Название | Katholisches Medienhandbuch |
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Автор произведения | Andreas Busch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783766642097 |
Dies widerspricht natürlich dem bildungs- wie wirtschaftspolitisch motivierten Ideal einer komplett an die „Datenautobahn“ angeschlossenen Gesellschaft und deutet eher auf eine tiefgreifende Spaltung der Gesellschaft hin, die entsprechend als Digitale Spaltung („digital divide“) oder auch „digitaler Graben“14 seit Jahren die Debatten beherrscht. Dieser Graben trennt diejenigen, die einen (Breitband-)Internetanschluss haben oder dessen Anschaffung in naher Zukunft planen, von denen, die aus unterschiedlichen Gründen „Offliner“ sind und auch nicht vorhaben, dies zu ändern.
Insofern ist eine erste Forderung, die Zugangsbarrieren abzubauen und möglichst allen Menschen Zugang zu neuen und neuesten digitalen Medien und deren Verbreitungsformen zu ermöglichen: „Man muss sich jedoch darum bemühen, sicherzustellen, dass die digitale Welt, in der diese Netze eingerichtet werden können, eine wirklich für alle zugängliche Welt ist. Es wäre ein schwerer Schaden für die Zukunft der Menschheit, wenn die neuen Instrumente der Kommunikation, die es möglich machen, Wissen und Informationen schneller und wirksamer zu teilen, nicht für jene zugänglich gemacht würden, die schon ökonomisch und sozial am Rande stehen, oder nur dazu beitrügen, die Kluft zu vergrößern, die die Armen von den neuen Netzen trennt, die sich im Dienst der Information und der menschlichen Sozialisierung gerade entwickeln.“15
3. Die Verhinderung oder Behebung von Exklusion ist aber sicherlich nicht auf das bloß quantitative Problem des Vorhandenseins bzw. der Nutzung von Kommunikationsmöglichkeiten beschränkt. Die praktische, da empirisch leicht handhabbare, im Übrigen aber schlichte Dichotomie „Onliner/Offliner“ (oder „user/loser“) verstellt vielmehr den Blick auf die Ursachen differenzierter gesellschaftlicher Lagen.
Gehrke weist zu Recht darauf hin, dass in den Debatten um die (Nicht-)Nutzung des Internets drei Paradigmen zu unterscheiden sind, deren Gewichtung erheblichen Einfluss auf die möglichen politischen und sozial-strukturellen Folgerungen hat.16 Die naheliegende Forderung des Abbaus von Zugangsbarrieren folgt dem Partizipationsparadigma: Wenn nur erst alle Zugang zum Internet haben, werden sich soziale Ungleichheiten nivellieren. Daher gibt es (bildungs-)politisch wie ökonomisch ein hohes Interesse daran, allen Bürgern eines Landes Zugang zur und damit Partizipation an der Informationsgesellschaft zu ermöglichen.
Ganz ähnlich argumentieren Vertreter des Innovationsparadigmas: Der fehlende Zugang vieler Bürger zum Internet behindert Innovationen, wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Konsequenterweise müssen dagegen staatliche Förderprogramme entwickelt werden, um die Akzeptanz zu erhöhen und wirtschaftlich relevante Kompetenzen der Nutzung zu fördern.
Von diesen beiden unterscheidet sich das Evolutionsparadigma insofern deutlich, als dass daraus eben keine zwingenden Handlungen gefolgert werden, sondern vielmehr im Vertrauen auf den Markt das Bestehen von Unterschieden in der Medien- und Techniknutzung als zwangsläufige und nicht notwendigerweise kritische Tatsache hinzunehmen ist. Denn wer keinen Internetzugang hat, braucht offensichtlich auch keinen und kann seine Informations- und Unterhaltungsbedürfnisse mit klassischen Medien stillen.17
Allerdings räumt Gehrke auch ein, dass die Idee einer „vierten Kulturtechnik“ beim Evolutionsparadigma keine Rolle spielt18 – womit dieses Paradigma eher neoliberal wirkt und keinesfalls der Aufdeckung und Behebung sozialer Exklusion dient.
Wenn es aber vor allem ältere Menschen sind, Frauen, Nicht-Berufstätige und Menschen mit formal geringeren Bildungsabschlüssen und Menschen aus bestimmten Regionen, die sich nicht am Internet – und damit erst recht nicht am Web 2.0 – beteiligen19, dann handelt es sich offensichtlich um eine entlang der genannten Merkmale beschreibbare soziale Spaltung, die der digitalen Spaltung vorausliegt und von dieser noch verstärkt wird.
Zentrale Voraussetzung für die Erlangung von Kommunikationsfähigkeit in einer überwiegend mediatisierten Gesellschaft ist für alle Bevölkerungsgruppen die Vermittlung von Medienkompetenz. Es herrscht ein breiter Konsens, dass dies eine zentrale Herausforderung für alle gesellschaftlichen Gruppen ist, die mit dem Thema Bildung befasst sind – mithin auch für Kirche.
4. Nicht nur Kinder und Jugendliche – traditionell die Fokusgruppe von Bildungsbemühungen und damit verbundenen Innovationen – oder Erwachsene, die in Aus- und Fortbildung mit neuen Kommunikationstechniken und -medien konfrontiert sind, sondern auch alte Menschen erleben durch digitale Medien mehr Spiel- und Gestaltungsräume für Kommunikation und damit Partizipation. Dies belegen die seit Jahren stabil hohen Zuwachsquoten im Bereich der sogenannten „Silver Surfer“, also Angehörigen der Altersgruppe der über 60-Jährigen20.
5. Zentrale Voraussetzung für die Erlangung von Kommunikationsfähigkeit in einer überwiegend mediatisierten Gesellschaft ist für alle Bevölkerungsgruppen die Vermittlung von Medienkompetenz. Es herrscht ein breiter Konsens, dass dies eine zentrale Herausforderung für alle gesellschaftlichen Gruppen ist, die mit dem Thema Bildung befasst sind – mithin auch für Kirche.
Dies ist auch erkannt und in dem medienethischen Impulspapier „Virtualität und Inszenierung. Unterwegs in der digitalen Mediengesellschaft“21 der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz entsprechend formuliert worden: „Für eine gelingende Teilhabe und verantwortete Handlungsfähigkeit im medialen Raum, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, muss vielmehr an dessen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Lebenswelten Maß genommen werden.
Kommunikative Kompetenz ist einerseits Voraussetzung für Handeln in der Mediengesellschaft. Andererseits muss die Kompetenzvermittlung Ziel der Gesellschaft sein. Auf der Ebene der Darstellung (Performanz) geht es letztlich um die kompetente Beteiligung an sozialer Kommunikation, gerade mit und durch Medien. Das alltägliche Medienhandeln der Menschen stellt aus dieser Perspektive ein ebenso wichtiges Lernfeld für den Umgang mit Medien dar wie die gezielte und geplante Auseinandersetzung damit. Gewöhnlich wird Medienkompetenz (der bisweilen sehr unterschiedlich verstandene Begriff der Medienkompetenz umfasst ein ganzes Bündel von Kompetenzen …) als entscheidende Voraussetzung für die verstehende und aktive Teilhabe an der öffentlichen Kommunikation benannt.“22
Nimmt man den zitierten Ansatz an der Lebenswelt der Menschen sowie an deren subjektiven Bedürfnissen ernst, so wird z. B. angesichts der unterschiedlichen Milieus und der zwischen diesen bestehenden Abgrenzungen unmittelbar deutlich, dass dies keine triviale Aufgabe ist und dass es zwangsläufig sehr unterschiedliche Akzentsetzungen bei einer Definition von Medienkompetenz und deren pädagogischer Operationalisierung geben muss.23 Eine zeitgemäße Medien- und Kommunikationspädagogik wird daher die gesamte Bandbreite ästhetischer und technischer, analoger und digitaler Kommunikationsmedien in den Blick nehmen müssen und zu einer umfassenden Medienkompetenz-Vermittlung beitragen, die milieusensibel vorgeht und auf die Ermöglichung von Inklusion und Partizipation an kommunikativen Prozessen zielt.
Es ist letztlich das Grunddilemma des „in der Welt, aber nicht von der Welt“-Seins (Johannes 17,9–17): Die kirchlichen Grundvollzüge kommunizieren das Heil, das Gott uns verheißen hat und das in Jesus Christus schon unter uns Wirklichkeit wird. Aber eben diese Verkündigung geschieht in Kontexten und Strukturen, die klar kommerzieller Natur sind und als Systeme völlig andere Leitcodices haben.