Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

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Название Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis
Автор произведения Walter G. Pfaus
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745214024



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Mann durch seine tabakbraunen, unregelmäßig gewachsenen Zähne. „Entweder Sie stinken jetzt ab, oder ich verpasse Ihnen ein Ding, dessen Wirkung bestimmt keiner Schönheitsoperation gleichzusetzen ist.“

      Bount lächelte.

      „Na los, probieren Sie's!“

      Er hielt den Mann für ein Großmaul, für einen Phrasendrescher ohne Mumm zur Aktivität, aber wie sich zeigen sollte, beruhte diese Einschätzung auf einem Missverständnis. Urplötzlich riss der Mann die Rechte hoch. Bount gelang es in letzter Sekunde, den Kopf herumzureißen, dass die Faust nur mit ihren Knöcheln über seinen Backenknochen rutschte. Bount konterte in einem Reflex. Das Gesicht des Mannes verzerrte sich, er riss den Mund auf, schnappte nach Luft und hatte offenbar Mühe, den Treffer zu verkraften.

      Ein Mann blieb verwundert stehen und musterte Bount und dessen Kontrahenten, dann ging er kopfschüttelnd weiter.

      Bounts Gegenüber massierte sich die getroffene Stelle.

      „Oh Mann“, krächzte er. „Machen Sie das immer so?“

      „Nicht immer“, meinte Bount. „Kommen Sie jetzt!“

      „Wohin?“

      „Ich stelle Sie meinem Freund, dem Captain, vor. Ihm gegenüber werden Sie sicherlich kooperativer auftreten.“

      „Mit Bullen habe ich nichts im Sinn!“

      „Okay, aber Sie hatten was mit Dark im Sinn. Ich wüsste gern, was es war.“

      Der Mann biss sich auf die Unterlippe.

      „Wenn ich’s Ihnen sage, behalten Sie es dann für sich?“, erkundigte er sich schließlich mit schief gelegtem Kopf und lauerndem Gesichtsausdruck.

      „Kommt ganz darauf an.“

      „Ich erzähle Ihnen meine Geschichte“, sagte der Mann und ließ die Arme fallen. „Sie ist nicht sehr hübsch, und schon gar nicht erbaulich, aber vielleicht hilft sie Ihnen, mich zu verstehen.“

      „Schießen Sie los!“, bat Bount.

      „Ich bin Marcus L. Dwyer“, sagte der Mann beinahe feierlich. Er sprach seinen Namen aus, als sei er etwas zutiefst Ehrfurchtgebietendes und als müsste man ihn kennen wie den eines Stars oder Politikers.

      „Bount Reiniger.“

      „Haben Sie noch nie was von mir gehört?“

      „Nein.“

      „Mann, und Sie wollen Privatdetektiv sein! Ich war in den Garcia-Fall verwickelt.“

      „Der liegt jetzt sieben Jahre zurück. Das Ende einer Bande. Ich kann mich nicht erinnern, in diesem Zusammenhang Ihren Namen gelesen oder gehört zu haben.“

      „Ich gehörte zu der Gang. Okay, ich war keiner der ganz Großen, aber innerhalb der Bande wurde ich respektiert, man schützte meinen Rat, und wenn es diffizile Aufgaben zu lösen gab, war ich am Drücker. Wirklich, ich war damals ’ne große Nummer. Als wir aufflogen, kam ich mit fünf Jahren Knast davon. Eigentlich verpassten sie mir sieben, aber vor zwei Jahren wurde ich entlassen, wegen guter Führung. Nicht übel, was?“

      „Großartig“, sagte Bount.

      „Ich wollte wieder loslegen. Ich dachte, jetzt fängt das Leben erst wirklich an. Schließlich bin ich einer von den Garcia Boys gewesen. wissen Sie, was passierte? Gar nichts! Kein Schwein erinnerte sich an Garcia, und wenn ich mit meiner Vergangenheit prahlte, mit meinen Jahren im Knast, lachten sie nur. Die hatten offenbar das Gefühl, ich sei einer von Gestern. Ich wollte es ihnen zeigen. Ich nahm mir vor, ein Ding allein zu drehen. Und da passierte es. Als ich mit einem gestohlenen Wagen unterwegs war, fuhr mir jemand in die Seite. Ich lag drei Monate im Hospital. Seitdem habe ich Schwierigkeiten, mich aufzurichten. Sehen Sie mich an! Ich bin ein halber Krüppel! Oh ja, ich war mal einer von Garcias Boys, eine große Nummer, aber danach fragt heute kein Schwein, für die meisten bin ich wie der Schnee von gestern ...“

      „Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, von Dark zu sprechen“, mahnte Bount.

      „Ach ja, Dark. Aber wenn wir von ihm reden, kommen wir nicht an mir vorbei. Ein halber Krüppel wie ich hat's schwer. Die Syndikate brauchen oder wollen mich nicht. Also muss ich Solo arbeiten. Ich verrate Ihnen sogar, wie das läuft. Ich mache mich an diejenigen heran, die etwas besitzen und nicht den Mumm haben, sich zu verteidigen. Ich baldowere aus, was zu holen ist, und wie, dann schlage ich zu. Meine Opfer suche ich mir im Park. Das heißt, dort beobachte ich sie. Frührentner. Pensionäre, die es sich leisten können, in einer guten Gegend zu wohnen. Das sind meine Leute. Fällt jetzt der Groschen?“

      „Ich denke schon. Dark ist Ihnen aufgefallen.“

      „Stimmt, beim Entenfüttern. Ich habe ihn einige Male gesehen. Ein Mann, der viel Zeit und Muse hatte, einer mit Geld. wissen Sie, woran ich das erkenne? An der Kleidung, richtig, vor allem aber am Schuhwerk. Darks Schuhe waren erstklassig. Handgearbeitetes Material. Ich beobachte ihn jetzt seit einer Woche. Und nun bringt ihn jemand um. Scheiße!“ Dwyer sah in diesem Moment wirklich wütend und verzweifelt aus. Bount bezweifelte nicht, dass der Mann die Wahrheit gesagt hatte.

      Bount holte eine Fünfzigdollarnote aus seiner Brieftasche.

      „Könnte die Ihre Situation ein wenig aufbessern?“. erkundigte er sich.

      Dwyers schmutziggraue Augen wurden rund. Er streckte die Hand nach dem Geld aus, aber Bount entzog es ihm.

      „Langsam“, sagte er. „Ich brauche eine Information. Vielleicht sind Sie in der Lage, sie mir zu geben.“

      „Machen Sie's nicht so spannend“, meinte Dwyer ungeduldig. „Was wollen Sie wissen?“

      „Sie haben Dark beobachtet. Sie standen auf der Straße, wenn er in der Wohnung war. Sie haben zu seinen Fenstern hochgesehen, und, wie ich annehme, die Leute gemustert, die das Haus betraten und verließen. Es könnte sein, dass sich darunter der oder die Mörder befanden.“

      Dwyers Augen wurden schmal, aber sie wirkten auf einmal heller und wacher als vorher. Bount spürte, wie es in Dwyer arbeitete. Er sah sofort seine Chance.

      „Für die Aufklärung eines Mordes gibt’s mehr als fünfzig Bucks, Mann. So ’ne heiße Kiste ist gut und gern einen Riesen wert, habe ich recht?“

      „Ich halte Sie nicht davon ab, Ihre Information der Polizei zu verkaufen“, nickte Bount, „ich möchte nur wissen, wen Sie gesehen haben.“

      „Da war ein ständiges Kommen und Gehen“, erinnerte sich Dwyer. „Nach einiger Zeit, schon nach drei Tagen, kannte ich die Leute, die im Hause wohnten. Natürlich gab es auch Besucher ...“

      „Ist Dark heute mit jemand weggegangen?“

      „Ich war den ganzen Nachmittag über im Bett. Mir ging’s nicht sonderlich gut. Ich bin erst vor ’ner Viertelstunde aufgekreuzt - und da sah ich die Bullenkarawane vor dem Haus stehen“, sagte Dwyer. Er starrte auf das Geld in Bounts Hand. „Ich kann Ihnen trotzdem einen heißen Tipp geben.“

      „Lassen Sie hören.“

      „Er ist mehr wert als ’n Fünfziger.“

      „Um das beurteilen zu können, müssen Sie mir schon sagen, was Sie wissen.“

      „Lorraine Banter war im Haus“, sagte Dwyer. Er äußerte es geradezu ergriffen.

      „Lorraine Banter?“, echote Bount verständnislos. Er hörte den Namen zum ersten Mal.

      Dwyer sah enttäuscht und verwundert aus.

      „Mann, wo leben Sie eigentlich? Sie wollen New Yorker sein und kennen Lorraine nicht? Sie ist Schauspielerin! Sie verkörpert die Mandy in dem neuen Musical, in ,Hot Drops‘.“

      „Ich komme nicht sehr häufig ins Theater“, meinte Bount.

      Von dem Musical hatte er gehört. Es war kein großer