Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman. Peik Volmer

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Название Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman
Автор произведения Peik Volmer
Жанр Языкознание
Серия Dr. Sonntag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740972318



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      Inhalt

       Die Liebe kommt selten allein

       Kirschen in Nachbars Garten

       Herz am rechten Fleck

       Das Maß aller Dinge

       Die Dominostein-Verschwörung

Dr. Sonntag – Box 4 –
Die Liebe kommt selten allein

      Ja, sehr verehrte Leserin, sehr geehrter Leser, hätten sie das gedacht? Vom Verlag erhielt ich die freundliche Aufforderung, einige weitere Folgen zu schreiben. »Offenbar mögen die Leute doch lesen, was du geschrieben hast. Los. Weitermachen!«

      »Hättet ihr mir das nicht etwas eher sagen können? Das ist wirklich knapp!«

      »Hätte, hätte, Fahrradkette! Statt hier zu lamentieren, hättest du schon längst mit dem Schreiben beginnen können! Du weißt doch: Die Deadline ist prinzipiell gestern!«

      »Aber …«

      »Jammere nicht! Leg los!«

      Verlage haben eine Tendenz zur Hartherzigkeit. Na jedenfalls sehen wir uns auf diese Weise hier wieder. Das letzte, woran ich mich noch erinnere, ist Dagmar an Deck des Kreuzfahrtschiffs, und die filmreife Szene, in der James Bond im Smoking sich aus einem Hubschrauber abseilt. Ach ja, und Emmerich im Kloster Benediktbeuern. Und an Vronis heitere Abschiedsfeier – Beerdigung passt als Ausdruck da nun wirklich nicht.

      Es ist eine Menge passiert, in den vergangenen 15 Monaten. Am wichtigsten: Im Hause Sonntag sieht man freudigen Ereignissen entgegen. Und zwar die ganze Familie. Max ist aus England heimgekehrt. – Lukas war ja ›umständehalber‹ schon eher zurückgekommen, und auch Egidius hat sich aus Minnesota verabschiedet, wenn auch schweren Herzens. Eine solche Möglichkeit, fachlich und wissenschaftlich weiterzukommen, wird sich ihm vermutlich nie wieder bieten.

      Andererseits, was sind schon Ruhm und Ehre, wenn man dafür den Schliersee, die großartigen Mitarbeiter der Klinik und – mag es auch pathetisch klingen – die Heimat verlassen muss? Irgendwann muss man sich entscheiden, wenn man Arzt ist. Geht es darum, Menschen zu helfen, oder darum, Wissenschaft zu betreiben? Sicher, Wissenschaft ist notwendig, um Menschen helfen zu können. Aber wenn jemand die Gabe hat, mit seinen Patienten umgehen zu können, auf einer herzlichen, vertrauensvollen Ebene, dann sollte der auch tatsächlich Basisarbeit leisten. Es gibt Kollegen – und bei denen haben Sie auch schon im Wartezimmer gesessen, wetten? – die wären einfach besser in einem Forschungslabor aufgehoben.

      In welche Kategorie mag der junge Kollege Amandus Pachmayr gehören? Er verfügt über ein wirklich gewinnendes Lächeln, einen Schwall erstaunlich blonder Haare und gute Umgangsformen, soweit ich das von hier aus beurteilen kann. Aber ist er wirklich so nett, wie er auf den ersten Blick wirkt?

      Notfälle

      »Schwester Nasifa, ich bräuchte mal Xylocain 1%ig und Catgut 6x0!«

      »Ginge auch 4x0? 6x0 müsste ich rasch aus dem OP holen!«

      Amandus runzelte die Stirn.

      »Womit nähen Sie denn Platzwunden auf der Stirn? Wir wollen doch nicht, dass da eine häßliche, entstellende Narbe bleibt, oder? Immerhin ist die Patientin eine schöne Frau, und dass soll sie auch bleiben!«

      »Wenn Sie intrakutan nähen, bleibt da nur ein feiner, weißer Strich, Herr Doktor!«, antwortete Schwester Nasifa freundlich.

      »Kompromiss: Ich nähe intrakutan, aber mit 6x0! Einverstanden?«

      Nasifa griff zum Telefon.

      »Notfallambulanz! Marion, kannst du mir ein Nahtset richten, mit 6x0 Chromcat? Ich komme schnell ‘rauf und hole es! Wie bitte? Das ist aber lieb, vielen Dank!«

      Sie wandte sich Dr. Pachmayr zu.

      »Das Gewünschte ist schon auf dem Weg.«

      »Perfekt«, bemerkte dieser. »Und vielleicht legen Sie einen kleinen Vorrat mit feineren Nähten hier an?«

      »Das hätten Sie gar nicht sagen müssen, Herr Doktor. Wenn Sie noch weitere Wünsche haben, würde ich Sie bitten, eine Liste anzulegen, damit ich die entsprechenden Arbeitsmaterialien besorgen kann.«

      »Wäre es möglich, Herr Doktor, dass Sie mich bis zum Wochenende krankschreiben?«, fragte die Patientin, die sich an einem Schrank gestoßen hatte.

      Der Doktor verzog sein Gesicht zu einer überraschten Grimasse.

      »Gute Frau, das wären ja drei Tage! Das geht nun beim besten Willen nicht!«

      »Wissen Sie, ich bin da in einer Zwickmühle. Ich pflege im Augenblick meine kranke Nachbarin –, bei der habe ich mir ja auch die Verletzung zugezogen. Auf die Weise hätte ich etwas mehr Zeit für sie. Sie ist schon sehr alt. Und in meiner Firma wurde mir gekündigt, weil der Betrieb Ende des Monats schließt.«

      »Wenn das jetzt jeder täte? Nein, das kann ich nicht verantworten! Jeder hat seine Pflicht zu erfüllen! Wo kämen wir denn hin, wenn niemand mehr seine Arbeit ernst nimmt!«

      »Ich hätte es eher als meine Pflicht angesehen, der alten Dame zu helfen … Aber es ist schon in Ordnung, Herr Doktor. Entschuldigen Sie, dass ich Sie mit meinem Anliegen behelligt habe.«

      »Sie hatten völlig recht, Herr Doktor«, bemerkte Schwester Nasifa mit feinem ironischen Unterton. »Mit Menschen, die so pflichtvergessen sind, dass sie lieber anderen helfen als angesichts einer Kündigung zu arbeiten, muss man streng sein!«

      Die Ironie war Dr. Amandus Pachmayr entgangen.

      »Ja, danke, Schwester. Es kann wirklich nicht sein, dass man sich auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auf die faule Haut legt.«

      »Sie waren noch nie in einer schwierigen Lage?«, fragte Nasifa vorsichtig. »Oder haben mal in einer solchen Hilfe benötigt?«

      »Wenn Sie den Überblick behalten, sich nicht verzetteln und gut organisiert sind, Schwester, dann ergeben sich solche Probleme gar nicht erst.«

      »Ich verstehe, Herr Doktor. Wenn ich organisatorischen Rat brauche, weiß ich ja zukünftig, an wen ich mich wenden kann!«

      In diesem Moment stieg der Geräuschpegel von draußen erheblich. Eine Männerstimme rief etwas von ›Notfall‹ und ›dringend‹. Nasifa riss die Schiebetür auf.

      Der ausgemergelte, bewusstlose alte Mann auf der Trage schien dem Tod näher als dem Leben. Er hatte offenbar in selbstmörderischer Absicht alle Medikamente, die er einzunehmen hatte, gesammelt und geschluckt. Dr. Pachmayr funktionierte wie eine gut geölte Maschine. Während Nasifa den Monitor anschloss, intubierte und defibrillierte er. Spülte über eine Magensonde Aktivkohle-Suspension in den Patienten. Verabreichte Naloxon und Thiamin und Dextrose. Und vollbrachte das kleine Wunder. Der Patient schlug die Augen auf.

      »Was machen Sie denn für Geschichten?«, herrschte er den alten Mann an. »Wir haben hier mit kranken Menschen schon genug zu tun. Wir brauchen nicht noch Leute, die uns mit solchen Scherzen die Zeit vertreiben!«

      »Das war, glaube ich, kein Scherz, Herr Doktor Pachmayr«, gab die Schwester zu bedenken. »Hier, sehen Sie!«

      Amandus Pachmayr blätterte in den Unterlagen. »Ein metastasiertes Pankreaskarzinom«, murmelte er betroffen. Dann fuhr er fort: »Egal. Meine Aufgabe ist es, Leben zu erhalten, um jeden Preis.«

      In diesem Moment bog Ludwig um die Ecke.

      »Wäre der Chef schon zurück«, erklärte er, »hätte er dich in der Morgenkonferenz in der Aula vorgestellt! Aber der kehrt erst Anfang der kommenden