Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman. Peik Volmer

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Название Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman
Автор произведения Peik Volmer
Жанр Языкознание
Серия Dr. Sonntag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740972318



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      »Himmel, ist die süß!«, hatte Cortinarius ausgerufen. Das war nun mal so, im Kreis Miesbach. Man ging irgendwo hin und sah mit Sicherheit Menschen, mit denen man bekannt, verwandt oder verschwägert war. So geschah es auch an diesem schon etwas herbstlich anmutenden Spätsommertag, an dem der halbe Landkreis sich in einem der beliebtesten Cafés traf: Elisabeths Platzerl.

      »Nein, Schatz. Völlig illusorisch, mit dem Kinderwagen drinnen einen Platz zu ergattern. Hier, der Tisch an der Ecke ist doch perfekt! Da stört das Ding auch niemanden! – Ach! Schau mal, wer da kommt! Dein bestes Pferd im Stall!«

      Cortinarius lachte.

      »Das hat wirklich noch nie jemand zu mir gesagt, Frau Sonntag! Habe die Ehre, Herr Professor! Darf ich Ihnen meine Frau … also, Ex-Partnerin … Felicitas’ Mutter eben, vorstellen?«

      Corinna und Egidius begrüßten die junge Frau herzlich, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.

      »Wollen Sie nicht der Einfachheit halber an unserem Tisch Platz nehmen? Für Felicitas organisieren wir noch einen Stuhl!«

      Egidius zog mit Erlaubnis der Herrschaften vom Nebentisch einen freien Stuhl heran, auf dem sich des Oberarztes Töchterlein niederließ. Die Konversation zwischen den Damen drehte sich um Schwangerschaft und Geburt, Babyausstattung, Windeln und Babynahrung. Die Herren sprachen über Egidius’ USA-Aufenthalt und erörterten einige aktuelle Fälle aus der Klinik.

      Nur wirklich scharfen Beobachtern, so wie Corinna Sonntag, fiel auf, dass Felicitas’ Mutter plötzlich nervös wurde. Ihr Blick, der während ihrer Konversation auf Corinna geruht hatte, flackerte plötzlich unruhig und schien ein anderes Ziel zu fixieren. Corinna hätte sich umdrehen müssen, um das Objekt ihres Interesses zu sehen, fand dies aber ungehörig.

      Dann änderte sich ihr Verhalten erneut. Ihre Aufmerksamkeit war nun wieder ungeteilt.

      »Sag mal, ist dir jemand aufgefallen, der in meinem Rücken gesessen hat? In Blickrichtung der Ex deines Oberarztes? Irgendetwas oder irgendjemand hat sie gesehen, das ihre Konzentration völlig in Anspruch nahm.«

      »Nein, Schatz! Ich war so in dass Gespräch mit Cortinarius vertieft, ich habe überhaupt niemanden wahrgenommen!«

      *

      »Ich habe einen Riesenschreck bekommen, als du plötzlich aufgetaucht bist! Musste es denn ausgerechnet das Elisabeths Platzerl sein? Du wusstest doch, dass ich mit Feli und Kilian heute dort sein würde!« Es war recht kühl, auf dem Balkon, auf den sie sich zum Telefonieren zurückgezogen hatte. War ja nicht nötig, dass das Kind alles mitbekam. Aber sie bereute, ihre Strickjacke nicht angezogen zu haben.

      Die Person am anderen Ende der Leitung rechtfertigte sich hastig, so viel war dem quäkenden Geräusch, dass an das Ohr der Nachbarin auf dem Balkon über dem Ihren drang, zu entnehmen.

      »Nein, natürlich ist es nicht schlimm. Aber es ist auch nicht nötig, dass Kilian Bescheid weiß. Immerhin ist er …«

      Wieder erklang das Quaken aus dem kleinen Lautsprecher.

      »Ja, genau. Und ich möchte einfach nicht, dass es zu irgendwelchen Querelen kommt!«

      Ihr Gesprächspartner schien dies zu akzeptieren. Die Geräusche klangen nicht mehr so hektisch und schroff.

      »Du, ich bin hier auf dem Balkon, und mir ist wirklich kalt. Wir sehen uns morgen. Feli übernachtet bei Kiilian!«

      *

      »Also, wenn du mich fragst, ich finde, Cortinarius und seine … sag mal, wie heißt sie eigentlich? Ich habe keinen Namen mitbekommen!«

      »Keine Ahnung! Dein Oberarzt hat sie nur als seine Ex-Frau vorgestellt, nicht mit ihrem Namen!«

      »Na, egal! Also, wenn du mich fragst: Warum heiraten die beiden eigentlich nicht? Die schienen sich doch glänzend zu verstehen, oder?«

      »Egidius, nicht wieder lieber Gott spielen. Es fragt dich ja auch niemand. Die beiden haben es versucht, und es hat nicht geklappt!«

      »Nicht geklappt? Immerhin ist aus dieser Verbindung ein bezauberndes Kind hervorgegangen! Und die beiden sind doch sozusagen auch herangereift. Für das Töchterchen wäre es bestimmt am besten, wenn die Eltern sich aussöhnten. Gleich morgen werde ich mal meinem Oberarzt einen Floh ins Ohr setzen!«

      »Schatz, bitte! Lass es bleiben! Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen! Oder fühlst du dich chronisch unterbeschäftigt? Dann habe ich eine schöne Aufgabe für dich! Deine Tochter braucht dringend eine neue Windel!«

      Sie näherte ihre Nase der Körpermitte des Kindes, und rümpfte sie.

      »Pfui Deibel!«, stöhnte der Chefarzt. »Muss ich das auch tun, obwohl ich Chefarzt und ärztlicher Direktor bin?«

      »Gerade dann«, sagte Corinna streng. »Du hast Vorbildfunktion. Die Jungs lernen von dir!«

      »Aber die sind doch gar nicht da!«

      »Keine Ausreden!«

      Seufzend machte sich Egidius an die Arbeit.

      »Aber das werde ich später gegen sie verwenden, so viel steht fest!«, erklärte er. »Wenn sie ungezogen ist, werde ich Sätze vom Stapel lassen wie ›Das ist nun der Dank dafür, dass ich mitten in der Nacht aufgestanden bin und deine Windeln gewechselt habe!‹!«

      »Schatz, es ist nicht mitten in der Nacht. Es läuft noch nicht einmal die ›heute‹-Sendung!«

      »Mann, bist du aber pingelig!«

      (Ent-)Täuschungen

      »Bei Anton muss man immer mit allem rechnen, Sep … Esfandar! Das ist ja auch einer der Gründe, weswegen ich ihn geheiratet habe! Er ist immer für eine Überraschung gut! Und ich befürchte, dass es mir gelungen ist, mir selbst vors Schienbein zu treten und meine Ehe kaputtzumachen!«

      »Mensch, Dagmar! Statistisch liegt die Zahl der Kuckuckskinder bei durchschnittlich 2%! Warum sollte er nicht dazu gehören?«

      Anton war in Martinique von Bord gegangen, in seinem Smoking. Dagmar hatte sich darüber mokiert, und war noch vormittags mit ihm in die Boutique gegangen, um ihm weniger prätentiöse Kleidung zu besorgen. Leider waren jeweils die Hosen zu lang und die Ärmel zu kurz und eine Änderung auf Grund der Kürze der Zeit nicht möglich. Er nahm es gelassen.

      »Ich bin mal für Daniel Craig eine Woche lang Stunt-Double gewesen. Da bin ich die ganze Zeit in so einer Montur herumgelaufen!«, hatte er festgestellt.

      »Aber Esfandar! Hältst du Anton für blöd? Meinst du nicht, dass dein Kind einen etwas … sagen wir mal … dunkleren Hautton aufweisen könnte? Anton hat eine schon fast provozierend helle Haut!«

      »Na gut. Dann bekommst du es, gibst es mir, und ich kümmere mich darum. Du kannst es besuchen, wann immer du willst. Und dein Mann muss nichts erfahren!«

      »Mein Kind wächst bei seiner Mutter auf, Esfandar. Unter keinen Umständen lasse ich zu, dass es von mir getrennt ist. Ich bin selbst bei fremden Menschen groß geworden. Mein Kind soll eine Mutter und einen Vater haben!«

      »Ich bin ja kein fremder Mensch, Dagmar. Und ich sehe nicht, wie du das Problem lösen willst.«

      »Darüber will ich jetzt einfach nicht nachdenken. Dafür ist genug Zeit, wenn es da ist. Hetz’ mich nicht!«

      *

      Mit einem gut gelaunten »Grias Gott!« hieß Egidius die Mitarbeiter in der Frühkonferenz willkommen, die den diensthabenden Kollegen die Möglichkeit eröffnete, aus den Nachtdiensten zu berichten. Im weiteren fand ein reger Informationsaustausch statt, über neue Therapieformen, gesetzliches Bestimmungen, besondere Fälle.

      »Ich darf heute offiziell unseren AiPler, Herrn Amandus Pachmayr, begrüßen, der bereits seine Arbeit in der Zeit meiner Abwesenheit aufgenommen hat. – Sie werden ihn aus der Notfallambulanz kennen. Und dann hat sich eine künftige Kollegin hier für ein zweimonatiges Praktikum beworben, und ich bin auf diese Bewerbung sehr gern