Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

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Название Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis
Автор произведения Walter G. Pfaus
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745214024



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dass er noch lebt.“ Sie rauchte mit kurzen nervösen Zügen und sah Bount nicht an, als sie halblaut fortfuhr: „Ich spüre Ihre Skepsis meinen Worten gegenüber beinahe körperlich. Sie glaubten vielleicht, ich möchte Dick los sein und würde mich freuen, wenn er nicht zurückkehrt, aber das ist dummes Zeug. Ja, ich habe einen Freund, aber nur so, gewissermaßen als Spielzeug. Er bedeutet mir nichts. Ich liebe nur Dick.“

      „Schon mal etwas von einem Mike Finch gehört?“

      „Nein.“

      „Er war mit Charly Leggins befreundet. Übrigens hat es heute auch dessen Frau erwischt, Virginia Leggins - wussten Sie das?“

      „Nein“, hauchte Mary Myers mit schreckgeweiteten Augen. „Das ist ja entsetzlich!“

      „Ich war bei Finch. Er hatte das Quartier gewechselt und war aus dem Pennermilieu, in dem er lange gelebt hat, in eine Luxusbleibe gewechselt. Aber auch die wollte er verlassen ... überstürzt und offenbar entschlossen, zu fliehen. Sein Koffer war voller Geld und erklärt, weshalb Finch sich abzusetzen versuchte. Er kam nicht dazu. Er und ich wurden kurzerhand ausgeschaltet, ohne dass wir sahen, mit wem wir es zu tun hatten. Das Geld ist verschwunden. Nach meiner vorsichtigen Schätzung waren es mindestens Hunderttausend. Ich gehe davon aus, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Charly Leggins Auftreten im Kenwood Plaza, seinem Ende und dem Tod seiner Frau, Finchs plötzlichem Reichtum und dem Geldverlust bestehen. Irgendwo passt natürlich auch Dick in dieses Bild - und Sie“, schloss er.

      „Ich?“

      Bount lächelte. „Davon bin ich überzeugt.“

      „Sie mögen ein Mann sein, der auf viele Erfolge zurückblickt, aber das muss nicht bedeuten, dass Sie in jedem Fall den richtigen Riecher haben. In diesem Fall lässt er Sie ganz offenkundig im Stich“, meinte Mary Myers.

      „Kennen Sie Dexter Hugh, den Kollegen Ihres Mannes?“, fragte Bount.

      „Selbstverständlich.“

      „Wie kommen die beiden miteinander aus?“

      „Sie sind Kollegen. Es gibt keine Spannungen. Im Gegenteil. Ich würde sagen, dass sie Freunde sind. Dexter ist Junggeselle, deshalb lädt Dick ihn hin und wieder zum Essen ein.“

      „Wo lebt Hugh?“

      „Nur zwei Straßenblocks von hier entfernt, in der Greenwood Lane. Haus 14.“

      „Danke. Wie ich hörte, ist er ins Hotel gezogen. Haben Sie einen Schlüssel für seine Wohnung?“

      „Wie kommen Sie denn darauf?“

      „Es ist nur eine Frage. Sie sind eine Frau. Vielleicht kümmern Sie sich zuweilen um Dexters Bleibe. Sie wird eine ordnende Hand brauchen, nehme ich an - und da Sie mit ihm befreundet sind, liegt es doch nur nahe, zu vermuten, dass er Ihnen seinen Schlüssel überlassen hat.“

      „Ich muss da etwas richtigstellen“, sagte Mary Myers spröde. „Nicht ich bin mit Dexter befreundet, sondern Dick ist es. Das fehlte mir gerade noch, dass ich fremden Leuten die Wohnung putze!“

      „Würden Sie mir sagen, wer Sie besucht hat?“

      „Der Mann ist verheiratet. Ich habe kein Recht, ihm irgendwelche Schwierigkeiten zu machen.“

      „Ich würde gern ein paar Worte mit ihm wechseln. Seine Frau braucht nichts davon zu erfahren.“ „Er hat nichts mit dem Verbrechen zu tun, das weiß und fühle ich. Nein, ich bin nicht bereit, Ihnen den Namen zu nennen“, sagte Mary Myers entschlossen. „Übrigens - wie ist diese Missis Leggins denn ums Leben gekommen?“

      „Eine Bombe. Sie war mit der Zündung ihres Wagens verbunden“, sagte Bount.

      „Das ist ja schrecklich“, murmelte Mary Myers und erblasste.

      Bount lächelte dünn.

      „Wissen Sie, welcher Eindruck sich mir aufdrängt? Sie verheimlichen mir einiges. Gleichzeitig haben Sie Angst. Oh nein, nicht vor mir. Das Schicksal der Leggins gibt Ihnen zu denken ... insbesondere das der armen Virginia.“

      „Was sollte ich Ihnen verheimlichen?“

      „Ich weiß es nicht, aber ich denke, Sie wären gut beraten, wenn Sie mir Ihr Vertrauen schenkten.“

      „Ich bin müde. Ich habe die letzten Nächte kaum geschlafen, weil ich immerzu an Dick denken musste. Ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält. Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Ich bin am Ende. Lassen Sie mich jetzt allein, bitte.“

      Als Bount auf der Straße stand, fiel ihm ein, dass er keine Bleibe hatte. Es war nicht so wichtig. Die Nacht war noch lang und er konnte es sich nicht leisten, an Schlaf zu denken. Er fuhr zum Kenwood Plaza.

      „Ich würde gern ein paar Worte mit Mister Hugh sprechen, mit dem Hoteldetektiv“, teilte er dem Mann hinterm Rezeptionstresen mit.

      „Mal sehen, ob ich ihn erreiche, Sir“, meinte der Mann und begann zu telefonieren. „Sie haben Glück“, wandte er sich kurz darauf an Bount. „Er ist in seinem Zimmer. Personalflügel. Dritte Etage. Es gibt da einen Portier. Er wird Ihnen den Weg weisen, Sir.“

      Es war Mitternacht, als Bount in dem sehr kahl wirkendem Personalflügel an die Tür klopfte, die der Portier ihm genannt hatte. Die Tür öffnete sich.

      „Hallo, Mister Reiniger“, sagte der Mann, der sich auf der Schwelle zeigte, und streckte Bount lächelnd eine kräftige Hand entgegen. „Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Dick verehrt Sie. Sie sind sein Vorbild. Treten Sie ein und entschuldigen Sie die spartanische Einrichtung! Ich lebe nur vorübergehend hier. Meine Wohnung liegt in der Stadt, aber solange Dick uns nicht zur Verfügung steht, muss ich rund um die Uhr erreich und greifbar sein.“

      Er trat zur Seite und musterte Bount wie ein Wundertier. Der sah sich in dem winzigen Apartment flüchtig um.

      „Der Unterschied zwischen dem Gäste- und dem Personalkomplex ist recht deutlich ausgefallen“, stellte er fest. „Ist das die Tür, die ins Badezimmer führt?“

      „Ja. Bad ist zu viel gesagt. Werfen Sie ruhig einen Blick hinein! Dusche und WC auf kleinstem Raum, und ein Waschbecken. Zum Glück stelle ich keine großen Ansprüche. Sie müssten mal die Zimmer der Stubenmädchen sehen, die sind noch kleiner und schäbiger!“

      Bount betrat das Badezimmer. Es war tatsächlich winzig. Auf der Spiegelkonsole stand ein Porzellannapf mit Rasierpinsel. Bount verhielt sich wie in Mary Myers Wohnung, er fasste den Pinsel an. Die Borsten waren trocken.

      Bount kehrte ins Wohnzimmer zurück. Dexter Hugh rückte ihm eifrig einen Stuhl zurecht. „Sessel gibt’s hier leider nicht - aber die Stühle sind bequemer als es den Anschein hat. Trinken Sie etwas?“

      „Danke, nein“, meinte Bount und setzte sich. Auf dem Tisch stapelten sich Zeitungen. Außerdem standen noch eine halbleere Ginflasche und zwei Gläser darauf.

      „Sie waren bei Mary“, kam Bount geradewegs zur Sache.

      Dexter Hugh zuckte kaum merklich zusammen. Er blinzelte ein wenig. „Bitte?“

      „Sie waren bei Mary“, wiederholte Bount geduldig. „Sie sind mit ihr befreundet.“

      „Wie kommen Sie darauf?“

      „Ganz einfach“, sagte Bount. „Sie sind frisch rasiert und Ihr Rasierpinsel ist knochentrocken. Also haben Sie die Rasur in Marys Wohnung besorgt. Dicks Pinsel ist nämlich nass ... aber Sie und ich wissen, dass er seit Tagen nicht zu Hause war.“

      Dexter Hugh sah betroffen aus. Er grinste ein wenig dümmlich.

      „Mann“, sagte er nach kurzer Pause. „Sie haben wirklich was auf dem Kasten.“ Dexter Hugh war ein hochgewachsener, recht gut aussehender Bursche mit markanten Gesichtszügen, schwarzem, nackenlangen Haar und dunklen Augen. Er hatte ein fixes Lächeln und war sicherlich imstande, Charme zu entwickeln, aber seine Reaktion auf Bounts Worte zeigte, wie brüchig sein Selbstvertrauen