Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel

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Название Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)
Автор произведения Hans Kneifel
Жанр Языкознание
Серия Atlan classics Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845347400



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streikt, erkennst du den Fehler auch erst, wenn du unter die Haube siehst. Und ich muss quasi einen Blick in deinen Körper tun, um dir helfen zu können.«

      Über Funk rief ich Perlmutt und bat sie, mein zusammengebasteltes medizinisches Besteck zu bringen. Sie sagte zu, sofort zu kommen. Bevor sie eintraf, erreichte mich ein drahtloser Hilferuf von Tranoque. An seinem rechten Ohr hatte sich eine glasige Pustel gebildet.

      3.

      Links und Rechts hatten die Produktion der nutzlosen Salbe eingestellt und gingen mir ebenso zur Hand wie Perlmutt. Sehr viel konnten sie dabei allerdings nicht tun, weil ihnen die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen fehlten. Es waren Hilfsdienste, die mir jedoch sehr nützlich waren, da ich mich so auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren konnte. Obwohl eine Ansteckung nicht zu befürchten war, trugen die drei Handschuhe und Mundschutz, den Restjue abfällig »Maulkorb« nannte.

      Es gibt, grob gerastert, fünf Gruppen von Krankheitserregern: Bakterien, Einzeller, Parasiten, Pilze und Viren. Schon nach ersten Tests schieden Einzeller und Parasiten aus, so dass ich mich auf die restlichen beschränken konnte. Dabei schloss ich die Viren erst einmal ganz aus, weil sich derartige Virusinfektionen im Anfangsstadium meist durch allgemeine Beschwerden auszeichnen – ein Gefühl, krank zu sein, mit Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Abgeschlagenheit. Erst nach drei bis fünf Tagen stellt sich dann die eigentliche Erkrankung ein. Die Frage war also: Pilze oder Bakterien?

      Ein paar Stunden später wusste ich die Antwort: Bakterien mussten es sein, also legte ich Kulturen an. Unter den gegebenen Umständen war es nicht ganz einfach, ideale Bedingungen zu schaffen, zumal es auch an der nötigen Sterilität mangelte. Prompt wurden auch zwei Proben unbrauchbar.

      Eine Staphylokokken-Kultur wurde durch eine Art des Pinselschimmels verseucht, aus dem Penicillin gewonnen wurde, und eine Kultur von Kolibakterien verschwand regelrecht, weil sie das Opfer von Bakteriophagen wurde. Das sind so genannte »Bakterienfresser«, Viren, die auf diese Einzeller spezialisiert sind. Notgedrungen musste ich meine beiden Patienten noch einmal zur Ader lassen.

      Dabei stellte ich fest, dass sich die Pusteln etwas vergrößert hatten. Mittlerweile zeigten sich die glasigen Schwellungen auch bei anderen Kaytabern, die immer noch geduldig vor dem Labor ausharrten.

      Einmal mehr bedauerte ich, dass ich nicht über Blödels Einrichtungen verfügte. Wie viel leichter, schneller und einfacher wäre es doch mit einem solchen Instrumentarium gewesen.

      Als sich meine Helfer spät in der Nacht todmüde zur Ruhe legten, machte ich allein weiter, schließlich benötigte ich keinen Schlaf. Was ich brauchte, war ein Erfolg. Ich musste den Auslöser der Krankheit finden, nur dann hatte ich die Möglichkeit, ein wirksames Medikament zu entwickeln. Und das war ich den Kaytabern schuldig.

      *

      Seit drei Tagen war ich nicht aus dem Labor herausgekommen. Mehr als einmal hatte ich geglaubt, dicht vor dem Ziel zu stehen, den Durchbruch zu schaffen – und stand dann doch wieder ganz am Anfang. Nie zuvor war ich mir so unwissend und hilflos vorgekommen.

      Was möglich und machbar war und was Hoffnung auf Erfolg bot, hatte ich in Angriff genommen, analysiert, kontrolliert, untersucht. Den Erreger hatte ich dennoch nicht gefunden, weder bei den Bakterien noch bei den Viren, denen ich mich notgedrungen zugewandt hatte. Doch konnte es eine Krankheit ohne Krankheitsauslöser geben? Es konnte nicht. Aber was hatte ich übersehen? Ich wusste es beim besten Willen nicht, obwohl ich im Geist immer wieder alles durchging. Niedergeschlagen schob ich das Mikroskop zur Seite.

      »Ich bin eine Niete.« Mutlos stand ich auf. »Von mir ist keine Hilfe zu erwarten.«

      »So etwas darfst du nicht sagen.« Perlmutt schmiegte sich zärtlich an mich. »Ich vertraue dir.«

      »Das ist lieb von dir, aber an meiner Niederlage gibt es nichts zu beschönigen. Ich habe auf der ganzen Linie versagt.«

      Die beiden Forscher machten betroffene Gesichter.

      »Wie sollen wir den Leuten beibringen, dass wir ihnen nicht helfen können?«, wollte Linque wissen.

      »Ich werde es ihnen selbst sagen. Das bin ich ihnen schuldig.«

      »Darf ich dich begleiten?«

      »Nein, Kleines, bleib im Labor. Ich weiß nicht, wie die Kranken reagieren werden.«

      Mit schleppenden Schritten ging ich zur Tür. Ich fühlte mich alt und verbraucht wie ein organisches Lebewesen, das den Tod nahen spürt. Minderwertigkeitskomplexe hatten mich nie geplagt, doch nun kam ich mir dümmer und unwissender vor als ein kleines Kind. Die Speicherinhalte von drei Positroniken waren in mir vereint, über alle medizinischen und biologischen Kenntnisse Blödels konnte ich verfügen, und das Resultat? Ich war nicht einmal in der Lage, einen simplen Krankheitserreger zu finden.

      Als ich vor das Haus trat, verstummte das Gemurmel der wartenden Menge, erwartungsvolle Blicke der mehr als vierhundert unter Juckreiz und Pusteln leidenden Kaytaber richteten sich auf mich.

      »Ich habe euch etwas zu eröffnen.«

      »Traykon hat ein Medikament gefunden!«, brüllte jemand enthusiastisch.

      Beschwichtigend hob ich die Hände. Es wurde mucksmäuschenstill.

      »Leider nicht. Es ist mir weder gelungen, einen Erreger zu identifizieren noch ein Mittel gegen eure Krankheit zu finden. Das ist die bittere Wahrheit.«

      Tonlos verharrten die Versammelten. Diese Stille, die Not und Hoffnungslosigkeit ausdrückte, traf mich mehr als Buhrufe und Tätlichkeiten gegen mich.

      »Du kannst also nichts für uns tun?«, fragte eine junge Frau mit einer kirschgroßen glasigen Schwellung am Nacken.

      »Nein.«

      Ich erschrak vor mir selbst. Dieses »Nein« klang so herzlos und so endgültig wie ein Todesurteil. Hastig setzte ich hinzu:

      »Es schmerzt mich selbst sehr, zugeben zu müssen, dass ich machtlos bin, doch warum soll ich euch etwas vormachen? Ich kann euch nicht heilen.«

      »Muss ich jetzt sterben?«, wollte ein Knirps wissen.

      Ich stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Wie weggewischt war das logische Denken, die nüchterne Sachlichkeit, Emotionen überschwemmten mich, Mitleid, Mitgefühl, Anteilnahme. Da stand dieser kleine Kerl, der das Leben noch vor sich hatte, und sprach vom Tod. Nur mühsam fand ich die Fassung wieder.

      »Ich glaube nicht, dass du sterben musst. Krankheiten, die tödlich sind, pflegen anders zu verlaufen, aber mit letzter Sicherheit lässt sich so etwas nie sagen.«

      Wie billig das klang. War es ein Trost? Nein, ein Trost waren meine Worte nicht, nur ein vager Hinweis, weiter zu hoffen und abzuwarten, ob der Organismus von allein mit dem fertig wurde, was ihm zusetzte. So verstanden es wohl auch die Planetarier, und dennoch rief niemand danach, mich zum Teufel zu jagen oder Hand an mich zu legen.

      Die Menge zerstreute sich langsam. Stumm, schicksalsergeben und mit hängenden Köpfen trotteten die Kaytaber, die bei mir vergeblich Hilfe gesucht hatten, zu ihren Wohnungen zurück. Sie taten mir wirklich leid, vor allem die Kinder.

      Ich hatte das Bedürfnis, allein zu sein, allein mit mir und meinen Gedanken. Fast unbewusst setzte ich mich in Bewegung und ging die Straße entlang.

      Meine Verlautbarung, dass die Krankheit nicht tödlich war, entbehrte streng genommen jeder wissenschaftlichen Grundlage, doch ich wollte die liebenswerten Planetarier nicht unnötig ängstigen. Was ich gesagt hatte, orientierte sich an ärztlichen Erfahrungen. Nur in seltenen Fällen starb jemand an Erkrankungen der Haut, wenn sie unbehandelt blieben. Es gab aber auch Infektionen, die die Haut nur signalisierte, also ein Primäreffekt wie etwa bei der Syphilis.

      Das, woran die Kaytaber litten, waren – laienhaft gesagt – Hautgeschwülste. Neunundneunzig Prozent davon sind gutartig, doch es gibt auch den »schwarzen« Hautkrebs, das maligne Melanom. Bevor es endgültig seinen Schrecken verlor – das wusste ich aus Blödels Speichern –, hatte man mit Bestrahlungen und Operationen gute Heilungsergebnisse