Am laufenden Band. Joseph Ponthus

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Название Am laufenden Band
Автор произведения Joseph Ponthus
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783751800518



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      Muss man erstmal schaffen

      Muss man wirklich wollen

      An was denken meine Kollegen Produktionsmitarbeiter beim

      Sortieren ihrer Garnelen welche Ohrwürmer besetzen ihre Köpfe oder

      summen ihre Münder vor sich hin

      Durch Ohrstöpsel und Fabriklärm hindurch hör ich manchmal

      Balavoine und Christophe Maé der sich fragt wo das Glück ist und

      Véronique Sanson

      Leute die jeder kennt

      Unsere gigantischen Förderbandmaschinen

      Metallbäuche in denen die Garnelen

      Aufgetaut

      Sortiert

      Gegart

      Wiedertiefgefroren

      Wiedersortiert

      Verpackt

      Etikettiert

      Und wiederwiedersortiert werden heißen

      Coaxial

      Ishida

      Multivac

      Arbor

      Bizerba

      Jede hat ihre eigene Funktion

      Solche riesigen Maschinen muss man erstmal produzieren nur wer

      macht das und wo

      Sind es weitere Maschinen die die Maschinen herstellen

      Und wenn ja welche Fabriken stellen die Maschinen für unsere

      Fabrik her

      Und in welchen Fabriken stellen dann Maschinen die Maschinen her

      die die Maschinen für unsere Fabrik herstellen

      Ich spreche nicht von Menschen an den Maschinen sondern vom

      Paradigma der Maschine die eine andere Maschine herstellt

      Angeblich beschäftigt die Fabrik zwei Drittel Zeitarbeiter und ein

      Drittel Festangestellte

      Angesichts der Gehälter fragt man sich warum

      Das wissen nur die Chefs

      Allein

      Warum grüßt der graumelierte Chef nie irgendwen während andere

      in dieser Maschinenwelt doch recht menschlich sind

      Welchen Teil der Maschine verkörpern wir unbewusst selbst

      Alle Garnelen kommen tiefgefroren aus Madagaskar Peru Indien

      Nigeria Guatemala Ecuador

      Exotischen tropischen Reisezielen

      Vielleicht Billigflaggen

      Bestimmt Handelshäfen

      Alle Garnelen kommen ungepult außer die besonders dicken

      »Aperitif-Garnelen« die in einem Plastikrund mit einem Gewicht von

      einhundertfünfundzwanzig Gramm zu einem Supermarktpreis von

      rund fünf Euro als »Kränze« verkauft werden

      Oft produzieren wir mehr als zehntausend Aperitif-Garnelen-

      Kränze pro Tag mit gut zwanzig Mini-Garnelen pro Kranz

      Welche Produktionsmitarbeiter aus welchem Land haben

      vor uns so viel gepult

      Welche Arbeiter

      Für welches Geld

      Welche Kinder

      Wie sehen die Gesichter der Produktionsmitarbeiter aus

      Wie ihr Leben hinter den persönlichen Schutzausrüstungen

      Unter den Masken

      Hinter den mechanischen Griffen der gegenseitigen Hilfe der

      automatischen Freundlichkeit von denen die klaglos schuften

      Nicht übers Leben zu reden scheint stillschweigend abgemacht

      Die Fabrik geht vor genau wie der Lohn

      So viele Garnelen

      So viele Fragen

      Morgen

      »Oh meine Danaidenfässer«

      Wie Apollinaire gesagt hat

      Oh bodenlose Fässer der vierzig Tonnen Garnelen pro Tag

      Nehm ich meine Fabrik wieder auf

      Geh ich zu meinen Garnelen zurück

      Zur Plackerei derer die nur

      Ihre Hände zu verkaufen

      Ihre Fürze abzulassen haben

      Ihre obszönen Witze um sechs Uhr früh

      Was sie auch singen

      Welche Fragen sie auch stellen

      Beim Sortieren der Garnelen

      Existenzielle oder nicht

      Ich bin einer von euch

      Ein Fabrikarbeiter

      Ein Fragenabarbeiter zum Großen Ganzen zu nichts Wichtigem zur

      Literatur zu allem anderen zu den Garnelen

      Was im Grunde aufs Gleiche hinausläuft

      Acht Stunden pro Nacht pro Tag an den Maschinen

      Das Wort Garnele fällt mir ein liest man zum ersten Mal bei Rabelais

      Das gefällt mir und passt zum sauren Gestank der Fabrik

      Die Fabrik verlassen Sonne Wärme tanken falls vorhanden

      Rauchen

      Heimkommen

      Trinken

      Vögeln

      Weinen

      Lachen

      Sein Leben woanders leben als bei den Garnelen

      Schlafen

      Den Wecker stellen

      Schlafen wie ein Stein

      Morgen zurück zu den Garnelen

       3.

      Am Montag fange ich um vier Uhr morgens an

      Nicht bei den Garnelen sondern beim Frischfisch

      Um vier Uhr morgens wenn die Fischer von Guilvinic Douarnenez

      der Île-d’Houat oder anderswo aufs Meer rausfahren

      Darauf bin ich ein bisschen stolz

      Frischfisch des Tages ist bestimmt ne Riesenlieferung Sardinen

      Beim letzten Mal waren zehn Tonnen zu sortieren und mit dem

      Etikett »Pavillon Frankreich« zu versehen und in Styroporkisten

      voller Eis zu stapeln

      Es ist Sommer also werden es weit mehr sein als die zehn Tonnen

      vom letzten Mal

      Schließlich ist Grillzeit

      Ich werde beim Sortieren gut aufpassen und die Makrelen und Stinte

      herausfischen

      Um vier Uhr morgens heißt zwei Stunden früher aufstehen schon am

      Vortag starken Kaffee machen das Fahrrad nehmen eine halbe Stunde

      in