Название | Zwischen Aufbruch und Randale |
---|---|
Автор произведения | Geralf Pochop |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783947380718 |
Kannst du dich an lustige Erlebnisse erinnern?
Na klar, Spaß hatten wir ohne Ende! Es gab mal eine Phase mit unserer HC-Band N.F.P., so um die Zeit als das Fatsch-Tape herauskam, da sind ein Haufen Leute aus Halle (Saale) mit uns mitgefahren, in Stendal waren bestimmt so 50 Leute mit. Da hatten wir schon unterwegs so richtig Spaß. Auf der Rückfahrt sind wir dann irgendwo in der Pampa angehalten und haben erst mal ein spontanes Rave auf der Straße veranstaltet.
Oder noch in Wolfen, an die genauen Umstände kann ich mich nicht mehr erinnern, aber irgendwie gab es da mal eine Punkerwohnung in einem alten Haus quasi in der „Innenstadt“, und schräg rüber war eine Kneipe, die hat uns das Bier in 10-Liter-Eimer gefüllt und verkauft.
Oder als wir mit unserem München-72-„Band“-Projekt bei einem Hippie-Fest namens Bluminale eingeritten sind, an einem Kleinkunst-Wettbewerb teilnahmen und mit unserer A-Cappella-Version von „Wir sind die Punx vom Roten Kreuz, wir hauen allen auf die Schneuz!“ den zweiten Platz gewannen. Spaß hatten wir eigentlich jeden Tag irgendwie, Spaß war überhaupt das Wichtigste!
Deine Band AbRAUM hat ja vor und nach der Wende gespielt? Welche Unterschiede gab es?
Es ergaben sich überhaupt erst mal Auftrittsmöglichkeiten für uns, in den ganzen frisch besetzten Häusern waren wir dann viel zu Gast, VL, AfA-Café, der Knast in Magdeburg. Vorher hatten wir nur in Neubauwohnungen oder in einer Berufsschule gespielt. Es heißt ja nicht umsonst im Song „Radaubrüder“: „Die Sessions im Neubaublock / waren für die Nachbarn der große Schock“.
Du stammst aus Wolfen-Nord. Gab es dort eine große Punkzene?
Nein. Ich erinnere mich an einen Typen, der hatte einen Iro und eine Jacke mit Cinzano-Werbung drauf. Der stand am Rummel immer an der Schmetterlingsbahn und wir haben uns nicht getraut, den anzusprechen, der war halt älter als wir. Es gab dann einen Punk, mit dem wir in Kontakt kamen, und rund um unsere Band gab es dann so 10 bis 15 Leute, die so in unserem Alter und punkig drauf waren. An zwei Skinheads erinnere ich mich, da war nicht so klar, wie die drauf waren, aber es gab Kontakte zu denen. Und ein paar nette Langhaarige, die so Anarchomäßig drauf waren, und das war es schon.
Gab es in Wolfen-Nord in der Nachwendezeit auch Hausbesetzungen?
Neubauwohnungen besetzt man ja in der Regel nicht. Es gab aber einen Jugendclub, den hatte unsere Clique zu dieser Zeit für sich okkupiert. Und später einen Bunker, wenn ich mich recht entsinne, dann haben wir mit AbRAUM da auch mal gespielt.
Habt ihr auf einem der Open Airs oder Punkfeste, die damals voll aus dem Ruder gelaufen sind, gespielt, wie zum Beispiel dem Erntepunkfest in Wegeleben, Zobersdorf oder dem 3. Dessau Open Air?
Wir haben mit den Skalcoholics in Dessau auf dem Open Air gespielt.
Kannst du deine dortigen Eindrücke schildern?
Na, ich meine mich zu erinnern, dass, während wir spielten, aus der benachbarten Laubenkolonie Rauchsäulen aufstiegen … und auch vorher gab es schon Schlägereien und es war eine aggressive Stimmung. Einige aus der Band waren sehr erschrocken und meinten, dass sie das Publikum faschistoid fänden. Ich fand das damals übertrieben, aber aus heutiger Sicht muss ich ihnen schon recht geben: Was gibt einem das Recht, die Gartenlauben von irgendjemanden, den man gar nicht kennt, anzuzünden? Aber das größte Chaos herrschte auf der Release-Party zum Saalepower-Sampler.
Wann und warum hat sich AbRAUM damals aufgelöst?
Es waren die typischen musikalischen Differenzen. Unser Gitarrist Torsten, in dessen Kinderzimmer wir mithilfe seiner selbstgebauten Gitarre und dem selbstgebauten Drumcomputer angefangen hatten (damals noch zu zweit), wollte eher beim klassischen Punkrock bleiben, den anderen drei war mehr nach Hardcore, englische Texte, Mosh-Parts etc. So trennten wir uns, und wenn ich mich recht entsinne, nicht gerade auf die feine englische Art, was ich in der Rückschau bedauere, weil ohne Torsten wäre das ganze Projekt AbRAUM nie zustande gekommen.
Warum bist du nach Halle (Saale) gezogen?
Na, Halle war im Vergleich zu Wolfen-Nord schon ein Riesenfortschritt. Ich hatte ja schon meine Lehre hier gemacht, aber zu der Zeit noch in WoNo gewohnt. In Halle gab es eine Szene, besetzte Häuser, Proberäume. Und eine Universität, wo ich dann auch studieren konnte. Mit Grahli, der schon bei AbRAUM dabei war und dann auch bei N.F.P., zog ich eine WG mit Außenklo und nur schwer heizbaren Räumen! Perfekt!
AbRAUM ca. 1988
Wie hast du die Hallenser Subkultur-, Punk- und Hausbesetzerszene damals erlebt?
Na, man musste sich als Neuankömmling seinen Platz schon auch ein bisschen erkämpfen, da gab es schon Platzhirsche mit Punk- und Untergrund-Verdiensten aus DDR-Zeiten. Aber die meisten waren sehr offen und nett. Durch die Hausbesetzungen (Kellnerstraße und Reilstraße 122) hatten wir die Möglichkeit, zu proben, aufzutreten und einfach nur mit Gleichgesinnten abzuhängen. Die Kellnerstraße war quasi unser verlängertes Wohnzimmer. Wobei: Am Anfang haben wir mit N.F.P. in dem Haus vom IRIS Regenbogenzentrum geprobt, keine Ahnung, wie es eigentlich dazu kam. Als die dann dort aber ein Geburtshaus etablieren wollten, sind wir rausgeflogen, keine Mutter sollte ihr Kind bekommen, während wir eine Etage tiefer „N.F.P.! East-Germany!“ oder „I hate you!“ skandierten.
Was hast du für Erinnerungen an den Fascho-Stress damals in Wolfen-Nord und in Halle (Saale)?
Als Bedrohung war das natürlich immer da, auch wenn mir persönlich Gott sei Dank nie was wirklich Schlimmes passiert ist. Es gab ein paar brenzlige Situationen, ein paarmal mussten wir flitzen. Ich selber sah ja eher wie eine Mischung aus Student (runde Brille) und Skinhead (kurze Haare) aus, dazu Baseball-Ami-Jacke. So ging ich optisch auch mal als „Hilfskamerad“ durch. So sind ein Kumpel und ich mal betitelt worden, das war noch zu DDR-Zeiten, da war ein großer Jugendtreff am Bergwitzsee, glaube ich. Wir waren zarte 14 oder 15 Jahre. Da waren vor allem Langhaarige da, aber auch Glatzen aus Berlin, die machten ständig Sport. Wir merkten schon, das wird irgendwie brenzlig, und verpissten uns zum Angeln an irgendeinen anderen Teich. Als wir wiederkamen, waren die Glatzen verschwunden und die Langhaarigen erzählten am Lagerfeuer etwas von eingesetzten Bratpfannen und Zeltstangen.
Die Konrads