Kirche der Armen?. Группа авторов

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Название Kirche der Armen?
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783429063429



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betont er noch die zentrale Bedeutung der Menschenrechte. In der orthodoxen Diskussion gingen dabei die Meinungen weit auseinander. So werde von einigen die Meinung vertreten, mit den Menschenrechten werde der Mensch an die Stelle Gottes gesetzt. Menschenrechte würden da oft in karikierter Form dargestellt: Menschenrechte werden nur zitiert zur Begründung für gleichgeschlechtliche Ehen, für Abtreibung oder als Grundlage für Propaganda der amerikanischen Sekten in Russland. Da sie in der Rezeption nur verkürzt wahrgenommen würden, käme es häufig auch zu einer grundlegenden Ablehnung der Menschenrechte. Hier bräuchte es mehr ökumenisches Engagement. Westliche Kirchen müssten mehr zeigen, dass auch die eigene Kulturgeschichte nicht so geradlinig gelaufen ist.

      Preda hielt schließlich offene Fragen fest, die aus seiner Sicht im Blick auf eine Theologie der Diakonie für die Orthodoxie zu stellen sind:

      • In einer noch zu schreibenden Sozialgeschichte der Orthodoxie müsste skizziert werden, dass man die Andersartigkeit der orthodoxen Kirche sieht (nicht als Gegensatz, sondern als andere Form bei gemeinsamer Basis).

      • Wie stellen sich orthodoxe Kirchen dem Dialog mit der Moderne?

      • Welche Rolle spielt das Trauma des Totalitarismus? Wie sieht die Diakonie nach dem Gulag aus (als Frage nach der „gescheiterten Nächstenliebe“).

      • Wie stehen die Orthodoxen in der westlichen Gesellschaft zu ihrer Aufgabe, Träger der Nächstenliebe zu sein?

       Literatur

      Bettazzi, Luigi, Die Kirche der Armen vom Konzil bis zu Papst Franziskus, Würzburg 2015. (Original: La chiesa dei poveri. Dal concilio a Papa Francesco, übers. v. Barbara Häußler)

      Ganne, Pierre, Die Prophetie der Armen, Einsiedeln 1986. (Original: Le Pauvre et le Prophète, Culture et Foi, Lyon 1973, übers. v. Hans Urs von Balthasar)

      Laubach, Thomas / Wahl, Stefanie A. (Hg.), Arme Kirche? Die Botschaft des Papstes in der Diskussion, Freiburg 2014.

      Moser, Maria Katharina, Corona als Karfreitagsmoment, in: https://theocare.wordpress.com/2020/06/26/corona-als-karfreitagsmoment-maria-katharina-moser/ [Zugriff: 26.06.2020].

      Tippow, Rainald, Hoffnung statt Isolation, in: https://theocare.word-press.com/2020/04/07/hoffnung-statt-isolation-gastautor-rainald-tip-pow/ [Zugriff: 10.05.2020].

      1 Laubach / Wahl (Hg.), Arme Kirche?

      2 Vgl. ebd., 8.

      3 Vgl. Bettazzi, Kirche der Armen. Dieses Buch hatte Bischof Bettazzi schon 2001 verfasst und dann aufgrund des Pontifikats von Papst Franziskus 2015 aktualisiert, vor allem aufgrund der 50-Jahr-Feier des Abschlusses des II. Vatikanums und des Auftauchens des Originaldokuments des sogenannten „Katakombenpakts“ von 1965, der damals von 40 Bischöfen unterschrieben worden war.

      4 Ebd., 7.

      5 Ebd.

      6 Ebd., 40.

      7 Ganne, Prophetie der Armen.

      8 Ebd., 120.

      9 Ebd., 122.

      10 Ebd.

      11 Ebd., 134.

      12 Ebd., 134f.

      13 Ebd., 135.

      14 Moser, Corona als Karfreitagsmoment. Vgl. auch https://www.sn.at/panorama/oesterreich/ein-drittel-der-corona-cluster-in-senioren-und-pflegeheimen-87207229.

      15 Vgl. Tippow, Hoffnung statt Isolation.

      16 Die folgenden Gedanken entstammen dem Symposium.

       1. Begriffsklärungen

       Armut

       1. Elisabeth Jünemann

      Der sozialethische Blick auf die Armut zeigt ein differenziertes Bild: Der Blick auf die Ressourcen sieht den finanziellen Mangel. Arm ist, wer zu wenig Geld hat, seine Bedürfnisse in einem gesellschaftlich als notwendig anerkannten Maße zu befriedigen. Der Blick auf die Lebenslagen sieht die Chancen der Lebensführung, die nicht allein von den verfügbaren finanziellen Ressourcen abhängig ist. Allerdings ist es schwierig, Verwirklichungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume jenseits der finanziellen Ressourcen methodisch angemessen zu bewerten.

      Schon deshalb kommt dem Ressourcenansatz weltweit größere Bedeutung zu: Absolut arm ist, wer weniger als 1,90 $ am Tag zur Verfügung hat. Diesen zurzeit noch ca. 700 Millionen Menschen fehlt das finanzielle Minimum zum Überleben. Neben der Unterschreitung des Existenzminimums ist die Unterschreitung des normalen Lebensstandards relevant. Als „arm“ gilt der, dessen Einkommen weniger als 50% des Durchschnittseinkommens beträgt. Arme gibt es dann auch in Wohlstandsgesellschaften.

       2. Regina Polak

      Die Armut gehört mit dem Gehorsam und der Keuschheit zu den drei „evangelischen Räten“. Sie ist eine Empfehlung Jesu, wie man ihm nachfolgen und „vollkommen“ sein kann (Mt 19,21). Dieser Rat idealisiert keinesfalls Mangel, Not und Elend, sondern empfiehlt Besitzlosigkeit und fordert dazu auf, das eigene Leben den Armen zur Verfügung zu stellen. Deshalb ist dieser Rat auch nur für jene verpflichtend, die sich freiwillig für ein in besonderer Weise Gott geweihtes Leben entscheiden, z.B. Ordensmitglieder. Alle anderen Christ*innen können, müssen aber nicht so radikal leben.

      Ein Leben in Armut zu führen bedeutet, einen einfachen, bescheidenen Lebensstil zu pflegen. So werden Menschen nicht von irdischen Wirklichkeiten abhängig, z.B. von Sicherheit, Besitz, Wohlstand und Macht. Freiheit und Unabhängigkeit werden dadurch geschützt. Armut kann aber auch mit Verletzbarkeit und Zerbrechlichkeit, Bedürftigkeit und Ohnmacht konfrontieren, kann daher auch Angst auslösen. Anders als ein reicher ist sich ein armer Mensch daher eher bewusst, dass er, sie andere Menschen und Gott braucht.

      Armut meint also auch eine Tugend, eine Lebenseinstellung, die um die Angewiesenheit auf Gott weiß. Deshalb – so das biblische Zeugnis – sind die Armen Gott in besonderer Weise nahe. Auch Jesus von Nazareth preist die Armen als glücklich, denn „ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,3).

       3. Rainald Tippow

      Armut ist eine Situation, die durch einen Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe sowie von sozialer Ausgrenzung gekennzeichnet ist. Zugleich sind die Möglichkeiten, dieser Situation aus eigener Kraft zu entkommen, nur eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. Neben den bekannten Ausprägungen materieller Natur gibt es sie auch in ideeller Form, z.B. infolge von Einsamkeit oder dem Tod naher Bezugspersonen.

      Da insbesondere in reichen Ländern arme Menschen Reichtum und Wohlstand nicht selten als Ergebnis von Leistung sehen, wird materielle Armut als beschämend und stigmatisierend empfunden, etwa als Folge von Faulheit oder Schwäche. Die EU definiert Armut als „erhebliche materielle Deprivation“ und erfasst sie statistisch. Demnach spricht man von Armut, wenn das Haushaltseinkommen unter 50% des Einkommensmedians des jeweiligen Landes liegt. Was als Armut „gilt“, steht somit in Relation zur materiellen Lage des konkreten Lebensumfelds und stellt sich global daher anders dar als in Europa. Sie ist „immer auch ein gesellschaftlich definierter Status“. Je nachdem, ob sie sich an wissenschaftlichen Konzepten, der öffentlichen Wahrnehmung oder am subjektiven Notgefühl der Betroffenen orientiert, wird Armut verschieden definiert.

       Barmherzigkeit

       1. Regina Polak

      Barmherzigkeit beschreibt eine Form der Liebe: jenes Mitgefühl, das einen Menschen