Название | Am laufenden Band |
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Автор произведения | Joseph Ponthus |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783751800518 |
I
»Fantastisch, was sich alles ertragen lässt.«
GUILLAUME APOLLINAIRE
(Brief an Madeleine Pagès, 30. November 1915)
1.
Bevor ich in die Fabrik kam
Dachte ich natürlich an
Den Gestank
Die Kälte
Das Schleppen schwerer Kisten
Die Erschöpfung
Die Arbeitsbedingungen
Das Fließband
Moderne Sklaverei
Ich bin dort nicht für eine Reportage hin
Und schon gar nicht für die Revolution
Nein
Die Fabrik ist für die Kohle
Ein Brotjob
Wie man so sagt
Weil meine Frau es satt hat mich auf der Couch auf eine Stelle in
meiner Branche warten zu sehen
Also
Lebensmittelindustrie
LM
Wie man hier sagt
Eine bretonische Fisch- und Garnelenproduktions- und
-verarbeitungs- und -gar- und all das -fabrik
Ich geh dort nicht zum Schreiben hin
Sondern für die Kohle
In der Zeitarbeitsfirma werde ich gefragt wann ich anfangen kann
»Wenn morgens fahle Sonne frühe Gärten bleicht«
Antworte ich so schlicht wie Hugo
Beim Wort genommen fange ich am nächsten Morgen um sechs Uhr
an
Im Laufe der Stunden und Tage setzt sich das Bedürfnis das zu
beschreiben hartnäckig fest wie eine Gräte im Rachen
Nicht die Eintönigkeit der Fabrik
Sondern ihre paradoxe Schönheit
An meinem Förderband denke ich oft an eine Parabel von ich glaube
Claudel
Auf seinem Pilgerweg von Paris nach Chartres trifft ein Mann einen
Arbeiter beim Steineklopfen
Was machen Sie da
Meinen Job
Felsblöcke rollen
Scheiße
Mein Rücken ist hin
Sauerei
Müsste verboten sein
Zum Verrecken
Ein paar Kilometer weiter ein zweiter bei der gleichen Arbeit
Gleiche Frage
Ich schufte
Muss die Familie ernähren
Das ist hart
Aber ist halt so und ist immerhin Arbeit
Das ist das Wichtigste
Noch weiter
Kurz vor Chartres
Ein dritter Mann
Mit strahlendem Gesicht
Was machen Sie da
Ich baue eine Kathedrale
Mögen meine Garnelen und meine Fische meine Steine sein
Ich rieche den Gestank der Fabrik nicht mehr der mir zuerst in die
Nase stach
Die Kälte ist mit dickem Pullover Kapuzenpulli zwei Paar Socken und
langer Unterhose erträglich
Die schweren Kisten lassen mich Muskeln entdecken von denen ich
bislang nichts wusste
Die Knechtschaft ist freiwillig
Fast beglückend
Die Fabrik hat mich gekriegt
Ich sage nur noch
Meine Fabrik
Als sei ich kleiner Zeitarbeiter unter all den anderen irgendwie
beteiligt an der Fisch- und Garnelenproduktion oder den -maschinen
Bald
Produzieren wir auch Muscheln und Schalentiere
Krebse Hummer Seespinnen und Langusten
Ich hoffe bei dieser Revolution noch dabei zu sein
Und Scheren zu klauen obwohl ich jetzt schon weiß
Das wird nichts
Nicht mal die kleinste Krabbe dürfen wir uns angeln
Will man ein paar verdrücken muss man sich gut verstecken
Noch nicht unauffällig genug hat die alte Brigitte gesagt
»Ich hab nichts gesehen aber pass auf wenn die Chefs dich
drankriegen«
Seitdem pul ich sie klammheimlich unter der Schürze mit meinen
drei Paar Handschuhen die mich vor Feuchtigkeit Kälte und
allem anderen schützen und futtere an Naturalien was