Название | Katholisches Medienhandbuch |
---|---|
Автор произведения | Andreas Busch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783766642097 |
Funktionsmischung
Dementsprechend sind die Beteiligten an digitaler interaktiver Kommunikation auch nicht mehr trennscharf zu unterscheiden in Produzenten hier und Rezipienten dort. Vielmehr kann jederzeit ein Rollenwechsel erfolgen; der neue Nutzer ist beides gleichzeitig: ein Prosument. Dies impliziert erhebliche Herausforderungen für beide Seiten, insofern professionelle und semiprofessionelle (journalistische) Formen von Kommunikation formal gleichwertig neben privater Kommunikation bestehen.
Die Formate der Kommunikation ändern sich dabei ebenfalls: „Das vorherrschende Modell für die Art der Informationsdarbietung in vernetzten Öffentlichkeiten ist nicht mehr die ‚Sendung‘ oder die ‚Ausgabe‘, sondern der ‚stream‘ oder der ‚feed‘.“7
Globalisierung
Begrenzte Öffentlichkeiten kann es zwangsläufig in einem weltumspannenden Netz nicht mehr geben. Informationen im Internet sind – einmal publiziert – sofort weltweit verfügbar. Die vielen Fotohandys und Digicams sorgen dabei für die Illusion einer globalen Augenzeugenschaft: Wir können theoretisch jederzeit überall „dabei sein“.
Die Anbieter der dazu benötigten Dienste und Services sind weit mehr als bloße mediale Vermittlungsinstanzen. Sie werden zu Garanten einer weltweiten digitalen Kommunikations-Infrastruktur mit teilweise monopolistischer Marktmacht. Sie beeinflussen massiv den Zugang zu und den Umfang des Zugriffs auf Informationen und darauf basierender Kommunikation. Dass eine Reihe von Diensten für die Nutzer (zunächst) kostenfrei angeboten wird, darf nicht über die Profit-Orientierung der dahinter stehenden Anbieter hinwegtäuschen.
Un-vergessliches Medium Internet
Seit dem Aufkommen der Schrift wurde schrittweise immer stärker die ursprüngliche Flüchtigkeit direkter (verbaler) Kommunikation zurückgedrängt, und zwar über die Jahrhunderte für immer mehr Mediengattungen, die von Buch über Foto und Film bis zur dreidimensionalen virtuellen Simulation immer stärker und aktueller die Realität abzubilden bzw. zu spiegeln vermochten. Damit einher ging aber auch eine immer geringere Haltbarkeit der Speichermedien. Während wir die 40.000 Jahre alten Höhlenmalereien von Lascaux oder Nerja heute noch bewundern können, sind die Inhalte von Büchern aus dem letzten Jahrhundert u. U. aufgrund des verwendeten säurehaltigen Papiers nur noch bedingt zugänglich. Dieses Problem wird mit digitalen Speichermedien noch verschärft, die eine weitaus geringere Haltbarkeit als analoge Medien aufweisen. Der Inhalt einer selbstgebrannten CD von vor 15 Jahren ist möglicherweise schon nicht mehr lesbar und für eine Diskette aus der gleichen Zeit gibt es heute üblicherweise keine Laufwerke mehr, mit der diese gelesen werden könnte.
Mit der digitalen Speicherung in weltweit verfügbaren Netzen, kombiniert mit umfassenden Suchzugriffen auf deren Inhalte, entsteht jedoch ein Informationsnetz „ohne Vergessen“. Nichts „versendet sich“ mehr wie weiland im Rundfunk; theoretisch bleiben immer mehr Daten unabsehbar lange verfügbar. Damit ergibt sich zum einen das Problem des Informations-Overflow, der technische und rechtliche Herausforderungen mit sich bringt. Auf diese kann mit Stichworten wie Wissensmanagement, Informationsökonomie, Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung hier nur verwiesen werden. Zum anderen gibt es prinzipbedingt kein „gnädiges Vergessen“ mehr, was wiederum ethische und rechtliche Fragen aufwirft.8
Herausforderungen für Kirche als Kommunikationspartner
Die gerade aufgezeigten Trends lassen sich auch als Herausforderungen lesen – und zwar nicht nur für mediengestützte, sondern auch für die direkte Kommunikation, insofern Erstere immer prä
Diese Forderung nach kommunikativer Kompetenz lässt sich auch an die Kirche selbst adressieren: Unter welchen Bedingungen kann Kirche angesichts der oben skizzierten Entwicklungen kommunikationsfähig bleiben bzw. werden?
gend für Kommunikationsgewohnheiten ist, die auf Letztere „durchschlagen“. Dies zeigt sich in Wortneuschöpfungen wie googeln, skypen etc., die gleichzeitig die monopolistische Macht von Anbietern kennzeichnen. Dies zeigt sich aber auch ganz pragmatisch in der allgegenwärtigen Rede von der Notwendigkeit von Medienkompetenz, die eine Teilmenge der kommunikativen Kompetenz ist9 – jener Fähigkeit, die wir für eine Beteiligung am sozialen Leben brauchen.
Diese Forderung nach kommunikativer Kompetenz lässt sich auch an die Kirche selbst adressieren: Unter welchen Bedingungen kann Kirche angesichts der oben skizzierten Entwicklungen kommunikationsfähig bleiben bzw. werden?
Diese Frage ist alles andere als akzidentell, da die Kirche sich zuallererst einem Kommunikationsakt verdankt – letztlich der göttlichen Selbst-Mitteilung, die Ausfluss der innertrinitarischen communio und communicatio ist: „Gott erschließt sich kommunikativ, d. h. er teilt sich dem Menschen in einer Beziehung mit, die auf der Wechselseitigkeit von Wort und Antwort gründet, Partnerschaft ermöglicht und eine neue kommunikative Kultur begründet.“10 Insofern die Kirche ihrerseits communio ist, „ergibt sich für die praktische Theologie die Aufgabe, einerseits die Kommunikationsdefizite aufzudecken, die das Leben der Kirche behindern, und andererseits die kommunikative Kompetenz aller Beteiligten zu steigern“11.
Insofern ließe sich folgern, dass Kirche als Institution durch den Übergang vom Gutenberg- zum Internetzeitalter und damit von der prinzipiell einseitigen zur prinzipiell dialogischen Kommunikation eine historische Chance hat, hinsichtlich ihres kommunikativen Vollzugs wirklich zu sich zu kommen und einen herrschaftsfreien Dialog zu führen. Damit könnte sie tatsächlich Wegbereiter „für eine Kultur des Respekts, des Dialogs und der Freundschaft“12 werden.
Allerdings stehen einer linearen Umsetzung dieser Forderung diverse Dilemmata entgegen, deren Bewältigung seit einiger Zeit für entsprechende Diskussionen sorgt und die aller Voraussicht nach auch für die nächsten Jahre prägend bleiben werden:
1. Eine nach wie vor – angesichts der Sozialgeschichte der Medien richtiger: immer wieder – verbreitete kulturpessimistische Haltung sieht in digitaler Kommunikation in bester bewahrpädagogischer Tradition vor allem Bedrohung, Gefährdungspotenzial und einen „Verfall der Sitten“. Die möglicherweise dahinter stehende Angst vor Modernisierung ist insofern nachvollziehbar, als dass die zunehmende Komplexität auch von Kommunikationsmöglichkeiten und -kanälen von vielen Menschen als Bedrohung und Verlust von Beheimatung erlebt wird.
Dies ist als Ausdruck einer existierenden Wissenskluft zunächst einmal zu akzeptieren. Andernfalls wäre der Weg von einer Defizitorientierung zu einer Stigmatisierung derer vorgezeichnet, die eben nicht „aufgeschlossen“ oder „kompetent“ genug sind, alle modernen Kommunikationsmöglichkeiten zu nutzen oder deren Nutzung hinsichtlich möglicher Bildungs-, Informations- oder Unterhaltungsergebnisse defizitär ist.
2. Ein gleicher bzw. gleichberechtigter Zugang aller zu allen Medien wäre daher eine naheliegende Forderung – die Realität sieht aber nachweislich anders aus. Exemplarisch wurde dies in den letzten Jahren immer wieder am Thema „Internetzugang“ diskutiert: Zwar sind mittlerweile insgesamt rund 70 % aller Deutschen ab 14 Jahren „online“, aber das bedeutet zwangsläufig auch, dass knapp ein Drittel der Bevölkerung zu den sogenannten „Offlinern“ gehört. Und die Entwicklung der letzten Jahre deutet darauf hin, dass diese Situation sich auf hohem Niveau stabilisiert13.
Insofern ließe sich folgern, dass Kirche als Institution durch den Übergang vom Gutenberg- zum Internetzeitalter und damit von der