Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman. Peik Volmer

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Название Dr. Sonntag Box 4 – Arztroman
Автор произведения Peik Volmer
Жанр Языкознание
Серия Dr. Sonntag
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740972318



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»Worüber denn?«

      »Dass mache Jungs glauben, dass sie das Herz der Angebeteten dadurch für sich erobern können, dass sie sie einsperren! Wir wissen es besser, oder, Felicitas?«

      »Jedenfalls haben mein Mann und ich beschlossen, sie zusätzlich zu einem Kursus für Selbstverteidigung für Kinder zu schicken. Ja, Fee?«

      »Großartige Idee! Am Windfeld gibt es eine Kampfsportschule, die ›Taekwondo‹ heißt. Die habe ich schon häufig empfohlen.«

      »Ist da nicht auch die Tanzschule?«

      »Ja, genau!«

      »Wie sieht es aus, Frau Kühn«, sagte Dr. Cortinarius zu der neben ihm stehenden Dame. »Während unsere Tochter lernt, wie man Unholde windelweich klopft, könnten wir doch in der Nachbarschaft unsere soziale Kompetenz steigern – mit Chachacha, Marsch und Foxtrott?«

      Ricarda hatte sich gefasst.

      »Da kommt jetzt etwas plötzlich! Wie kommst du darauf, dass mir das gefallen könnte?«

      »Erstmal hast du früher gern getanzt. Außerdem hast du mich eben ›mein Mann‹ genannt.«

      »Hab ich nicht!«

      »Doch, hast du!«

      »Das kann gar nicht sein!«

      »Doch!«

      »Doch, Mama. Ich habe es auch gehört!«

      »Du stehst unter Schock, Fee. Du kannst da gar nicht mitreden!«

      »Wenn ich als habilitierter Kinderarzt eine Aussage machen dürfte«, mischte sich Professor Tauber lachend ein, »aber – es ist wahr!«

      § 1744 BGB

      »Herr Dr. Bichler«, sagte die Amtsperson streng, »Sie beantragen die Pflegschaft für das Kind Pirmin Ortner als Einzelperson. Dagegen ist soweit nichts einzuwenden. Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich um eine Adoptionspflege gemäß § 1744 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über Tag und Nacht handelt?«

      Der Pädiater bestätigte die Annahme.

      »Gut. Sie benötigen ein ärztliches Gesundheitszeugnis, ein polizeiliches Führungszeugnis, den Nachweis regelmäßiger Einkünfte und den Nachweis über ausreichenden Wohnraum. Ihnen ist hoffentlich klar, dass Sie keinen Anspruch auf ein spezielles Kind haben. In diesem besonderen Fall allerdings machen wir eine Ausnahme. Ich habe bereits mit Pirmins Betreuer und Amtsvormund gesprochen. Der Junge redet von nichts anderem mehr. Sie haben sich durch die schwere Erkrankung des Kindes kennengelernt, oder?«

      »Ja, das ist richtig. Ich habe versucht, den Jungen von dieser Idee abzubringen, aber … Das hat nicht so gut geklappt. Und da wir ohnehin Zeit miteinander verbringen …«

      »Ah, das ist wichtig! Eine soziale Bindung außerhalb des Arzt-Patienten-Verhältnisses existiert bereits zwischen Ihnen beiden?«

      Quirin war amüsiert.

      »Das Arzt-Patienten-Verhältnis dau­erte ungefähr einen halben Tag lang. Danach war ich tatsächlich so etwas wie ein liebender Vater, der um das Leben seines Sohnes kämpft. Als der Junge mich bat, die Pflegschaft zu übernehmen, habe ich sehr zurückhaltend reagiert. Immerhin bin ich alleinstehend!«

      »Herr Dr. Bichler, das ist völlig egal. Wir machen die Eignung einer Pflegefamilie nicht von Trauscheinen abhängig. Frau-Mann, Frau-Frau, Mann-Mann, Einzelpersonen … Das spielt vor dem Gesetz keine Rolle. Das wäre ja auch schlimm, wenn die Fähigkeit zur Kindererziehung von derlei Konstellationen abhinge. Schwierig allerdings kann es werden, wenn in dem Haushalt bereits Kinder leben, Sie verstehen? Eifersuchtsdramen, etc.!«

      »Nein, da kann ich Sie beruhigen. Pirmin wird das einzige Kind bleiben.«

      »Der Junge sitzt draußen? Wollen wir ihn einmal hereinbitten?«

      »Ich hole ihn!«

      Quirin erhob sich.

      »Ich hab schon zusammengepackt«, erklärte der Junge zu seinem künftigen Pflegevater aufschauend.

      »Moment, Moment!«, lachte die Amtsperson. »So schnell schießen die Bayern nicht! Es fehlen noch einige Unterlagen, und dann muss der Verwaltungsakt vollzogen werden. Für uns spricht der § 33 SGB VIII. Alle Pflegeeltern, die ein Kind von einer anerkannten Vermittlungsstelle vermittelt bekommen, sind Pflegeeltern im Sinne des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Rahmen der Hilfe zur Erziehung. Damit sind Sie gewissermaßen Partner der betreuenden Stelle und sollten mit dieser eng zusammen arbeiten!«

      »Aber ich komm’ doch jetzt mit zu dir, oder?«, fragte Pirmin unsicher.

      »Haben Sie denn schon Vorbereitungen getroffen, Herr Dr. Bichler? Der Junge benötigt einen Raum, in dem mindestens ein Bett steht!«

      Dr. Bichlers Erheiterung war grenzenlos.

      »Wir haben bereits zusammen eingekauft, Pirmin und ich. Und ich habe in der Wohnung einen Raum für mich. Zum Rest habe ich nur noch mit besonderer Erlaubnis Zugang!«

      »Ich hab ein Hochbett!«, verriet der Junge stolz.

      »Ein Hochbett, soso!« Der Herr vom Amt war überrascht. »Darf ich fragen, was sie mit dem Hochbett anfangen werden, wenn Ihr Antrag abschlägig beschieden wird?«

      »Das ist eine Möglichkeit, die wir für uns gedanklich ausgeschlossen haben!«

      »Nun«, seufzte der Beamte, »wenn von Seiten der bisherigen Betreuer nichts im Weg steht, kann das Kind – zunächst besuchshalber – bei Ihnen einziehen!«

      »Hurra!«, rief Pirmin aus und strahlte über das ganze Gesicht. Er schmiegte sich eng an Quirin. Der legte die Hand auf die Schulter seines Pflegekindes.

      »Ich wünsche Ihnen beiden alles Gute, Pirmin – Herr Dr. Bichler. Pirmin, ich hoffe, dass du immer brav bist und gut folgst!«

      Quirin sah ihn überrascht an. »Das finden Sie wirklich wesentlich?«

      »Nun, ich hatte letzte Woche hier ein Ehepaar, das darum bat, die Pflegschaft beenden zu dürfen, weil das Kind deutlich über die Stränge schlug!«

      »Wie soll ein Kind sich entwickeln, wenn es nicht gelegentlich mal über die Stränge schlägt? Was hätten diese ›Eltern‹ denn getan, wenn ihr leibliches Kind über die Stränge geschlagen hätte? Es umgetauscht?«

      »Bitte vergessen Sie nicht, Herr Dr. Bichler, das viele Kinder einiges mitgemacht haben und deutliche Verhaltensauffälligkeiten an den Tag legen!«

      »Da bin ich mir sicher. Meine Eltern waren auch nicht mit allem einverstanden, was ich tat. Ich war kein pflegeleichtes Kind. Ich habe geklaut, wissen Sie? Und mit meinem Fußball die Scheiben der Nachbarn kaputtgeschossen. Und wissen Sie, was meine Eltern getan haben?«

      »Äh, nein!«

      »Sie haben mich trotzdem geliebt.«

      »Da gratuliere ich Ihnen, Herr Doktor. Dies Glück hat nicht jedes Kind.«

      »Ich weiß. Und ich finde das schrecklich.«

      *

      Als sie das Amtsgericht verließen, wirkte Pirmin nicht so glücklich, wie man es hätte erwarten sollen. Schweigend stapfte er neben Quirin her, der spürte, dass Pirmin düsteren Gedanken nachhing.

      »Ich dachte, dass du dich freust«, bemerkte er freundlich.

      »Ich freu’ mich ja auch!«

      »Ach, so sieht das bei dir aus! Das wusste ich nicht!«

      Die beiden liefen weiter still nebeneinander her.

      »Du, Quirin, sag mal – wenn ich was falsch mache … schickst du mich dann weg?«

      Beide blieben stehen. Quirin kniete sich vor dem Jungen hin und packte ihn bei den Schultern.

      »Nein!«, sagte er nachdrücklich. »Niemals. Und das ist ein Versprechen!«

      *

      »Guten