Sepp Kerschbaumer. Josef Fontana

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Название Sepp Kerschbaumer
Автор произведения Josef Fontana
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788872838051



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Männer, sich dafür voll und ganz einsetzen. In den nächsten Tagen läßt sich daher ein heißer Kampf bei den zuständigen Stellen des Landes erwarten.

      Was mich veranlaßt, Ihnen heute zu schreiben und Ihnen meine Meinung in dieser traurigen Angelegenheit mitzuteilen, ist, dass ein anonymer Brief in unseren Zeitungen veröffentlicht worden ist und dass daraufhin mehrere Stellungnahmen von Organisationen erfolgt sind.

      Mein Eindruck als einfacher und aufrechter Tiroler war und ist es, daß diese Maßnahmen beim Volke bestimmt große Verwirrung anstiften werden. Und aus dieser Kenntnis heraus will ich es mir nicht nehmen lassen, Ihnen mit diesem Schreiben meinen Standpunkt mitzuteilen: Warum ist einem anonymen Schreiben, die für gewöhnlich im Papierkorb landen, eine so große Wichtigkeit beigemessen worden, dass man es erstens vollinhaltlich in den Zeitungen abdruckte und dass man zweitens sog. Organisationen auf den Plan rief, gegen dieses Schreiben Stellung zu nehmen und sich für die Betroffenen rückhaltlos einzusetzen? Ich möchte die Herren dieser Organisationen ganz offen fragen, ob ihrer Aktion die Absicht zugrunde lag, die betreffenden Herren zu rehabilitieren, oder ob sie wirklich damit glaubten, die ganze öffentliche Meinung zum Ausdruck gebracht zu haben. Wenn letzteres wirklich zutreffen sollte, dann würde ich Ihnen nur das Eine raten, selbst im Lande herumzufahren und herumzufragen, und Sie werden bald eines anderen belehrt werden! Und nun meine Meinung dazu: Sie haben in Ihrem Schreiben nur die guten Seiten Ihrer Schützlinge angeführt, was bestimmt niemand tadeln wird, anderseits aber wäre es Ihre Pflicht gewesen, auf die durch die Zeitungen bekanntgewordenen Vorwürfe näher einzugehen und dieselben zu widerlegen. Daraus muß jeder rechtlich Denkende den Schluß ziehen, daß es in allen diesen Kreisen nur um die wirtschaftlichen Interessen unseres Volkes geht. In diesem und nur in diesem Sinne kann ich Ihren Standpunkt verstehen. Aber ist es wirklich so weit, daß sogar schon verantwortliche Männer von verschiedenen großen Organisationen Südtirols den Volkstumskampf nur mehr in diesem Sinne verstehen? Wenn es wirklich soweit sein sollte, dann muß man sich allen Ernstes fragen, wozu wir überhaupt noch eine politische Partei brauchen. Dann könnte man wohl ohne Bedenken dem Beispiel eines gewissen Kreises von Südtirolern folgen, der auf dem Standpunkt steht, man müsse sich mit der gegenwärtigen Lage so gut als möglich abfinden, indem man sich mit den Italienern in jeglicher Hinsicht verbrüdert. Von diesem Standpunkt aus gesehen, würde es vollauf genügen, wenn man die besten Wirtschaftsmänner für Rom und für die Landesverwaltung bestimmen würde.

      Und nun meine diesbezügliche Meinung: Wie Sie selber wissen müßten, ist jedes Volk, das sein Heil und seinen Fortbestand nur mehr vom wirtschaftlichen Standpunkt aus sieht, dem völkischen Untergang geweiht. Und ich bin fest überzeugt, dass der größte Teil unseres Volkes diese meine Ansicht teilt. Daher ist nach meinem Dafürhalten unser Kampf ein politisch-völkischer Kampf – muß es so sein, wenn wir unseren Kindern unsere liebe Heimat deutsch-tirolerisch und christlich erhalten wollen. Und das sind wir unseren großen Vorfahren schuldig! Unser politisch-völkischer Kampf kann auf folgende einfache Formel gebracht werden: Recht gegen Unrecht. Sie alle wissen, dass unserem Volke von Italien schwerstes Unrecht zugefügt worden ist und dauernd zugefügt wird. Die letzte Landesversammlung und die Kundgebung von Sigmundskron haben gezeigt, dass unser Volk nicht Ihrer Meinung ist. Wenn deshalb unser Volk bei den kommenden Wahlen gewissen Herren nicht mehr das Vertrauen schenkt, so aus dem einfachen Grunde, weil sie die völkischen Interessen Südtirols nicht zufriedenstellend vertreten haben, ja da sie außerdem sogar gegen den Willen des Volkes in Rom gesprochen haben (Senator Raffeiner und Braitenberg anläßlich der Sigmundskroner Volkskundgebung in Rom). Wenn dann trotzdem gewisse Organisationen, Gruppen und verantwortungsvolle Männer solche Volksvertreter dem Volke gegenüber als vorbildlich hinzustellen versuchen, dann kann man nur sagen, daß dabei ein sehr trauriges Spiel gespielt wird. Sind diese Kreise wirklich selbst davon so fest von der Anständigkeit und Sauberkeit dieser Herren überzeugt, dass Sie es vor ihrem Gewissen und vor dem ganzen Südtiroler Volke verantworten können, sie dem Volke vorbehaltlos anzupreisen?

      Ich jedenfalls habe dabei sehr große Bedenken. Und wenn Sie dabei glauben, betonen zu müssen, Sie würden dabei den christlichen Standpunkt vertreten, dann muß ich Ihnen sagen, dass ich hier anderer Meinung bin. Eher bin ich überzeugt, daß Sie mit diesem Schritt der Sache für Glaube und Heimat eher Schaden zugefügt haben.

      In Bezug auf Dr. Ebner muß ich bemerken, daß sein Platz als Nachfolger des hochverehrten Kanonikus Gamper einzig und allein bei unserer Presse wäre, wo er, wenn er seinen Posten für unsere Heimat richtig ausfüllen würde, sehr segensreich wirken könnte. Und nun noch einige Fragen an Sie: Was sagt Ihr Gewissen zum Schandurteil gegen unsere Landsleute aus Pfunders? Haben Sie bereits an irgendeiner zuständigen Stelle Ihre Entrüstung darüber zum Ausdruck gebracht, wo Sie zur gleichen Zeit Ihre Entrüstung über den anonymen Brief zum Ausdruck gebracht haben? Wollen Sie wirklich zu diesem himmelschreienden Unrecht schweigen? Ist Ihnen die große Entrüstung des Volkes über dieses Urteil wirklich entgangen? Um der Gerechtigkeit willen bitte ich Sie, nehmen Sie auch zu diesem Urteil Stellung und das Volk wird es Ihnen danken.

      Und noch eine kleine Schlußbemerkung: Wie oft hört man in unserem Lande die Worte „radikal“ und „gemäßigt“! Ich weiß, daß ich immer zu den Radikalen gezählt werde. Nun möchte ich Ihnen ganz kurz sagen, was ich von dieser Bezeichnung halte: Wenn ein Südtiroler sich ernstlich bemüht, dahin zu wirken, daß unsrem Volke und unserer Heimat endlich Gerechtigkeit widerfahre, daß also Recht wieder Recht werde, dann ist man eben nicht nur bei den Italienern, sondern auch schon in gewissen Kreisen Südtirols als radikal verschrien: Eben nur weil man auf das Recht pocht, das unserem Volke zusteht. Dies meine Stellungnahme!

      Ergebenst Sepp Kerschbaumer

      Frangart, den 30. März 1958.

      Das war eine geballte Ladung, die Kerschbaumer den Vertretern der katholischen Vereine ins Haus stellte. Doch die Anstrengung war umsonst. Zwar wurde Raffeiner als Kandidat für den Senat nicht mehr aufgestellt. Und aus Solidarität mit Raffeiner verzichtete auch Braitenberg auf eine Kandidatur. An ihrer statt bewarben sich Karl Tinzl und Luis Sand um einen Sitz im Senat. Als Senatskandidat für den Brixner Wahlkreis war ursprünglich Hans Stanek vorgesehen gewesen. Doch auf Druck des Bischofs Gargitters hatte Stanek auf eine Kandidatur für das Abgeordnetenhaus ausweichen müssen. Eine religiös motivierte Intrige brachte zudem die Kandidatur Volggers für die Kammer zu Fall. Auf die Liste für das Abgeordnetenhaus kamen schließlich

      Toni Ebner

      Otto von Guggenberg

      Karl Mitterdorfer

      Roland Riz

      Hans Stanek

      Karl Vaja

      Nach Auffassung des Alto Adige stellte die Kandidatur Staneks den Sieg des BAS dar. „Kann man da noch irregehen, wenn man annimmt, daß es sich um eine Organisation in der Partei handelt? Ist diese Wahlliste nicht die einleuchtendste Bestätigung dafür?“90 In Wirklichkeit war Kerschbaumer über die Kandidatur Staneks gar nicht glücklich.

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       Hans Stanek, Generalsekretär der Südtiroler Volkspartei

      Er hatte Stanek als fleißigen und einsatzfreudigen Mann kennengelernt. Doch war er der Meinung, dass er in Bozen mehr leisten könne als in Rom. „Stanek braucht es in Bozen, nicht in Rom.“ Auch gefiel ihm nicht, dass Stanek, erst zum Generalsekretär der SVP bestellt, schon nach einem Parlamentsmandat strebte. Kurz, Stanek war – bei aller Wertschätzung – nicht der Wunschkandidat des Josef Kerschbaumer oder des BAS. Aus ganz anderen Gründen freilich lehnten ihn auch die Vertreter der katholischen oder sich katholisch nennenden Vereine ab. Die setzten nun alles daran, ihre Favoriten durchzubringen. Dies waren Toni Ebner, Roland Riz und Karl Mitterdorfer. Guggenberg und Vaja ließen sie links liegen, Stanek suchten sie – unterstützt durch die Zeitungen L’Adige und Alto Adige – durch massive Angriffe zu Fall zu bringen. Kurz vor der Wahl brachten sie ein Flugblatt in Umlauf, das die Wahl ihrer Favoriten als religiöse Pflicht darstellte. Organisatorisch legten sie eine Maßarbeit hin. Flugblätter gingen teils mit der Post, teils über die Pfarrämter, teils über Vereinsmitglieder