Licht aus!. André Storm

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Название Licht aus!
Автор произведения André Storm
Жанр Языкознание
Серия Ben Pruss
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954415694



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      »Wohnen Sie denn nicht hier?«, fragte Ben.

      »Nee.« Sie kicherte. »Ich wohne nicht mehr bei Papa. Ich wohne im Kreuzviertel. Ich bin nur gerade hier, weil ich zuhause einen Wasserschaden hab und die Handwerker im Haus sind. Ich bin heute erst gekommen, das wusste der Idiot wohl nicht.«

      »Woher wusste Ivo überhaupt, dass Sie vorhatten hierherzukommen?«, fragte Kai, der offensichtlich entschieden hatte, endlich aktiv am Gespräch teilzunehmen.

      Isana nahm das wohlwollend zur Kenntnis, indem sie ihm ein so überschwängliches Lächeln schenkte, dass Ben am liebsten einen Hustenanfall bekommen hätte. »Gute Frage«, sagte sie geheimnisvoll. »Er fährt jeden Tag tausend Mal mit seinem Auto durch meine Straße. Wahrscheinlich ist er mir hinterhergefahren, als ich am Sonntag ein paar Sachen im Lieferwagen hierhergebracht hab. Oder er hat selbst dafür gesorgt, dass das Rohr in meinem Badezimmer platzt. Das traue ich ihm durchaus zu.« Sie nickte bei ihren Worten und schmollte zuckersüß in Kais Richtung.

      »Und dann hat er wohl angenommen, Isi würde auch am Montag schon hier sein«, sagte ihr Vater.

      »Und stattdessen hat er den Einbruch beobachtet«, schloss Ben. Er hatte gerade festgestellt, dass er eher mit der Frage beschäftigt war, was Isana an Kai fand, als seine Aufmerksamkeit dem Gespräch zu widmen.

      »Was ist denn eigentlich geklaut worden?«, wollte Kai wissen, dem es sichtlich schwerfiel, die Augen von Isana abzuwenden und Richard von Dauss anzusehen.

      Dieser presste die Lippen aufeinander und atmete bedeutungsschwer durch die Nase aus, bevor er antwortete: »Ein Gemälde von Joan Mitchell. Großformat. Zwei zwanzig mal eins vierzig.« Kai pfiff durch die Zähne. Von Dauss erhob sich und ging zu einer weißen Kommode, der er ein großformatiges Buch mit glänzendem Einband entnahm. Joan Mitchell lautete der Titel. Ben hatte noch nie von dieser Frau gehört, Kai offensichtlich schon. Vielleicht tat er auch nur so, weil er vor Isana den großen Macker markieren wollte. Von Dauss schlug das Buch an einer Stelle auf, die mit einem Post-it markiert war, und drehte es in Kais und Bens Richtung.

      Ben war sich nicht sicher, welche Reaktion angebracht war. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er am liebsten laut losgelacht und von Dauss gefragt, ob er ihn verarschen wolle. Zum Glück sorgte Kai für eine schicklichere Reaktion, und Ben brauchte lediglich in seiner kataleptischen Starre zu verharren und zart debil lächelnd auf das Gekrakel vor seinen Augen zu glotzen. Knallbunte Farben, wild auf die Leinwand gespritzt – bei allem Wohlwollen war es Ben nicht möglich, so etwas wie ein Motiv zu erkennen, geschweige denn »Talent«. Aber was wusste er schon davon? Er erinnerte sich, dass er einmal im Internet eine Seite mit Gorillakunst gesehen hatte. Dort waren ähnliche Bilder ausgestellt gewesen. Kai stieß ein scheinbar ernst gemeintes »Wow« aus und beugte sich auf der Couch näher an das Buch heran. »Das ist aus den 80ern, oder?«

      »1982«, antwortete von Dauss, der dem begeisterten Kai das Buch in die Hand drückte und sich wieder in den Sessel sinken ließ. »Die Einbrecher müssen gewusst haben, dass es hier hängt.«

      Ben räusperte sich erneut. Er hatte das Gefühl, einen ganzen Froschteich im Hals zu haben. »Wie viel ist das … das Gemälde denn wert?« Drei Euro fuffzig vielleicht?, hätte er am liebsten hinzugefügt, hielt aber die Klappe.

      »So knapp 500.000.«

      Am liebsten hätte Ben wieder ein lautes Lachen ausgestoßen. In seinem Kopf hörte er es sogar: schrill und ein bisschen verrückt. Und gesagt hätte er gerne: Wissen Sie, was ich verstanden habe? … 500.000! Stattdessen ließ er wieder Kai den Vortritt, der offenkundig wusste, mit dieser auf die Spitze getriebenen, grotesk-farbenfreudigen Abstraktheit umzugehen.

      Der nickte wissend einige Male, klappte das Buch zu und legte es mit einem vielsagenden Blick auf den Couchtisch. Dann sagte er: »Das ist der Wahnsinn, ich liebe dieses Bild. Waren Sie schon im Ludwig Museum in Köln? Da gibt es gerade eine Ausstellung.«

      Von Dauss nickte: »Ist mir bekannt. Und ich ärgere mich, dass ich mein Bild nicht auch als Leihgabe dorthin gegeben habe.«

      Und Isana fuhr fort: »Die hatten bei Daddy angefragt, und ich hab gesagt, er soll es machen.« Sie warf ihm einen scheinbar bösen Blick zu. »Aber er hatte ja Angst, dass was drankommt an seine geliebte Mitchell.«

      Offensichtlich hatten alle hier den Verstand verloren, entschied Ben. Er musste das Gespräch wieder auf ein halbwegs intelligentes Niveau bringen, bevor sich die drei noch tiefer in den Irrsinn quatschten. »Haben Sie keine Alarmanlage?«

      »Natürlich«, entgegnete von Dauss. »Eine ziemlich teure sogar. Aber diese Typen machen das hauptberuflich. Für die ist das kein Hindernis. Und ich weiß auch, was die wollen.« Er machte eine Pause. »Die haben sich eben bei mir gemeldet.«

      »Erpressung«, stieß Kai aus und nickte wissend.

      »Exakt«, antwortete von Dauss und nickte ebenfalls. »30.000 Euro, dann bekomme ich das Baby zurück.«

      »Stolzer Preis«, sagte Ben, der Sorge hatte, dass ihm die Konversation wegen einer Leinwand voll Kindergartengekrakel zu sehr entgleiten könnte. »Wollen Sie zahlen?«

      »Auf jeden Fall! Ich musste der Polizei zwar versprechen, dass ich denen Bescheid geben würde, wenn die Täter sich bei mir melden, aber das mache ich nicht. Ich will mein Bild zurück.«

      »Woher wussten die Einbrecher eigentlich, dass Sie so ein wertvolles Bild besitzen?«

      Von Dauss atmete schwer aus, bevor er antwortete: »Dass ich Kunstsammler bin, ist kein Geheimnis. Das kann jeder in Erfahrung bringen, der es in Erfahrung bringen will. Dass das Bild in meinem Arbeitszimmer hing, können auch Tausende von Menschen wissen. Meine Schuld.« Er stöhnte gedehnt, bevor er weiterredete: »Über mich war Anfang des Jahres ein Artikel im Managermagazin. Da wurden unter anderem auch Fotos von meinem Arbeitszimmer hier veröffentlicht.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Treppe zum Obergeschoss. »Auf denen ist das Bild zu sehen. Aus dem dummen Artikel ging sogar hervor, dass das ein Original ist. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Pure Eitelkeit. Dafür hab ich jetzt die Quittung bekommen.« Dann stand er auf, sagte: »Ich hole uns mal was zu trinken«, und ging aus dem Raum.

      Isana sprang auf und rief: »Warte, ich helfe dir!« Dann lief sie ihrem Vater nach und schloss die Tür hinter sich.

      Ben schaute Kai an und deutete auf das Buch. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du diesen Scheiß gut findest.«

      »Alter, dass du keine Ahnung von so was hast, ist mir klar. Joan Mitchell ist die Königin des abstrakten Expressionismus. Du musst das mal auf dich wirken lassen!«

      »Wenn ich das auf mich wirken lasse, bekomme ich einen epileptischen Anfall. Und was soll dieses Rumgetue mit Isana? Das ist ja peinlich!«

      »Ey, was stimmt nicht mit dir, Kollege? Kann ich doch nichts dafür, wenn die mich scharf findet. Du bist ja nur neidisch!«

      In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Isana und Richard von Dauss kamen zurück ins Wohnzimmer. Ben hatte erwartet, dieser reiche Bauheini käme mit einer Pulle hundertfünfzig Jahre altem Brandy zurück, stattdessen hielt er zwei Flaschen Wasser und je ein Tetrapack Apfel- und O-Saft von Aldi im Arm. Isana jonglierte vier Gläser in den Händen und stellte sie auf dem flachen Couchtisch ab, dann schenkte sie jedem etwas von den Getränken ein.

      »Ich kenne Sie«, sagte Richard von Dauss an Ben gewandt, als er einen Schluck getrunken hatte. »Sie sind der Privatdetektiv, der den Varieté-Killer entlarvt hat.«

      Ben spürte, wie wallende Hitze in sein Gesicht stieg. Einerseits fühlte er sich geschmeichelt, wenn ihn jemand darauf ansprach, andererseits war es ihm mehr als unangenehm. »Ja, also, das waren wir beide.« Er deutete von sich auf Kai und dann wieder auf sich.

      »Gut«, fuhr von Dauss fort. »Offensichtlich verstehen Sie Ihr Handwerk. Ich möchte Ihnen einen Job anbieten.« Er machte eine dramatische Pause, indem er erneut einen Schluck Wasser trank und danach das Glas in seiner Hand schwenkte, als handelte es sich tatsächlich um hundertfünfzig Jahre alten Brandy. »Eigentlich sind es zwei Jobs. Ich möchte, dass Sie Ivo Sunstein