Licht aus!. André Storm

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Название Licht aus!
Автор произведения André Storm
Жанр Языкознание
Серия Ben Pruss
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954415694



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war die Schwierigkeit, sich als Detektiv zu outen, um den Faktor hundert gestiegen. Die junge Frau in der Tür, die Ben und Kai freundlich und gleichzeitig fragend anblickte, sah in natura noch umwerfender aus, als es Ivos Bildersammlung bereits versprochen hatte. Ihr platinblondes Haar war hinter dem Kopf zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden. Eine breite Strähne hing ihr lässig über der Stirn. Ihre Augen waren unaufdringlich geschminkt. Sie trug einen grauen Pullover und enge Bluejeans. Ihre Füße steckten in bequemen, rosafarbenen Plüschhausschuhen mit aufgenähten Herzchen.

      »Isana von Dauss?«, fragte Ben zaghaft.

      »Ja?«, antwortete sie ebenfalls zaghaft und schob die Tür ein Stück weiter zu. »Kommen Sie von der Polizei?«

      »Nein, nein«, sagte Ben schnell, bevor Kai womöglich noch einmal die Story mit dem Hauptkommissar aus Wiesbaden ausgraben konnte. »Ich bin Ben Pruss. Das ist mein Kollege Kai Siebert.« Er deutete ausladend auf Kai, um den nächsten Satz möglichst lange hinauszuzögern. »Ich bin …« Er räusperte sich, um dann möglichst leise und undeutlich hinzuzufügen: »Privatdetektiv.«

      »Ah, okay! Kommen Sie rein«, sagte sie, ohne auch nur den geringsten Anschein zu erwecken, Ben für bekloppt zu halten. Sie öffnete die Tür weiter und ging den beiden Männern voraus in den Flur.

      Ben sah Kai verwundert an, der nur mit den Schultern zuckte, dann folgten sie ihr. Isana führte sie in das Wohnzimmer. Ein hoher Raum, der bis unter die Dachschräge reichte und die obere Etage mittels einer Galerie aus weiß lackierten, derben Dachbalken verband. Ein zarter Hauch von Zitrone lag in der Luft, und aus einem unsichtbaren Lautsprecher dudelte Cheap Thrills von Sia. Isana deutete lächelnd auf eine weiße Ledercouch, die vor einer Wand stand, welche bis zur Galerie hinauf mit zahllosen Bildern in schwarzen Rahmen behängt war. Alle Fotos waren in Schwarz-Weiß entwickelt worden, und soweit es Ben beurteilen konnte, schienen es ausschließlich Privataufnahmen zu sein. Isana und ihr Vater tauchten auf vielen Motiven zusammen mit anderen Personen auf, die Ben nicht kannte. Er fühlte sich an die Fotowand in Ivo Sunsteins Wohnung erinnert. Dieses war sozusagen die Luxus-Variante mit einer etwas gesünder wirkenden Auswahl an unterschiedlichen Menschen und Motiven.

      Sie setzten sich, und Isana sagte: »Ich hole eben meinen Vater. Der ist oben im Arbeitszimmer.« Dann blieb ihr Blick auf Kai hängen. Eine Sekunde zu lang, entschied Ben.

      »Ähm, einen Moment noch«, sagte Ben, und die Frau blieb am Treppenabsatz stehen und drehte sich um. »Wir wollen wahrscheinlich gar nicht zu Ihrem Vater.«

      Isana blickte ihn verwundert an. »Sie wollen wahrscheinlich nicht zu meinem Vater? Sind Sie nicht wegen dem Einbruch hier?«

      »Nein, äh, na ja, vielleicht. Es ist kompliziert.« Ben kam sich reichlich dämlich vor, und ein Blick zu Kai, der dümmlich lächelnd neben ihm saß, zeigte, dass es bei ihm nicht anders war. »Kennen Sie einen Ivo Sunstein?«

      Isana ließ wie auf Kommando die Schultern hängen und setzte einen entnervten Gesichtsausdruck auf. Dann griff sie in ihre hintere Hosentasche, holte ihr Handy hervor und tippte darauf herum. Sia hörte auf zu singen, und Isana ließ sich auf einem Sessel nieder, der der Couch gegenüberstand. Sie stellte ihre Beine auf die Sitzfläche und umschlang sie mit den Armen. »Den kenne ich. Leider. Was hat er wieder angestellt?«

      »Nun«, Ben rückte auf der Couch ein Stück weit nach vorne. »Herr Sunstein hatte für heute Morgen einen Termin mit mir ausgemacht. Er ist aber nicht erschienen, und wir können ihn nirgends auftreiben.« Während er es aussprach, fand Ben die Argumentationskette eindeutig zu dünn, um zu rechtfertigen, dass diese ihn auf die Wohnzimmercouch eines der reichsten Geschäftsmänner von NRW gebracht hatte.

      »Ja, der Typ ist immer da, wo er nicht sein sollte. Ist so seine Art. Was habe ich damit zu tun?«

      »Vielleicht nichts. Herr Sunstein hat am Telefon gesagt, dass er dringend mit mir sprechen muss. Wegen einer Angelegenheit, mit der er nicht zur Polizei gehen könne. Es würde um Leben und Tod gehen.«

      »Die Frage bleibt: Was habe ich damit zu tun?« Sie sagte diesen Satz mit einem neutralen Gesichtsausdruck in Richtung Ben, dann blickte sie demonstrativ zu Kai und lächelte diesen zuckersüß an. Der erwiderte das Lächeln knapp und glotzte dann bedeppert auf den Couchtisch.

      »Wir haben herausgefunden, dass Herr Sunstein Ihnen offensichtlich nachgestellt hat. Ihrer Reaktion nach zu urteilen, ist Ihnen das wohl bekannt. Wir wissen, dass Herr Sunstein gestern oder vorgestern hier am Haus war und es beobachtet hat.«

      »Was? Echt? Der Spinner. Der hat ein Kontaktverbot. Der darf nicht näher als zweihundert Meter an mich ran.« Sie schnaubte wütend. »Und der war wieder hier am Haus, sagen Sie?«

      »Mit ziemlicher Sicherheit, ja.« Ben berichtete ihr von den gut erhaltenen Zigarettenkippen hinter der Hecke.

      »Sunny & Steyn?«, fragte sie, an Kai gerichtet.

      »Ja, ja genau. Sunny & Steyn. Raucht kaum noch jemand. Wusste gar nicht, dass es die noch gibt«, beeilte er sich zu antworten und lächelte dabei linkisch. Isana lächelte ebenfalls, und Kai wich ihrem Blick erneut schnell aus. Ben wunderte sich, dass sein Kumpel sich so schüchtern zeigte, doch Isana schien genau das zu gefallen.

      Ben hüstelte leicht, um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, und fing erneut an zu reden: »Frau von Dauss …«

      »Nennen Sie mich ruhig Isana«, sagte Isana, und dann, mit einem Blick zu Kai: »Oder Isi.«

      Ben verdrehte innerlich die Augen und fuhr fort: »Gut … Isana …«

      Sie unterbrach ihn. »Wie habt ihr denn herausgefunden, dass Ivo Sunny & Steyn raucht, wenn ihr ihn noch nie gesehen habt?«

      »Also wir …«, begann Kai, doch Ben schnitt ihm das Wort ab. »Lange Geschichte. Wir haben auch herausgefunden, dass hier im Haus eingebrochen wurde. Können Sie sich vorstellen, dass Ivos Anruf bei mir und der Einbruch zusammenhängen?«

      Sie antwortete schnell. »Ivo hat hier garantiert nicht eingebrochen, so was kriegt der nicht auf die Reihe.«

      Ben räusperte sich und setzte erneut an: »Nein, nein. Aber es könnte doch sein, dass er etwas beobachtet hat. Vielleicht hat er den Einbruch ja gesehen.«

      »Wer hat den Einbruch gesehen?«, schallte es mit durchdringender Stimme von der Galerie herunter. Ein Mann in blauem Kapuzenpulli und Jeans stand am Geländer und blickte zu ihnen herab. Graues Haar, Fönfrisur, markante Gesichtszüge – Ben erkannte, dass sie es mit Richard von Dauss zu tun hatten. Auf den Bildern, die er von ihm gesehen hatte, war er immer nur in besten Anzügen und Krawatte zu sehen gewesen. Der legere Aufzug, in dem er jetzt vor ihnen stand, passte nicht recht in das Bild »knallharter Geschäftsmann«, das Ben sich von ihm angelegt hatte. Mit etwas Fantasie aber durchaus in das Bild »knallharter Geschäftsmann, der einen auf locker macht«.

      Isana bog ihren Kopf weit nach hinten, um ihren Vater sehen zu können, der hinter ihr die Treppe herunterkam. Kai hieb ihm unauffällig den Ellenbogen in die Seite. Als er seinen Blick endlich auf ihn senkte – er wusste vorher, worum es ging –, zeigte Kai einen Daumen hoch, grinste lüstern und deutete mit den Augen in Richtung Isana. Ben zog die Stirn in Falten und wandte entnervt den Blick ab.

      »Hi«, sagte Isana, als hätte sie ihren Vater an diesem Tag noch nicht zu Gesicht bekommen. »Wir reden von Ivo. Der war wieder hier.«

      »Wer ist ›Wir‹?«, fragte Richard von Dauss im Gehen und bedachte Kai und Ben dabei keines Blickes. Ben fand, seine Sprachmelodie klang etwas affektiert.

      »Das sind Kai und Ben. Privatdetektive. Ich dachte erst, du hättest die engagiert wegen dem Einbruch. Aber eigentlich sind sie hier wegen Ivo.«

      »Aha.« Richard von Dauss begrüßte Ben und Kai mit einem Handschlag, der Ben fast die Finger brach, dann setzte er sich in den zweiten Sessel. Isana erklärte ihrem Vater, was sie bisher besprochen hatten, dann sagte er geschäftsmäßig und in kraftvollem Ton: »Ja, so wird es wohl gewesen sein. Klar kann er nicht zur Polizei rennen, denn dann finden die raus, dass er seine Auflagen nicht erfüllt, der Depp.« Er schüttelte den Kopf und presste die Lippen