Potsdamer Abgründe. Carla Maria Heinze

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Название Potsdamer Abgründe
Автор произведения Carla Maria Heinze
Жанр Языкознание
Серия Enne von Lilienthal
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783960416838



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      Carla Maria Heinze, geboren in Kleinmachnow, einem Vorort von Berlin, mag alles, was nicht in eine Schablone passt. Menschen, Meinungen und Lebensentwürfe. Ihre Kriminalromane handeln davon. Viele, oft abenteuerliche Reisen führten sie auf alle Kontinente. Heute lebt sie zwischen Potsdam und Berlin.

      Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

      © 2020 Emons Verlag GmbH

      Alle Rechte vorbehalten

      Umschlagmotiv: lookphotos/Böttcher, Ulf

      Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

      Umsetzung: Tobias Doetsch

      E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

      ISBN 978-3-96041-683-8

      Originalausgabe

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      Für Cordula, Magnus und Bodo –

      und für Hannelore, wie versprochen

      Denn der Tod tut nicht weh, nur das Sterben.

      Mascha Kaléko

      Prolog

      Das Licht brach sich in den Facetten des taubeneigroßen Edelsteins. Geschliffen in der Form einer voll erblühten Rose lag er vor ihm. Er ging zu den bodentiefen Fenstern und hielt den Stein ins Sonnenlicht. Der rosafarbene Diamant funkelte und strahlte, als würde eine innere Glut ihn speisen. Ein Lächeln überzog die strengen Gesichtszüge des schmalen Mannes.

      »Der Schlussstein«, bemerkte er. Wandte sich an den anderen, der in einiger Entfernung hinter ihm stand. »Sieh Er auf die Spitze, da muss er gesetzt werden. Da ist sein Platz.«

      Hofjuwelier und Münzunternehmer Nathan Ephraim, gebrechlich und alt an Jahren, mit grauem Kinnbart, der dünn in langen Strähnen hinabhing, gekleidet in einen nachtdunklen Brokatrock und mit einer weißen Perücke auf dem Kopf, trat näher, nickte ehrfürchtig. »Ein außergewöhnlich schöner Diamant, Eure Majestät«, murmelte er.

      Friedrich II. legte den Stein zurück in die mit blauem Samt ausgeschlagene Schatulle. Wandte sich aber sogleich wieder an Ephraim, die Augenbrauen bedrohlich hochgezogen, sodass sich seine Stirn in feine Falten legte. »Er darf sich Hofjuwelier nennen, Monsieur Ephraim, aber das, was Er mir hier vorlegt, ist es nicht wert, auch nur einen Blick darauf zu verschwenden.«

      Mit einer energischen Handbewegung wischte der König von Preußen die Zeichnung, die vor ihm lag, vom Tisch. Musterte aus blassblauen Augen streng den Alten, der devot den Kopf gesenkt hielt.

      »Was hat Er sich dabei gedacht? Wir haben es Ihm doch mitgeteilt. Précisément, oder etwa nicht? Prächtig soll die Pyramide werden. Einmalig! Aber sein Entwurf ist terrible und jämmerlich.«

      Der König, feingliedrig im himmelblauen Seidenrock, aus dem die verschwenderischen Spitzen des Jabots über das Revers fielen, hob leicht die Hand. Aus dem Hintergrund schwebte Michael Gabriel Fredersdorf, sein treuer Kammerdiener, heran. Reichte ihm mit einer Verbeugung ein aus Bütten geschöpftes, festes Papier. Friedrich II. legte es auf die mit Leder bezogene eichene Schreibtischplatte. Der Tisch war mit Büchern übersät, seine Beine mit filigranen pflanzlichen Motiven aus Bronze geschmückt. Der König strich mit der Hand über das Papier. Deutete auf die von ihm selbst mit schnellen Strichen hingeworfene Skizze, deren klare Linienführung doch erkennbar war.

      »Begreife Er, so muss sie werden.« Seine schmalen Finger fuhren die Linien entlang. »Hier das Gerüst, merke Er auf, gefertigt aus massivem Dukatengold. Nichts anderes kommt dafür in Betracht. Fest und schwer muss die Pyramide stehen. Dann ihre Außenseiten. An ihnen vier Brillanten allerbester Qualität, versteht sich.«

      Der König schaute kurz zu Fredersdorf hinüber, der an einem reich mit Intarsien versehenen Pult stand und jedes seiner Worte mit einem Federkiel notierte.

      »Nun, Monsieur Ephraim, sieht Er sie endlich vor seinen Augen?«

      Der Hofjuwelier verbeugte sich. »Sehr wohl, Eure Majestät. Recht lebhaft kann ich sie mir vorstellen.«

      Friedrich II. nickte zufrieden. Schaute wieder nachdenklich auf die Zeichnung, dann sagte er: »Aber auch ihr Inneres, Meister Ephraim, darf nicht vernachlässigt werden.«

      »Gewiss nicht«, murmelte Nathan Ephraim.

      »Was hält Er von Karfunkeln?« Der König legte die Fingerspitzen aneinander und wippte auf den Fußspitzen auf und ab. »Rot wie Blut. So müssen sie sein.«

      Der Alte schlug die Augen nieder, schlang die dünnen Finger ineinander. »Feuerrote Rubine, die die Kräfte aller Steine in sich vereinen«, flüsterte er. Und sagte dann lauter: »Die blutroten Exemplare findet man sehr selten. Ich würde, wenn Eure Majestät gestatten, meinen Bruder Samuel Ephraim, der die größte Edelsteinschleiferei in Amsterdam führt, damit beauftragen, die Karfunkel für Eure Majestät zu besorgen.«

      »Tu Er das, Meister Ephraim, aber in gebotener Eile.« Der König schürzte die Lippen und betrachtete nachdenklich die Skizze. »Vielleicht eine Betonung der Eckpunkte?«, überlegte er laut. Verschränkte die Arme auf dem Rücken und ging in Gedanken versunken einige Schritte. Schaute grüblerisch an die kunstvoll bemalte Decke. Griff erneut nach dem Papier und hielt es in die Höhe. »Naturellement!«, rief er auf einmal aus. »Saphire, nachtblau wie das Firmament.«

      Zufrieden legte er die Skizze zurück. Blickte zu Nathan Ephraim und sagte in gebieterischem Ton: »Prächtiger als alles andere muss sie werden. Begreift Er? So muss es sein.«

      Er ging zu der zweiflügligen Tür und schaute über die weitläufige Terrasse. Hinunter zum Fontänenrondell, wo sich die Wasserkaskaden in das steinerne Brunnenrund ergossen. Ohne sich umzudrehen, befahl er: »Nehme Er das Papier. Lasse Er sämtliche Geschäfte ruhen. Dieses hat Vorrang vor allen.«

      Schließlich wandte er sich langsam um, hob das Kinn und blickte den Münzunternehmer aus kühlen blauen Augen an: »Zweihunderttausend Goldtaler liegen aus meiner Privatschatulle bereit. Alle sollen sehen, dass der König von Preußen sich nicht lumpen lässt.«

      1

      Nervös schaute er auf die silberfarbene Uhr an seinem Handgelenk, eine Breitling, limitierte Auflage. Gleich musste die Security ihre Runde beendet haben. Feine Schweißperlen glänzten auf seiner hohen Stirn. Er wartete schon über dreißig Minuten. Worauf hatte er sich nur eingelassen? »Complete nonsense«, knurrte er, zog ein akkurat gebügeltes blütenweißes Leinentaschentuch hervor und betupfte sich das Gesicht. Noch konnte er zurück. Was, wenn ihn hier jemand entdeckte? Aber er war so kurz vor dem Ziel, wollte es haben. Wieder fühlte er das Kribbeln wie beim allerersten Mal, als er mit dem anderen darüber gesprochen hatte. Der Kontakt zu dem Experten war über eine Annonce in den Kleinanzeigen zustande gekommen. Ein spontaner Versuch, der tatsächlich erfolgreich gewesen war. Der Mann hatte Ahnung, das hatte er schon im ersten Augenblick gemerkt. Endlich der Richtige. Anfangs kam er ihm irgendwie bekannt vor. Doch als er ihn darauf ansprach, hatte der andere nur spöttisch gelächelt und seine Vermutung abgetan: Ein Irrtum, sie seien sich vorher nie begegnet.

      Während er nach dem Umschlag in seiner Brusttasche tastete, bog der Mann vom Wachschutz um die Ecke. Ein Schwergewicht, zügig stapfte er die Runde ab. Er selbst rutschte tiefer in die hellbraunen Lederpolster seines C 180. Der Wachmann konnte ihn nicht sehen, davon war er überzeugt, auch wegen der dunkel getönten Scheiben. Aber sicher war sicher. Überdeutlich hörte er die U3 vom Bahnhof Podbielskiallee durch den offenen Teil unterhalb der Archivstraße rumpeln. Der Typ von der Security verlangsamte seinen Schritt, schaute in seine Richtung. Blieb stehen. Holte aus seiner Hosentasche ein Smartphone und tippte darauf herum. Im Schein des leuchtenden Displays konnte er dessen Gesicht erkennen. Kahler Schädel, Lippen wie ein