Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band). Paul Scheerbart

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Название Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band)
Автор произведения Paul Scheerbart
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075836403



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      Nun- darüber ließ sich streiten.

      Und das wurde auch reichlich getan.

      Langsam - sehr langsam ging die Beruhigung der Mondvölker vor sich.

      Die Herren Nadûke und Klambátsch kamen schließlich tatsächlich als vier Mondleute an die Oberfläche.

      Und dieses verdoppelte Erscheinen machte wieder alle Völker rot; jeder Mondmann wollte nun was andres von den vieren erfahren.

      Da gab es gleich ganze Labyrinthe von Fragen.

      Und so hatten sowohl Nadûke I wie Nadûke II - wie auch Klambátsch I und Klambátsch II so viel zu antworten, daß ihnen bald das Antworten unmöglich wurde.

      Und die vier ließen sich zusammen in einer einsamen Höhle am Zackenfall nieder und baten die Neugierigen herzlichst, vorläufig bloß fern zu bleiben - ganz fern.

      Es ließ sich auf diese Weise nicht einmal feststellen, ob die Zweiten genauso dachten wie die Ersten; das wußten sie eben wie so vieles andre selber noch nicht.

      Nun ereignete es sich währenddem, daß beinahe sämtliche Führer zu gleicher Zeit schrecklich müde wurden und - ohne es eigentlich zu wollen - genötigt waren, die Todesgrotten aufzusuchen.

      Da bemächtigte sich der Mondvölker natürlich abermals eine Panik - denn nun fragte es sich ja - ob sie fürderhin von Doppelwesen regiert werden würden.

      Die Geschichte wurde schwierig und gab jetzt auch denen einen tüchtigen Stoß, die schon was vertragen konnten.

      Die ganze Beschaulichkeit ging in die Brüche.

      Rasibéff war ebenfalls unter den Müden - und er war der erste, bei dem sich die blauen Lichterscheinungen zeigten.

      Als es nun klar wurde, daß auch Rasibéff fürderhin in zwei Köpfen und in zwei Rümpfen und in zwei Ballonbäuchen weiterleben mußte - da wußten die Mondmänner nicht mehr, wo ihnen der Kopf stand.

      Anfänglich glaubte der Pflastermann, der jetzt selbstverständlich das erste Wort in allen Mondangelegenheiten hatte, es sei nicht unwahrscheinlich, daß die Ballonbäuche zusammen einen bilden könnten.

      Dieses bewahrheitete sich glücklicherweise nicht; aber die Furcht vor einer derartigen Mißgeburt hatte nur noch wenig Eindruck auf die Mondvölker gemacht - sie waren schon ganz abgestumpft durch all das Unerwartete.

      Beruhigend wirkte dann, als bei Mafikâsu und Knéppara alles normal verlief.

      Und dann kam auch Zikáll wieder so aus den Todesgrotten heraus, wie er hineingeflogen war.

      Und dann ereignete sich kein weiterer Fall, der zu Bedenken Anlaß bot.

      Die Doppelgänger vermehrten sich nicht mehr.

      Und die Furcht vor dem Doppelgängertum, die dem Mondmannsverstande schädlich zu werden drohte, löste sich langsam auf - und zerrann.

      Und bald hatten sich die Mondleute an ihre drei Doppelmänner gewöhnt.

      Es scheint eben sämtlichen Lebewesen des Weltraums gemeinsam zu sein, daß sie sich an alles Wunderbare sehr rasch gewöhnen und es dann so behandeln wie all die anderen bekannten Wunderdinge der Gewöhnlichkeit.

      Und es wunderte sich nach einem Jahre kein Mondmann mehr, wenn Nadûke I eine ganz andre Meinung äußerte als Nadûke II - es wunderte sich auch über die Rasibéffs keiner mehr, wenn die beiden regelmäßig dasselbe sagten - und zwar wörtlich.

      Klambátsch I war ein eifriger Erdfreund - und Klambátsch II konnte sich nur für die verschiedenen Glassorten begeistern und befand sich infolgedessen gewöhnlich in der Nähe des großen Loso.

      Nach zehn Jahren dachten die Mondleute gar nicht mehr an die drei Uberzähligen.

      Die große Wette jedoch - die hatte keiner vergessen.

      Und so kam es, daß selbst die Weltfreunde viel öfter über das Militärwesen der Erdbewohner redeten - als über die große Welt.

      Das machte natürlich die Führer der Weltfreunde sehr ungeduldig, besonders beklagten sich die Rasibéffs über diese zeitraubende Beschäftigung mit den alten irdischen Wurmverhältnissen.

      Die Rasibéffs hatten auch allen Grund, über die kostümierten Massenmörder des Erdballs nicht freundlich zu reden denn es zeigten sich an verschiedenen Stellen des Himmels so merkwürdige Phänomene, daß wahrlich jeder Weltfreund vollauf ZU tun hatte; das photographische Material war oftmals neu zu ordnen und von verschiedenen Gesichtspunkten aus den früher entdeckten Phänomenen anzugliedern.

      Ganze Sternhaufen waren neuerdings entdeckt worden, von denen sämtliche Sternkarten keine Spur verrieten. Und man gelangte bald zu der Einsicht, daß diese neuen Sternhaufen zu den wandelnden gehörten.

      »Abermals«, sagte Mafi, » ein Beweis, wie nötig wir das größere Fernrohr gebrauchen. Wir sehen allnächtlich den großen Himmel mit einer ganz erklecklichen Anzahl von Fernrohren an und bemerken plötzlich, daß wir unzählige Sterne, die in Haufen immerzu da sind, doch nicht bemerken, da sie ein bißchen weiterab liegen. Die Existenz von wandelnden Sternhaufen ist bisher stets bestritten worden, und nun zeigen sich solche Wandelsternhaufen plötzlich zu gleicher Zeit an fünf Stellen.«

      Es waren nämlich solche wandelnden Sternhaufen gleich zeitig an fünf räumlich weit voneinander getrennten Stellen des Himmels entdeckt worden. »Was«, bemerkte Zikáll, »die Meteore in unserm Sonnensysteme sind, das sind die wandelnden Sternhaufen in unserm Raum.«

      Verblüffend wirkte die ungeheure Schnelligkeit, mit der die Sternhaufen dahinzogen - sie bewegten sich alle in denselben spiralförmigen Kurven und wurden dabei bald größer und bald kleiner.

      Wie kantige Glasstücke sahen die neuen Sterne aus, sie wechselten unablässig die Farben; in welchen Verhältnissen die Sterne in den einzelnen Haufen zueinander standen, ließ sich bei der großen Entfernung nicht konstatieren.

      Dagegen bemerkten die Mondleute, daß altbekannte Nebelflecke, die allgemein für Milchstraßensysteme angesehen wurden, sehr rasch ihren Standpunkt beim Herannahen der wandelnden Sternhaufen veränderten.

      Es wurde hierbei berechnet, daß die Nebelflecke, die auswichen, in ein paar Sekunden viele Trillionen von Sternweiten weiterschwebten, während die wandelnden Haufen selbstverständlich noch viel schneller waren.

      Und die Mondleute nennen erst die Strecke von tausend Billionen Meilen - eine Sternweite.

      »Man sollte«, bemerkte Zikáll, »wahrlich glauben, daß derartige Veränderungen im Weltraume den ganzen Tanz der Sterne verwirren müßten. Und dennoch sehen wir, daß dieser Ortswechsel der Nebelflecke die Nachbargebiete ganz kalt läßt; es muß doch sehr viel Raum in der Unendlichkeit vorhanden sein - das empfindet man sonst gar nicht so deutlich. «

      »Hieraus schließe ich«, sagte Nadûke II, »daß wir uns selber im Raume - mit unserm ganzen Milchstraßensystem zusammen - sehr schnell hin und her bewegen. Ich bin der Meinung, daß wir uns ebenfalls in einem wandelnden Sternhaufen befinden. «

      Das Wort erzeugte eine heftige Debatte, denn Nadûke I widersprach dieser Ansicht durchaus. Und es stritten sich bald an die hundert Gelehrte über die große Frage, ob sich der Mond in einem wandelnden oder in einem stillsitzenden Sternhaufen befindet.

      Zu Resultaten führte diese Debatte vorläufig noch nicht.

      Die Erdfreunde entdeckten währenddem etwas Neues auf der Erdoberfläche.

      Die Erdmänner, die in den Kostümen des allgemeinen Söldnertums staken und zusammen die herrlichen Volksheere repräsentierten, hatten plötzlich ganz andre Kostüme an.

      Das war folgendermaßen gekommen:

      Da von seiten der Künstler Jahre hindurch behauptet wurde, daß die Soldatenkostüme künstlerisch nicht befriedigen könnten, da alles Uniforme den Reichtum der Natur zerbreche- so waren die Künstler - man staune! - aufgefordert worden, künstlerische Kostüme zu zeichnen und zu kolorieren. Und nach einzelnen