Sepp Kerschbaumer. Josef Fontana

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Название Sepp Kerschbaumer
Автор произведения Josef Fontana
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788872838051



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       Anklage und Verteidigung

       Das Urteil

       Von Mailand nach Trient, von Trient nach Verona

       Zwischenstation in Verona

       Unbehagen in Trient, Rückkehr nach Verona

       Tod und Begräbnis

       Tod in Verona

       Das Begräbnis, ein drittes Sigmundskron

       Vermächtnis und Gedächtnis

       Gedenkfeiern im Zeichen von Störmanövern

       Gedenkfeier im Zeichen des zehnten Todestages

       Gedenkfeiern im Zeichen des Terrors, erzeugt mit Bomben aus zweiter Hand

       Gedenkfeiern im Zeichen hausgemachten Unfriedens

       Erinnerungsdenkmale und historische Aufarbeitung

       Anmerkungen

       Quellen und Literatur

       Personenregister

       Ortsregister

       Bildnachweis

       Abkürzungen und Siglen

       Die Autoren

      Jugend und frühe Mannesjahre

       Jugendzeit und erste politische Erfahrungen

      Sepp Kerschbaumer wurde am 9. November 1913 als Sohn des Josef Kerschbaumer und der Luise Zelger in Frangart bei Bozen geboren.1 Der Vater, 1917 an der Tiroler Südfront gefallen, stammte vom Ritten, die Mutter aus Aldein. Durch Sparsamkeit und Fleiß hatte es die Familie Kerschbaumer zu bescheidenem Wohlstand und Ansehen gebracht. Als Angestellter der Firma Amonn war es dem Vater möglich gewesen, das Gemischtwarengeschäft in Frangart aufzubauen, das Sepp Kerschbaumer später übernehmen sollte. Sepp Kerschbaumer verlor aber den Vater bereits mit fünf und die Mutter mit neun Jahren. Nach dem Tod der Mutter kam er daher in ein Heim, zuerst in das Rainerum in Bozen, dann zu den Augustiner Chorherren in Neustift, wo er bis zum 14. Lebensjahr die kaufmännische Vorbereitungsschule absolvierte. Eine höhere Schule besuchte er nicht, doch dürfte er in Bozen und Neustift eine recht solide Grundausbildung erfahren haben. Seine spätere Gewandtheit in der Handhabung der Feder lässt darauf schließen, dass er gute Deutschlehrer hatte. Nach Abschluss der Schule in Neustift begann Sepp Kerschbaumer in einem Brixner Porzellangeschäft die Kaufmannslehre; wäre er nicht im Mai 1933 zum Militärdienst eingezogen worden, hätte er nun bald das vom Vormund verwaltete Gemischtwarengeschäft übernehmen können. So führte das Geschäft vorläufig Martin Alessandri aus Frangart weiter. Auch nach der Entlassung aus dem Militärdienst war es ihm nicht möglich, sich beruflich selbstständig zu machen. Jetzt war es die Politik, die ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Es ist nicht bekannt, ob sich Sepp Kerschbaumer in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren viel mit Politik befasst hat. Sicher ist, dass sich die Lage in Südtirol um 1933/34 verschärfte und dabei oft der Friedfertigste vom Sog der Zeit erfasst wurde. Der im Herbst ins Land gekommene neue Präfekt Giuseppe Mastromattei schlug einen Kurs ein, der den Menschen in Südtirol das Leben schwer machte. Eine forcierte Zuwanderung sollte das ethnische Verhältnis auf den Kopf stellen und das deutsche Element an den Rand drücken. Letztes Ziel dieser Politik war die Assimilation der einheimischen Bevölkerung. Die Südtiroler führten damals ein Leben zwischen Resignation, äußerer Anpassung und Hoffnung. Die ältere, mehr an den Männern des aufgelösten Deutschen Verbandes und am Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) orientierte Generation sah in den Diktaturen in Italien und in Deutschland vorübergehende Erscheinungen. Ihr war daran gelegen, die Stürme möglichst gedeckt und in Passivität durchzustehen, bis eine bessere Zeit anbrach. Vom Nationalsozialismus erwartete sie sich keine Erlösung aus der Notlage. Im Unterschied dazu setzte die Jugend, vornehmlich die im Völkischen Kampfring Südtirols (VKS) organisierte, ihre Hoffnungen auf das aufstrebende nationalsozialistische Deutschland.

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       Sepp Kerschbaumers Eltern

      Nur das von Hitler geführte Deutschland, niemals das kleine Mussolini-hörige Österreich, schien in die Lage zu kommen, das Unrecht von Saint Germain und Versailles zu beseitigen und Südtirol zu befreien. Neue Nahrung erhielten diese Tendenzen im Herbst 1934 durch Gerüchte über eine bevorstehende Volksabstimmung im Saargebiet. Das Saarstatut (Art. 45 bis 50 des Versailler Vertrags) hatte das Saargebiet ab 1920 für 15 Jahre dem Völkerbund treuhändisch unterstellt. Artikel 49 dieses Abkommens sah vor, dass nach Ablauf dieser Frist die Bevölkerung dieses Gebietes befragt werde, „unter welche Souveränität sie zu treten wünscht“.2 Das Saarvolk konnte also entscheiden, ob das Saargebiet an Frankreich fallen oder heim ins Reich kommen solle. Das Datum für die Abstimmung war auf den 13. Jänner 1935 festgesetzt. Solche Vorgänge wurden in Südtirol aufmerksam verfolgt. In St. Pauls hatte der Dopolavoro der Gemeinde einen Radioapparat geschenkt, der angeblich so eingestellt war, dass er alle Sendungen aus dem Deutschen Reich übertrug. Man war daher gut informiert über all das, was sich in Deutschland ereignete, ab 1933 freilich immer im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda. In St. Pauls gab es keine Carabinieri-Station. Daher konnte sich dort auch unter der Führung von Franz Schweigkofler eine starke Ortsgruppe des VKS etablieren und entfalten. Diese Ortsgruppe veranstaltete am 9. September 1934 in St. Pauls ein Wiesenfest. An diesem Fest nahm auch Sepp Kerschbaumer im Verein mit mehreren Burschen aus Frangart teil. Und dies sollte ihm zum Verhängnis werden.

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      Dieses Schulzeugnis beweist, dass Sepp Kerschbaumer ein begabter Schüler war. Er führte nicht nur eine gute Feder, sondern war euch ein ausgezeichneter Kopfrechner, „schnell und genau wie ein elektronischer Taschenrechner“, erinnern sich seine Töchter.

      Die Veranstaltung war nämlich von VKS-Leuten „ferngesteuert“ und nahm bald den Charakter einer NS-Kundgebung an.3 Es wurden Hakenkreuze gestreut, das Horst-Wessel-Lied gesungen, die Heimkehr der Saar im Voraus gefeiert und Hochrufe auf den Führer ausgebracht: alles Dinge, die streng verboten waren. Ein Angestellter der Gemeinde Eppan, ein Südtiroler Renegat, meldete diese Vorgänge den Carabinieri. Aus Bozen kam ein Überfallskommando herbei, das die jungen Männer verhaften wollte. Doch die wehrten sich. Nach