Название | Hundert Geschichten |
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Автор произведения | Quim Monzo |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783627021467 |
In dem Augenblick sah ich deine Brüste: Deine Bluse war aufgeknöpft, und ich erstarrte vor Schreck, mein Mund blieb offen stehen. Du sagtest lachend: Jetzt bist du erstaunt? Ich wusste nicht, was tun, was sagen, wie reagieren. Sicher verstehst du, dass es keineswegs normal ist, auf zwei durchsichtige Brüste zu blicken, in denen eine Art tropische Flora mit Talipotpalmen, Dattelbäumen und Zwergpalmen wächst, die sich in assyrischen Brisen, ägyptischen Nordstürmen und amazonischen Monsunwinden wiegen und in denen vor einem Hintergrund aus fast reifen Granatäpfeln kleine Papageien, Aras, Kakadus und Tauben in hunderttausend Farben herumflattern.
Du wirst auch verstehen, dass ich für einen Moment lang kurz davor war, die Flucht zu ergreifen. Und jetzt erinnere ich mich, es war dein lustiges Bild, was mich zum Bleiben bewegte, deine roten Lippen, deine ironischen Augen, der Speichel, der deine Zähne glänzen und mich Durst fühlen ließ. Ich spürte, wie meine Erektion zurückkam, ich kniete nieder und beugte mich über dein braunes Fleisch, um es zu zerfetzen und zu zerlegen. Ich streichelte deine Brüste, diese weichen, durchsichtigen Brüste, und beobachtete, wie sie sich bewegten und wie drinnen die Papageien sangen und die Pflanzen bei jedem Stoß lachten. Ein Chor von gelben Papageien schmetterte, als wir uns küssten, und die Tauben flogen in die Luft über einem Meer aus zitternden Algen. Bei unserem Orgasmus wehten die heißesten Winde durch die Palmblätter, über die dunklen Schaumkronen auf deinen Ozeanen und durch die roten gelben weißen orangefarbenen Federn, die bereits auf meinem Rücken wuchsen, aus dem schnell die Flügel herausstießen, kurz bevor ich schrumpfte und dieser goldene Schnabel entstand, mit dem ich jetzt mit dir rede. Und nie wieder werde ich eine Brille tragen müssen, nie wieder Hemd und Krawatte, ich werde keine dummen Wechsel mehr begleichen und keine U-Bahn-Fahrkarte in der Rushhour kaufen müssen, nun, als grün-gelb-roter Papagei in deiner glücklichen, heißen Brust.
Vertrauliches
Ich war schon immer ein Flattergeist, damit das von Anfang an klargestellt ist. Ob von Natur aus oder durch die Umstände, wie man in solchen Fällen sagt, weiß ich nicht. Schon als Kind habe ich oft die Schule gewechselt (das besagt allerdings nicht viel, wenn man genauer darüber nachdenkt, denn meine Unbeständigkeit könnte sowohl auf diesem Tatbestand beruhen als auch genauso gut vom Gegenteil herrühren: Infolge einer genetischen Unbeständigkeit wechselte ich als Kind häufig die Schule; egal, so wichtig ist das auch nicht). Mein Vater war auch so, ich meine, wie ich; meine Mutter hingegen war beständig und saß fest auf ihrem Posten: Ihr ganzes Leben war der Hausarbeit gewidmet. Das ist das Schicksal der Frau, sagte sie, und zog dabei so viel Luft in sich hinein, dass man das Gefühl hatte, als würde das Zimmer ganz leer werden und gleich ihr Busen platzen. Heute würde sie wahrscheinlich anders reden, denn die Zeiten haben sich geändert, und sie war das lebende Beispiel für eine vollkommene Anpassung an ihre Umwelt. Bevor ich zur Kommunion ging, vertrieb ich mir sehr gerne die Zeit mit Bockspringen und Dame, ich machte tagelang nichts anderes. Aber dann setzte die Langeweile ein, und ich entwickelte eine Begeisterung für Schach und spielte auf der Straße Fußball mit Kronenkorken, doch auch diese beiden Spiele interessierten mich bald nicht mehr. (Ich weiß nicht, wer gesagt hat, ein Spiel, bei dem sich beide Spieler über die Regeln einig sind, sei unnütz und langweilig, denn das einzig Spannende entstehe daraus, sich über nichts einig zu sein, nicht einmal über die Spielregeln). Ich studierte Maschinenbau, doch schaffte ich, wie vorauszusehen, nicht einmal zwei Semester, da ich zwischenzeitlich in einer Rockband spielte und darüber das Ingenieurwesen in all seinen Varianten vergaß. Im ersten Monat lief alles gut. Im zweiten wurde ich gefeuert, weil ich so oft zu spät kam. Glücklicherweise hatte ich schon stundenweise eine Arbeit in einer Knopffabrik gefunden. Nach der Probezeit wurde ich allerdings nicht übernommen, weil ich meinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hatte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich freiwillig zu melden. Im Grunde genommen gefiel mir der militärische Geist nicht schlecht: Ich hatte viele Filme zu dem Thema gesehen und fand das Militär eigentlich ziemlich gut. Wie fast alle wurde ich nach Zaragoza geschickt. Ich werde Ihnen jetzt aber keine Rekrutenabenteuer erzählen, das wäre geschmacklos. Ich werde Ihnen nur mitteilen, dass ich ein stotterndes Mädchen kennenlernte, das sich anfassen ließ. Als sie bemerkte, dass sie schwanger war, trieb ich mich, Gott sei Dank, bereits in Holland herum und spielte in einer Jazzband. (Da dort alle ständig besoffen waren, spielte es kaum eine Rolle, ob man rechtzeitig oder zu spät kam.) Man muss dazu sagen, musikalisch war es eigentlich auch egal, ob man da war oder nicht. Das ging so einen Sommer lang, bis sie mich verhafteten und in den Knast steckten (nicht weil ich Free Jazz spielte, sondern weil man bei mir ein Päckchen Shit, ein Sortiment Acids und ein bisschen Heroin fand, womit ich mir ein Zubrot hatte verdienen wollen, ein schlechter Rat von Lou Reed, so ist das eben). Ein Jahr später setzten sie mich an der Grenze ab (es war ein Tag, an dem der Himmel bewölkt war und ein Wind blies, der die Fahnenmasten bog und das feuchte Grün der flämischen Wiesen silbern schimmern ließ). Langsam fuhr ich mit dem Zug nach Hause, erstens weil ich keinen Pfennig mehr besaß und zweitens weil ich vermutete, dass die Geschichte mit der Aragonesin inzwischen vergessen war. Gott sei gedankt, dem war auch so. Mit der Hilfe eines Onkels aus Sabadell bekam ich einen Arbeitslosenausweis. Ich pries mich glücklich: Arbeitslosengeld zu bekommen und nicht malochen gehen zu müssen. Doch eines Tages lernte ich einen Typen von ich weiß nicht welcher sozialistischen Partei kennen. Er machte mich verbal so lange fertig, bis ich meine kontemplative Haltung dem Leben gegenüber bereute. Da ich Reue zeigte, bot er mir einen Job in einer Werbeagentur an, mit der er irgendetwas zu tun hatte. Die Arbeit war furchtbar: Textredaktion für neurotische Kunden, die nicht im Mindesten wussten, was sie wollten, und die beim ersten Problem von ihrer Anzeige Abstand nahmen. Die Krise, sagten sie, und ich weiß nicht, von welcher Krise sie sprachen (seit meiner Geburt spricht immer irgendjemand in meinem Umkreis von Krise). Eines Morgens aber erwischte man uns dabei, die Chefsekretärin und mich, wie wir unsere gesunden sexuellen Triebe befriedigten, etwas, was zwar schlimm war, aber nicht so eine große Bedeutung gehabt hätte, wenn nicht der Herr Chef persönlich (zusammen mit allen Mitgliedern des ehrenwerten Verwaltungsrates) die Entdeckung gemacht hätte, in dem Moment, als sie zur vorbereitenden Sitzung für die Jahreshauptversammlung den Raum betraten. Man muss dazu sagen, dass die Sekretärin und ich mitten auf dem langen, lackierten und leicht ovalen Tisch des Sitzungssaales bumsten (man verzeihe mir diesen unanständigen Ausdruck), um uns herum eine Riege von ehemaligen Generaldirektoren des Unternehmens (glücklicherweise allesamt längst verschieden), die uns durch eine ölige Patina hindurch aus prunkvollen Goldrahmen zuschauten. Man entließ uns. Auf der Straße und ratlos, was tun, fühlte ich mich dazu verpflichtet, sie zum Frühstück einzuladen. Sie heulte so furchtbar, dass die Leute um uns herum mich wohl für wer weiß welchen hinterhältigen Kindsmörder hielten und mir böse Blicke zuwarfen. Meine Stelle . . ., schluchzte sie und fing erneut an zu heulen. Geschickt entschuldigte ich mich zum WC. Ich flüchtete durch das Fensterchen, wie ich es in einer italienisch-amerikanischen Koproduktion gesehen hatte, ich kann mich nicht erinnern, ob in Farbe oder in Schwarz-Weiß. Sieh an, sagte ich zu mir, ein trauriges Ende einer zu leidenschaftlichen Liebe. Und ich sage Liebe, denn ich liebte dieses Mädchen wirklich. Ich verliebte mich erst wieder einen Monat später, als ich bereits in einem Zirkus als Jongleur arbeitete (ich hatte die Arbeit über den bereits erwähnten Onkel aus Sabadell bekommen, Textilfabrikant und in seiner Freizeit Akupunkteur). Nun ja, ich verliebte mich in eine Tigerdompteuse (die einzige in ganz Europa, stand auf dem Werbeplakat). Sie war groß und blond und blauäugig und hatte einen germanischen Akzent. (In Wirklichkeit war sie eine Frau aus Narbonne, falscher als ein falscher Fuffziger.) Sie hieß Louise, aber man nannte sie Ulrike, weil das nordisch und kühn klang. Ich verfolgte sie wie ein Wahnsinniger,