Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman. Peik Volmer

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Название Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman
Автор произведения Peik Volmer
Жанр Языкознание
Серия Dr. Sonntag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740972318



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schien sich unbehaglich zu fühlen. Er zog die Stirn kraus.

      »Grüß Gott, Herr Lechner – Ludwig. Ich bin Doktor Pachmayr – also Amandus!«

      »Ist es dir nicht recht, wenn wir uns duzen?«

      »Im Prinzip schon. Ich befürchte aber immer, damit falsche Erwartungen zu wecken. Ich bin eben nicht so der gesellige Typ!«

      »Nein?«, grinste Ludwig. »Schade. Du wirst hier einige Herzen brechen! – Sag mal: Pachmayr? Der Bauunternehmer, der die Häuser in der Unterleiten gebaut hat?«

      »Das ist mein Vater!«

      »Da hast du dir ja die richtigen Eltern ausgesucht, herzlichen Glückwunsch! Ach so, und eben hast du deine erste Reanimation hinter dich gebracht, Donnerwetter! Deine Feuertaufe! Zeig mal …«

      Er schnappte sich die Unterlagen.

      »O weh! Wusstest du das mit dem Bauchspeicheldrüsenkrebs? Ich schätze, der Mann wollte wegen seiner Schmerzen sterben! Also, unter den Bedingungen hätte ich eine Umdrehung langsamer gearbeitet, denke ich! – Na, egal. Trotz allem – ein herzliches Willkommen!«

      *

      Auf keinen Fall. Jetzt nicht. Zumindest nicht, solange Egidius nicht zurück war. Der landete am Samstag auf dem Flughafen München. Und so lange musste das Kind sich gedulden. Aua, nicht schon wieder!

      Die Wehen kamen in immer kürzeren Abständen.

      Sie versuchte, diese wegzuhecheln. Jetzt nicht, hörst du? Erst, wenn Papa wieder zu Hause ist!

      »Doktor Graf von Falkenegg, bitte! Mein Name ist Sonntag. Corinna Sonntag, mein Mann und ihr Chef sind Kollegen!«

      Was denn los wäre, wollte man am anderen Ende der Leitung wissen. Corinna berichtete von der überraschenden Wehentätigkeit, obwohl das Kind erst in zwei, drei Wochen erwartet wurde.

      »Frau Sonntag, ich sage meinem Chef Bescheid. Packen Sie bitte ein paar Dinge zusammen und setzen Sie sich in das nächste Taxi. Nicht selbst fahren, hören Sie?«

      Corinna versprach's der Helferin. Sie rief eins der lokalen Taxiunternehmen an. Der kleine Koffer stand gepackt im Schlafzimmer. Es galt nur, diesen irgendwie die Treppe herunterzubefördern, ohne zwischendurch das Kind zur Welt zu bringen. Ach verflixt! Egidius würde enttäuscht sein. Er wollte derjenige sein, der die Nabelschnur durchtrennte. Was blieb er auch so lange in den Staaten? Aber Moment mal: Wer holte ihn ab, während sie in der Klinik war? Er würde sich doch Sorgen machen, wenn er sie nicht erreichte! Weder Max noch Lukas wussten Bescheid, und da sie nicht in St. Bernhard entband, konnte ihm auch dort niemand Auskunft erteilen. Es war auch zu spät, Frau Fürstenrieder zu informieren. Die gab sich vermutlich gerade ihrem wohlverdienten Feierabend und Severin Pastötter hin. Eine komische Kombination, oder? Egal. Eine Bewertung stand ihr nicht zu, und solange Frau Fürstenrieder glücklich war, war ja auch alles in Ordnung.

      Als die Hebamme ihr das verknautschte kleine Bündel mit den feuchten pechschwarzen Härchen auf den Bauch legte, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Die Kleine war Egidius’ Tochter. Die Ähnlichkeit war schon fast peinlich. Lukas kam sehr stark nach seiner Mutter Leonie, nur die Zähne und besonders die Hände hatte er von seinem Vater. Aber diese kleine Maus hier war das Ebenbild ihres Mannes.

      »Liebe, gnädige Frau!«, rief Dr. von Falkenegg. »Das ist ja wirklich ein ganz zauberhaftes kleines Mädchen! Ich hoffe, dass Ihr Gatte sich nicht auf einen Stammhalter kapriziert hat!«

      »Den hat er ja schon, Graf von Falkenegg! Mir war das Geschlecht egal. Hauptsache ein gesundes Kind. Und die Babyausstattung ist grün – in weiser Voraussicht!«

      »Sehr klug, gnädige Frau! Ja, und ihre Tochter ist von einer robusten Konstitution und bemerkenswert erfreulichen Gesundheitszustand! Ich gratuliere von Herzen!«

      Corinna betrachtete das kleine Mädchen liebevoll.

      »Willkommen auf der Welt, Sophie«, sagte sie. »Ich wünsche dir allzeit Glück und Liebe und Frieden. Besonders Frieden. Die Menschen sind doch so klug. Vielleicht werden sie eines Tages auch gescheit.«

      Aussprachen

      Ausgerechnet. Woher wusste Anton, wo sie sich gerade aufhielten? Wie konnte sie ihre Schwangerschaft vor ihm verbergen? Moment! War das nicht sogar ein günstiger Zufall? Sie würde mit ihm schlafen, und wenn sie das Kind bekam, konnte sie immer behaupten, dass er der Vater sei! Genial!

      Aber dann vergegenwärtigte sie sich das Bild von Sep … nein, Esfandar. Der Südländer par excellence, mit schwarzen Haaren, braunen Augen und dunklem Teint. Nein, Anton würde auffallen, dass dies Kind nicht von ihm sein konnte. Aber wer weiß? Vielleicht klappte der kleine Betrug?

      »Anton, du bist ja total verrückt! Was veranstaltest du hier? Vermutlich habe ich in der kommenden Zeit noch mehr zu tun, weil jeder mich fragen will, wer der Mann ist, der sich meinetwegen aus einem Hubschrauber stürzt!«

      »Ach, ich bitte dich! Kein Wind. Spiegelglatte See. Keine schwindelerregende Höhe. Meine Großmutter wäre dort herausgeklettert! – Du, ich habe großen Hunger! Meinst du, man serviert uns einen Imbiss?«

      »Ich esse meist in der Offiziersmesse! Wie lange bleibst du?«

      »Nur bis morgen. In Martinique gehe ich von Bord und fliege über Paris zurück! Ich wollte ja auch nur mal sehen, wie meine Schiffsärztin sich so macht! Wie sagtest du? Offiziersmesse?«

      Um Himmels willen! Mit Sicherheit hatte Sepandar Dienst! Und warum bekam sie es nicht auf die Reihe, dass es sich um seinen Zwillingsbruder Es­fandar handelte? Irgendwie musste sie ihm ein Zeichen geben! Sie achteten zwar ohnehin auf Diskretion, Anton allerdings achtete auf Dinge, die niemand sonst sah. Und er war nicht leicht zu täuschen.

      »Wir könnten auch versuchen, im Restaurant einen Tisch zu ergattern. Die Auswahl an Getränken ist dort entschieden besser.«

      *

      Der Abend im Restaurant verlief entspannt und in Harmonie. Dagmar plapperte munter wie ein Wasserfall. Anton freute sich. Ihre Entscheidung, die Enge ihrer Beziehung aufzubrechen, war offenbar richtig gewesen. So heiter hatte er seine Frau schon lange nicht mehr gesehen.

      »Wo verbringst du eigentlich die Nacht?«, erkundigte sich Dagmar mit gespielter Sorge. »In einem der Rettungsboote, oder beim Käpt’n auf der Brücke?«

      »Nun, ich dachte, dass die Koje meiner mir rechtlich angetrauten Gattin groß genug für zwei Personen ist?«

      »Also, nach den Portionen, die wir eben verdrückt haben, dürfte das eng werden«, lachte sie. »Aber Probieren geht über Studieren!«

      *

      Sie hatten schon geschlafen. Ein Klopfen an ihrer Kabinentür weckte sie. Vorsichtig, um den leise schnarchenden Anton nicht zu wecken, erhob sie sich, schlich zur Tür und öffnete sie einen Spalt.

      »Bist du wahnsinnig? Du musst gehen, sofort! Ich erkläre dir alles morgen!«, wisperte sie. Ja, konnte es denn sein, dass er wirklich nichts von der spektakulären Hubschrauberaktion ge­hört hatte?

      Behutsam kroch sie zurück in ihr Bett. Anton schnarchte sein unaufdringliches, zartes Schnarchen.

      *

      »Was willst du von mir hören, Michael? Ich habe mich entschuldigt. Mehr als einmal. Und nicht nur so. Ich weiß, dass ich dir wehgetan habe. Du hast das nicht verdient. Ich habe deine Freundlichkeit ausgenutzt, und das tut mir mehr leid, als ich es in Worte fassen kann. Ich weiß, dass du glaubst, dass ich dich weiter, nun ja, missbrauchen will. Aber ich schwöre dir, dass das nicht so ist, hörst du?«

      Constanze war in sein Reich eingedrungen. Immer wieder hatte sie es versucht, eine Aussprache mit dem sensiblen Mann herbeizuführen. Er war ihr ausgewichen. Ausgewichen? Geflohen war er vor ihr. Hatte sich am Telefon verleugnen lassen. Ihre Anrufe auf dem Handy weggedrückt.

      »Weißt du, was das eigentlich Schlimme an der Sache ist, Constanze?«, fragte Michael Barbrack. Er spielte mit einem Knopf seiner schneeweißen Küchenjacke. »Das Schlimme ist nicht, dass