus eigentlich sehr guter Musik anfangen. Man schaue sich nur die Plastic-Bomb-Kritik von damals an. War dann aber auch egal, 1998 hatten wir uns so zerstritten, dass wir die Band auflösten.

       Du spielst noch in einer weiteren Band namens Klabusterbären. Wie kam es dazu?

      Zu der Zeit, als sich N.F.P. auflösten, war gerade der Posten des Drummers bei den Klabusterbären vakant. Ich hatte ja schon, ohne es überhaupt zu können, bei den „Band“-Projekten München 72 und Brille getrommelt. Dass ich nichts draufhatte, war bei den Bären nicht weiter schlimm, denn zu dieser Zeit passte das ganz gut zu den anderen „Musikern“ in der Band. Und ich konnte mein Knowhow aus der AbRAUM- und N.F.P.-Zeit einbringen und den Songs erst mal Struktur geben, die hatten nämlich keinen Anfang und kein Ende, das brauchen Punksongs aber. In der Folgezeit machten wir Fortschritte an den Instrumenten und ich konnte mein Faible für kurze poppige Punksongs und viele Textideen in die Band einbringen. Aber das sind dann schon die 2000er Jahre!

       Hast du noch Erinnerungen an die legendäre Villakonfiszierungsparty 1994, bei der sich die Klabusterbären gründeten?

      Und ob. Denn an dem Abend gründeten sich nicht nur die Klabusterbären und ließen sich vom Publikum den Namen geben. Es war auch der Abend, an dem N.F.P. quasi als Headliner (also als letztes) spielen sollten und wir uns vorher schon mächtig abschossen. Das wurde zum kürzesten Auftritt unsere Bandkarriere. Wir starteten mit einer Cover-Version von „Crucified“. Und ungefähr bei der Hälfte des Liedes stürzte unser Gitarrist Grahli von der Bühne und riss dabei die gesamte PA mit sich. Kann man sich heute bei YouTube anschauen!

       Dann gab es ja noch deine seltsame Band Brille. Was kannst du über diese berichten?

      Meine Freunde Nympho, Sud, Ingwin und ich hatten damals ein Fanzine namens Arbeitslosenkurier 47 an den Start gebracht. Vorbild war natürlich das ZAP, aber auch wenn Eigenlob stinkt, das Heft hatte schon tolle Texte, alle mit eigener Note, teilweise unterhaltsam lustig, teilweise krass. Wir saßen zusammen, spannen uns mal wieder einen an, hatten auf einmal so Headlines zum Zeitgeist der 90er in der Ex-DDR wie „Schuld ist nur das Außengeländer“ oder „ABM-Staat“ ausgebrütet und gingen damit in den Proberaum (alle außer Sud, der war aber dafür bei München 72 am Start). Nympho schnappte sich den Bass, ich setzte mich hinter die Drums, musikalisch keinen Schimmer lärmten wir drauflos und Ingwin schrie dazu die oben genannten Parolen ins Mikro. Das nahmen wir dann mit einem Kassettenrekorder auf und brachten es zu euch in den Schlemihl-Plattenladen. Und ihr habt es auf Platte gepresst (prust … lach!!!). Noch so ein Spaß aus dieser Zeit!

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      N.F.P. live in der Weinbergmensa

       Was denkst du heute über die Nachwendezeit?

      Für unsere Eltern war es sicher eine nicht ganz einfache Zeit, aber für unsere Generation, die zur Wendezeit so zwischen 16 und 22 Jahren war, war es einfach genial. So viele Freiräume, so viel Abenteuer, in sich zusammenbrechende Autoritäten in den Schulen und auf der Straße, kaum Polizei, viele Hausbesetzungen, auch eine sehr kreative Zeit! Ich will es nicht missen!

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      Geralf, Dirk & André Z. 1990

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      Geralf beim Pogen ca. 1992/1993

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      André Z. & Geralf ca. 1992/1993

      RENTNER, PUNKS UND WINDIGE VERKÄUFER – BUTTERFAHRT NACH DÄNEMARK TEIL 2

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      Nach dem Mauerfall kamen alle möglichen dubiosen Typen in den Osten und witterten das große Geschäft. Den Ostdeutschen konnte man alles aufquatschen, hieß es. Und das stimmte wohl auch. Jedes noch so unsinnige Produkt, das aus dem Westen stammte, war interessant für Ostler. Ob es etwas taugte oder nicht, war zweitrangig. Nach 40 Jahren Mangelwirtschaft mit immer denselben DDR-Produkten stürzten sich Ostdeutsche auf alles Westliche. Damals war selbst eine Büchse Dosenravioli ein delikates Festessen.

      Die Butterfahrten, auf denen man alten Leuten überteuerte Dinge aufschwatzte, überfluteten damals das ganze Land. Im Gegensatz zum Westen wurden die Leute im Osten aber nicht nach Dänemark gefahren. Man sparte sich solche Fahrten gleich ganz und sperrte die Rentner ohne Umwege in eine Fabrikhalle oder einen anderen leerstehenden Raum in der jeweiligen Ostzonenstadt. Wir Hallenser Punks machten uns einen Spaß daraus, solche Veranstaltungen desaströs enden zu lassen. Abenteuerlust, Gerechtigkeitssinn und etwas Beschützerinstinkt trieben uns dabei an.

      An einem Samstag Anfang der 90er, als wieder mal so eine Rentner-Verkaufsveranstaltung in Halle (Saale) anstand, beschlossen etwa 15 Hallenser Punks: Wir sind dabei! Die Haare frisch gefärbt, die Iros hochgestylt kamen wir an dem Veranstaltungsort an. Ein heruntergekommenes, leeres Gaststättengebäude. Dem Verkaufsveranstalter klappte schon bei unserem Anblick die Kinnlade runter. Er wollte uns zunächst