Название | Hundert Geschichten |
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Автор произведения | Quim Monzo |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783627021467 |
An dem Tag, an dem in Erfüllung ging, was ich mir so lange erträumt hatte, war ich wie an jedem Morgen der vielen tausend Morgen meiner wilden Existenz aufgestanden. Ich hatte in den durchsichtigen Gewässern gebadet und wollte gerade ein paar Früchte essen. Da merkte ich plötzlich, wie ich meine Augen überrascht aufriss: Vor mir lag ein riesiges, weißes, schweigendes Schiff. Das Wunder verschwand nicht, als ich meine Augen rieb. Ich rannte ins Wasser und machte vor lauter Freude Luftsprünge, während sich ein Boot mit vier oder fünf Männern an Bord, die mir Handzeichen machten, langsam dem Strand näherte. Ich weinte vor Freude: Bald wären das Vanilleeis, das holländische Bier, die heiße Schokolade mit Sahne in der Petritxolstraße, die Nächte, in denen ich bei Radio Joventut einschlief, wieder da. Nach ihrer Ankunft am Strand mit den vorhersehbaren Umarmungen und den Versuchen, in einem Kauderwelsch ein Gespräch zustande zu bringen, gab man mir ich weiß nicht was für Pillen gegen alle Krankheiten der Welt, ein Arzt untersuchte mich von oben bis unten und erklärte schließlich, ich sei vollkommen gesund. Doch sie schauten mich alle etwas komisch an. Ich dachte, das läge vielleicht an meiner Magerkeit oder an meinem Bart . . . Unterdessen landeten sie weiter an (sie waren viele: Dutzende von Personen, Männer und Frauen) und durchforschten das Gelände. Ich fragte mich, warum sie in so großer Zahl an Land gingen und was sie hier wollten, anstatt mit mir ins Boot zu steigen und zum Schiff zu fahren, das uns ein für alle Mal heimbringen würde (und heim bedeutete jeden Ort, an dem ich die Möglichkeit hatte, mich in einem Bad mit glänzenden Kacheln zu duschen, mich mit einem Handtuch abzutrocknen, deutsche Küche zu essen, Leute zu treffen, wieder ins Kino zu gehen und mich zu besaufen). Weitere Boote landeten an, voll bepackt mit riesigen Bündeln und Kisten. Ich näherte mich dem, der aussah, als habe er am meisten zu sagen, und fragte ihn, wann wir abfahren würden. Wir werden nicht mehr von hier fortgehen, antwortete er. Wir haben uns entschlossen, vor dem Wahnsinn der jetzigen Welt zu fliehen und an einem fernen Ort, ohne Qualm und Neid, Furcht und Angst, eine Gemeinde zu gründen, eine neue Welt, in der wir alle Brüder sind (dabei öffnete er lächelnd seine Arme, schaute eine lange Weile in den Himmel und fuhr fort): Wir sind hierhergekommen, um unsere Gemeinde aufzubauen. Während er das sagte, nahmen seine Gefährten schon das Schiff auseinander und begannen, mit den Brettern Wände und Dächer zu errichten.
Frau mit Mehari
Die Diskrepanz zwischen den beiden sich überlagernden Bildern diesseits und jenseits der Scheibe (das eine der bucklige Alte, der ein Glas Rotwein für ein paar Peseten trank, und das andere du, das goldene Mädchen mit dunkler Brille, du, die du dabei warst, einen orangefarbenen Citroën Mehari einzuparken) war so groß, dass ich nie mit deinem Eintreten in diese Bar aus glänzendem Resopal gerechnet hätte, in der ich den ersten Gin Tonic des beginnenden Abends austrank. Als du dich direkt neben mir auf dem Barhocker niederließest, verstand ich in einer diffusen Art und Weise, dass sich die Welt manchmal in unserem Sinne dreht.
Du bestelltest einen Martini Bianco, öffnetest deine Reisetasche und holtest ein Päckchen Dunhill heraus. Du zündetest dir eine Zigarette an und bliest weiße Ringe hoch in die kalte Luft zu der dunkel verkleideten Decke. Es ist müßig, sich jetzt noch daran erinnern zu wollen, wie wir ins Gespräch gekommen sind; ich weiß es nicht: Vielleicht hat einer, du oder ich, um Feuer gebeten oder machte irgendeinen Kommentar und fand ein offenes Lächeln, oder einer von uns beiden schaute in die Augen des anderen, in eine warme, sanfte Tiefe.
Wir schütteten Gin Tonics und Martinis in uns hinein: Vor unseren Augen verwandelte sich der Tresen in ein Schachspiel aus durchsichtigen Flaschen. Wir rauchten deine Zigaretten auf und mussten dann Ducados kaufen, weil es in dieser unbestimmten Bar aus metallischem Schweigen nichts anderes gab.
Draußen auf der Straße war der Himmel bereits ein schwarzer Fleck, und vor unseren Augen öffnete sich eine schiefe, aus Lichtpunkten, Farben, trockenen Tönen und unbestimmten Düften verdichtete Nacht. Wir stiegen in den Mehari, und du behauptetest, du habest ihn gestohlen, was ich mir erlaubte, nicht zu glauben, während ich euch im Geiste in die entsprechende Schublade steckte: dich als Tochter aus gutem Hause und das Auto als Geburtstagsgeschenk von Papa. Wo willst du hinfahren?, fragte einer von uns beiden, der andere deutete mit einer vagen Handbewegung einen unbestimmten Ort an, nickte lächelnd mit dem Kopf und atmete tief durch, um den Alkohol in den Magenkanal zu befördern.
Wir aßen belegte Baguettes auf der Rambla, bevor wir in ungemütlichen Bars mit exotischen Namen Unterschlupf suchten, wo wir sogenannte polynesische Flüssigkeiten zwischen heimischen Mittelmeerpflanzen zu uns nahmen. Schließlich umarmten wir uns in einer kalten, lauten, verrauchten Disco. In dem Rotlicht-Abschnitt der Rambla tranken wir mehrere Kaffee, hörten Musik im La Chapa und machten uns über die Leute lustig, über die Snobs mit Schrumpfgeist, wie wir sie nannten.
Wir kehrten zu deinem Auto zurück und setzten uns hinein. Eine Weile lang sagte keiner von uns beiden ein Wort. Schließlich hob einer den Kopf und merkte, dass der andere ihn beobachtete und lächelte. Wir lächelten. Du warst es dann, die von deinem Apartment sprach, anfuhrst, in den zweiten Gang schaltetest, noch einmal die ganze Stadt durchquertest und in einer einsamen Straße mit weit auseinanderliegenden Straßenlaternen und schlaflosen Bäumen parktest. Wir betraten eng umschlungen den Fahrstuhl, suchten unsere Zungen, bis der Ruck unserer Ankunft uns überraschte, er unterbrach unseren Kuss, brachte uns zum Lachen.
Ich