Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band). Paul Scheerbart

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Название Gesammelte Science-Fiction & Dystopie Romane (12 Titel in einem Band)
Автор произведения Paul Scheerbart
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075836403



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hing denn alles davon ab, ob der dritte Staat der Erdmänner die bunte Kriegsrüstung auszog oder nicht.

      Langsam nahte der Tag der Entscheidung.

      Die Todesgrotten waren von allen verlassen, da sich diejenigen, die ihre Wiedergeburt erwarteten, so rechtzeitig unten eingefunden hatten, daß sie die große Entscheidungsstunde oben miterleben konnten.

      Zwei tolle Meteore wurden nun noch entdeckt - und zwar grade an den Teleskopen, die den Erdball beobachteten.

      Es waren Gasmeteore, die zwischen Mond und Erde schwebten und immerzu wie Doppelsterne umeinander kreisten, bis sie plötzlich zusammenfielen und dabei einen großartigen Funkenregen in violetten und zinnoberroten Farben nach allen Seiten verstreuten - von den Funken flogen sehr viele zur Erde und beinahe ebensoviele zum Monde - die meisten zergingen im Äther - ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.

      Dieses kleine lustige Schauspiel erheiterte die erregten Beobachter auf dem Monde ganz außerordentlich, da es auch in den kleinen Ferngläsern, die die Mondleute stets in ihrem Rucksacke haben, sichtbar war.

      In der letzten Nacht, als der Mond für die Erde ganz dunkel wurde, leuchteten die Goldkäfer auf den knisternden Moosfeldern viel heftiger als sonst.

      Die Mondleute umlagerten die Krater, in denen die Erdfreunde die Erde beobachteten - und unaufhörlich wurde der Inhalt der letzten Photographien bekanntgegeben.

      Und die Hände der Mondleute zitterten.

      Jetzt mußte sich endlich das Schicksal der großen Revolution entscheiden.

      Und da zuckten die Mondvölker plötzlich zusammen - und blitzschnell verbreitete sich die Kunde, daß ein dritter Staat der Erdmänner seine stehenden Heere abgeschafft hätte.

      Mafikâsu griff krampfhaft mit beiden Händen in die Luft und flog wie eine Leuchtkugel empor.

      Zikáll schrie auf - und lachte - und ließ den Kopf sinken.

      Die beiden Rasibéffs verzerrten ihre Gesichter und wurden grün.

      Eine maßlose Wut bemächtigte sich der Weltfreunde, die in ein paar Augenblicken sämtlich grün wurden - und wie sinnlos durch die Lüfte flogen - wobei die aufgequollenen Bäuche dröhnend aneinanderstießen.

      Die dumpfen Paukentöne durchdröhnten das ganze Land.

      Und die Goldkäfer flogen auch alle empor und schwirrten um die Köpfe der grünen Mondmänner rum.

      Und die Ratsherren wußten nicht, was sie tun sollten.

      Und die Führer riefen wütend:

      »Ruhe! Ruhe!«

      Und das half nichts.

      Da schwebte aus dem Bleikrater der große Knéppara heraus - der rot war - wie ein Feuerball.

      Und Knéppara erschrak, als er so viele grüne Mondmänner sah.

      Und die Grünen glaubten, Knéppara wolle sich triumphierend zeigen.

      Und die Grünen brüllten vor Wut- und grüne elektrische Funken sprangen blitzend aus ihren Leibern.

      Aber Knéppara schrie jetzt, während er hoch über dem Bleikrater schwebte:

      Die Weltfreunde haben gesiegt! Ich verkünde meinen Gegnern, daß die Beobachtung der Erde zu Ende ist. Htirt mich doch! Ich habe ja die Wette verloren. Hört doch!«

      Da sahen sich die Grünen erschrocken an, doch der Rote fuhr fort:

      »Der dritte Staat zählt ja nicht mit - der Staat existierte ja vor fünfzig Jahren noch gar nicht. Ich freue mich von ganzem Herzen, daß die Erdfreunde die Wette verloren haben. Es lebe die große Revolution! Es lebe das große Teleskop! Seid froh! Werdet wieder rot!«

      Und - da ging ein Schauer durch die Lande.

      Und ein unbeschreiblicher Jubel brach nach diesen Worten los.

      Und die Grünen waren im Handumdrehen alle rot - alle rot.

      Wie das aussah!

      Erst bildete sich ein roter Ring um den Bleikrater.

      Der Bleikrater lag in der Mitte der bewohnten Mondseite. Und dann wurde der runde rote Ring, der aus lauter Mondleuten bestand, gleichmäßig nach allen Seiten immer breiter und breiter - wellenförmig- als wär ein Stein in ein Wasser gefallen, das rot werden kann - in ein grünes Wasser - denn vordem waren die Mondleute alle noch grün.

      Und dann war nach ein paar Augenblicken die ganze Halbkugel rot - wie ein Feuermeer.

      Und der Jubel rauschte nur so durch die dicke Luft.

      Die Goldkäfer umschwirrten nun die Köpfe der Roten - wie sie vorhin die der Grünen, die nicht mehr da waren, umschwirrt hatten.

      Und wie Goldstaub funkelten die Goldkäfer in dem roten Feuermeer. Die Seligkeit ward zur Raserei.

      Und alle flogen jetzt auf den Bleikrater zu, so daß es aussah, als wenn ein kuppelförmiges rotes Pilztier seinen Krinolinenleib aufzöge und zu einer dicken Kugelmasse würde.

      Und diese rotglühende Kugelmasse, zu der aus allen Kratern immer mehr Mondleute kamen, fing an sich zu drehen.

      Und dann umkreiste diese rote Masse den Bleikrater siebenmal - langsam und feierlich.

      Und Knéppara schwebte oben hoch überm Bleikrater, der jetzt gar nicht zu sehen war, mit Mafi, Zikáll und den Rasibéffs in der Mitte.

      Und alle schrien und lärmten.

      Und dann ward es ganz still.

      Und dann schlugen sich alle auf den Ballonbauch - daß das Gedröhne so furchtbar wurde - wie ein einziger anhaltender Donnerton.

      Und es durchdröhnte die Luft dieser einzige gewaltige Paukendonnerton sieben Stunden lang.

      Danach wards abermals still.

      Und dann löste sich die rote Masse auf - und die kleinen Mondmänner sprühten wie die Funken eines großen Feuers umher - die einen flogen zu den Sternen empor - die andern hinunter in die Krater.

      Und die Freude war groß.

      Die Freude rüttelte alles auf und wirbelte dann alles durcheinander.

      Und nun ward die große Revolution auf dem Monde mit einem Schlage zum Ereignis; die hundert Ratsherren beschlossen, den Führern der Fabrikgrotten unumschränkte Machtbefugnisse über sämtliche Mondvölker zu verleihen.

      Und die Führer der Fabrikgrotten geboten - alle Tätigkeit an den verschiedenen Kraterteleskopen, in den Museen und Bibliotheken - sofort einzustellen.

      Und die große Bohrtätigkeit begann.

      Da viele Maschinen in der Nähe der Todesgrotten angeschraubt wurden, so mußten diese durch schalldämpfende Portieren aus Moosfaserstoffen an allen Seiten abgeschlossen werden; es wurden nach den Aufregungen der letzten Zeit sehr viele Mondleute müde; doch mit diesem Umstande war gerechnet worden.

      Über hundert Jahre nahm nun die große Bohrtätigkeit sämtliche Mondmänner ganz und gar in Anspruch.

      Es war nur Maschinenarbeit - doch die Maschinen mußten hergestellt, transportiert und bedient werden; die Stützvorrichtungen und Berechnungen nahmen auch viele Hände und Köpfe in Anspruch.

      Aber schließlich ward es Licht.

      Und man gelangte in eine große große Glasgrotte, durch deren bunte farbenglühende Nischen und Wände das Sonnenlicht drang- wie ein stilles Abendlied am Flötenkrater.

      Nach weiteren hundert Jahren hatte man eine ganze Anzahl weiterer Glasgrotten kennengelernt.

      Des Staunens und Bewunderns war kein Ende - denn jede Grotte hatte ein neues komplizierteres Farbenwunder gezeigt.

      Und je weiter man vordrang- um so heller und strahlender wurden die Grotten.

      Und die Luft ließ nichts zu wünschen übrig.

      Die