Gute Nacht, mein Geliebter - Psychothriller. Inger Frimansson

Читать онлайн.
Название Gute Nacht, mein Geliebter - Psychothriller
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726445022



Скачать книгу

Flasche ruhig leer machen, Weihnachten ist ja eh vorbei.«

      »Skål.«

      »Skål. Auf unser Wiedersehen.«

      »Aber, sag mal ... Warum hast du denn gerade heute an mich gedacht? Das kommt mir so komisch vor. Ausgerechnet an einem der ganz seltenen Tage, an denen ich einmal nach Hässelby komme, ja, da denkst du an mich, und dann treffen wir uns auch noch rein zufällig.«

      »So zufällig war es nun auch wieder nicht, du bist immerhin hierher gekommen.«

      »Stimmt ... Aber ich lief mehr herum und versuchte, ein wenig nostalgisch zu werden.«

      »Die fernen Kindertage.«

      »So ungefähr, ja.«

      »Hast du Kinder, Berit?«

      »Ja, zwei Jungs, einundzwanzig und zweiundzwanzig Jahre alt. Sie sind von zu Hause ausgezogen, wir sind jetzt allein, Tor und ich. Jetzt haben wir endlich einmal Zeit füreinander, wie man so sagt. Und du?«

      Justine schüttelte den Kopf.

      Dann steckte sie die Finger in den Mund und pfiff kurz und durchdringend. Irgendwo hinter ihnen begann ein Rauschen, das Zimmer schien zu schrumpfen, es zischte und heulte, etwas Scharfes landete auf Berits Kopf, etwas, das sich in ihrem Haar verfing.

      »Oh, mein Gott, was ist das!«

      Sie schrie und fuhr hoch, so dass sie ihr volles Glas Glühwein über ihre Hose verschüttete.

      7. KAPITEL

      Im Wald lag ein Tier. Es sah aus wie ein Hund.

      Erst sah sie nur den Kopf, der Rest waren Blätter und Moos. Sie sah nur den Kopf, bekam aber keine Angst, ungesehen lief sie zum Haus zurück.

      Am Kellerfenster fand sie die Schüssel, in der Flora die Wäscheklammern aufbewahrte. Sie kippte die Klammern in der Ecke aus, füllte die Schüssel mit Wasser und lief zurück.

      Das Tier trank. Ein Teil rann ins Moos, aber seine Kehle bewegte sich und schluckte, sie sah, dass das Tier durstig war, dass es lange nichts getrunken hatte.

      War es ein Hund? Sie berührte den verfilzten Pelz. Da kräuselte sich die Schnauze, ein Fletschen gelber Zähne.

      Das Tier trug kein Halsband.

      Der Körper inmitten von Moos und Preiselbeerkraut war zart und rot.

      »Du kannst nicht mit zu mir nach Hause«, sagte Justine. »Es wohnt eine Hexe in unserem Haus. Ich will nicht, dass ihr Blick dich trifft. Aber ich werde herkommen, ich werde dafür sorgen, dass du etwas zu essen und zu trinken bekommst, das verspreche ich dir.«

      Es hatte ein kräftiges Genick, sie gab ihm einen Namen.

      Sie sagte seinen Namen so laut sie sich traute, aber es bewegte seinen Körper nicht, und der Schwanz lag im Moos.

      Am nächsten Tag nahm sie Fleisch mit. Ohne dass Flora etwas davon merkte, nahm sie ein Stück ihres Koteletts von ihrem Teller herunter und wickelte es in ein Taschentuch.

      Das Tier lag da wie zuvor.

      Sie konnte seine Augen nicht länger sehen.

      Als sie den Fleischbissen an seine Schnauze hielt, fuhr die Zunge ein wenig heraus.

      Aber es aß nicht.

      Dann sah sie es nie wieder.

      Papa kam am Abend zu ihr.

      »Wollen wir dein Abendgebet sprechen?«

      »MüdebinichgehzurRuh, schließebeideÄugleinzu,

      VaterlassdieAugendein, übermeinemBettesein,

      HabichUnrechtheutgetan, sieheslieberGottnichtan,

      DeineGnadundJesuBlut, machenallenSchadengut,

      allediemirsindverwandt, GottlassruhnindeinerHand.«

      Er beugte sich zu ihr herab, küsste sie unter dem Ohr.

      »Und an wen denken wir beide jetzt? Nur wir zwei?«

      »An Mama«, flüsterte sie.

      Sein Gesicht war lang und traurig.

      »Ich muss dir leider noch sagen, dass ich morgen nicht da bin, wenn du wach wirst.«

      Sie war mit einem Satz aus dem Bett.

      »Doch!«, schrie sie.

      »Justine ...«

      Er flehte, was sie sehr wütend machte.

      »Du sollst aber hier sein!«

      »Ich muss in die Schweiz reisen.«

      Er senkte die Stimme.

      »Du weißt doch, in die Nähe von da, woher deine Mama kam.«

      »Dann will ich mitkommen.«

      »Mein liebes Kind, das geht leider nicht, das verstehst du doch. Ich reise geschäftlich dahin, und du musst in die Schule. Ich habe meine Arbeit, du hast deine Schule, wir alle haben unsere täglichen Pflichten.«

      Sie schlug seine Hände, schlug seine dummen Beine.

      Er legte sie ins Bett und ging nach draußen.

      Am Morgen war er abgereist.

      Sie dachte an das Tier. Das Tier könnte ihre tägliche Pflicht sein.

      Aber Flora holte sie von der Schule ab. Damit hatte sie nicht gerechnet.

      Flora trug ihr schwarzes Kleid und die Perlenkette. An ihrem Handgelenk baumelte eine Handtasche an einer Messingkette.

      »Wir fahren nach Vällingby«, sagte sie. »Wir gehen in eine Konditorei.«

      Sie begannen, den Hügel hinabzugehen.

      »Guck doch mal etwas fröhlicher, Kindchen! Wenigstens einmal!«

      Flora hielt sie an der Hand, trippelte mit kurzen Schritten, so wie Tanten trippeln, wenn sie schön sein wollen.

      Flora war schön.

      »Erzähl doch mal, was ihr heute in der Schule gemacht habt«, sagte sie.

      »Ich weiß nicht.«

      »Natürlich weißt du das.«

      »Wir haben gelesen, glaube ich, und gerechnet.«

      Ihre Hand fest um Justines Finger.

      »Gelesen und gerechnet, glaube ich!«

      Justine musste mal Pipi. Sie wollte ihre Hand zurückziehen, aber Flora würde es nicht gefallen, wenn sie das tat. Flora war jetzt ihre Mama, und sie war ihr Kind.

      In Vällingby ging Flora in Geschäfte. Justine durfte ihre Tasche halten, während sie hinter verschiedenen Vorhängen verschwand.

      Ein nackter Arm, der auftauchte.

      »Fräulein, das hier ist viel zu groß. Wollen Sie bitte so freundlich sein und mir stattdessen eins in Größe 34 bringen.«

      Das Stolzieren der Verkäuferinnen, wie sie ihr um den Bart gingen und Sachen herbeitrugen. Sie kam in neuen Kleidern heraus, schritt durch die Boutique und präsentierte sich.

      »Und, Justine, was meinst du? Soll ich es nehmen? Glaubst du, es würde Papa gefallen, mich hierin zu sehen?«

      Erst jetzt schien sie von ihnen wahrgenommen zu werden. Sie setzten ein freundliches Gesicht auf – ist sie nicht fein, deine Mama!

      In der Konditorei durfte sie endlich Pipi machen.

      Als sie zurückkam, hatte Flora bereits bestellt, Limonade und einen Bienenstich.

      Sie selbst aß nichts, trank nur Kaffee aus einer sehr kleinen Tasse.

      Auf den Tischen lagen karierte Tischdecken. Der Raum war sehr verraucht. Am Nebentisch saß ein Kind in Justines