Achtung! Totes Gleis. Arno Alexander

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Название Achtung! Totes Gleis
Автор произведения Arno Alexander
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711626030



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versetzte Wessley fest. „Sie bleiben. Ich betrachte Sie jetzt als meinen Gast, als meine Schutzbefohlene — nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich möchte jedenfalls den Mann kennenlernen, der ungestraft die Schutzbefohlene des Kapitän ... hm .. des Baron Steinitz belästigen darf!“

      In ihren Augen leuchtete es flüchtig auf, aber sogleich wurde der Blick wieder furchtsam und erschrocken: Neben ihr stand die große stämmige Gestalt Crocks’.

      Mit dem Fuß rückte er sich den Stuhl zurecht und setzte sich ungefragt an den Tisch. Die dicke, halbaufgerauchte Zigarre glimmte zwischen seinen Lippen, der schwarze Hut saß ihm schief und verwegen auf dem Kopf, und sein Gesicht hatte einen dreisten und drohenden Ausdruck.

      Zunächst sprach keiner von den dreien ein Wort. Wessley wartete ab. Als er aber merkte, daß das Mädchen Anstalten machte davonzulaufen, griff er ein.

      „Verlassen Sie augenblicklich diesen Platz!“ wandte er sich scharf an Crocks.

      „Nur immer mit der Ruhe, junger Mann“, erwiderte Crocks grollend. „Will Sie ja nur warnen. Die Kleine hier ist nämlich ein ganz gerissenes Frauenzimmer. Sie wären nicht der erste, dem sie die Moneten aus der Tasche zieht. Hab’s selber erlebt ...“

      „Schämen Sie sich!“ sagte das Mädchen heftig und beinahe weinend. „Sie kennen mich ja gar nicht. Wie können Sie so lügen, so gemein lügen ...“

      „Sachte, sachte“, wehrte er ab. „Und ob ich dich kenne, Kleine ...“

      „Sie lügen!“ erklärte Wessley wütend. „Und wenn Sie jetzt nicht sofort ...“

      „Was regen Sie sich denn auf, junger Mann?“ fragte Crocks erstaunt. „Fragen Sie doch die Kleine, ob sie auch Fred Maising nicht kennt. Ich meine den Maising, den sich heute die Polizei zur näheren Besichtigung abholte! Fragen Sie sie doch!“

      Das Mädchen sah den Fremden so entsetzt und so — schuldbewußt an, daß Wessley sich die Frage ersparen konnte. Er fing noch einen flehenden Blick aus ihren großen blauen Augen auf, dann war sie aufgesprungen und lief davon, an der Bar vorbei und durch die Drehtür hinaus.

      5

      Wessley fühlte sich wie erschlagen. Hatte seine Menschenkenntnis ihn diesmal denn ganz im Stich gelassen? Dieses Mädchen ... Er hätte schwören mögen, daß sie nicht eine von den vielen war ... und nun doch?“

      „Na, also!“ sagte Crocks mit einem erleichterten Aufatmen. „Das hätten wir ja geschafft. Auf’n Dank rechne ich nicht, obwohl ich Sie vor ganz großen Verlusten bewahrt habe.“

      Mit seinem wiegenden Gang, die Hände in den Taschen vergraben, stelzte er davon, zur Bar zurück. Und gleich darauf hockte er wieder auf dem hohen Schemel und nippte an seiner Himbeerlimonade, als sei nichts geschehen.

      Wessley nannte sich innerlich einen Ochsen, ein Kamel und einen Idioten, weil er beinahe einem durchtriebenen Frauenzimmer ins Garn gegangen wäre. Er, Kapitän der Kriminalpolizei! Wie hätten ihn seine Freunde dafür später ausgelacht, wenn es ihnen irgendwie zu Ohren gekommen wäre. Nein, er hatte wirklich Grund, diesem Kerl da, so unangenehm er auch sonst war, dankbar zu sein.

      Wessley war mit seinen Überlegungen gerade soweit gekommen, daß er schwankte ob er seine Dankbarkeit durch eine gute Zigarre oder einen Dollarschein beweisen sollte, als ihm plötzlich wieder der letzte flehende Blick des Mädchens einfiel.

      Und wenn sie nun doch nicht das war, wofür er sie jetzt hielt? Was dann? Hatte er dann nicht sein Versprechen, sie zu schützen, schmählich gebrochen ...?

      Mit einem Satz war Wessley auf den Beinen. Schon im Laufen zog er ein Geldstück aus der Tasche, winkte dem Ober und warf es unterwegs auf einen leeren Tisch. An dem verblüfften Crocks hastete er vorbei, dem Ausgang zu.

      Die Straße war hell erleuchtet und schwarz von Menschen. Es war um die Zeit, da die Theater schlossen, und diese Gegend war dann immer sehr belebt. Weder rechts noch links war die Schutzbefohlene Wessleys zu sehen. Er lief erst ein Stück nach der rechten Seite, als er aber merkte, daß die Straße hier nach und nach dunkler wurde, hielt er es für wahrscheinlicher, daß das Mädchen nach der anderen Seite gegangen sei. Entschlossen machte er kehrt und jagte in der entgegengesetzten Richtung davon. An der zweiten Straßenkreuzung entdeckte er sie. Mit gesenktem Kopf stand sie da und wartete, bis die endlose Kette von Wagen gestopt würde, um dann gleichzeitig mit den übrigen Fußgängern die Straße zu überqueren.

      Wessley heftete sich an ihre Fersen und folgte ihr unbemerkt vier große Häuserblocks entlang. Sie ging langsam, ziellos und hielt den Kopf immer noch tief gesenkt.

      „Warum sind Sie davon gelaufen?“ fragte er streng und ging jetzt neben ihr her.

      Sie sah scheu auf, sagte kein Wort und beschleunigte den Schritt.

      „Ich will ... ich muß wissen, warum Sie ...“ begann er zornig aufs neue.

      Sie blieb plötzlich stehen.

      „Bitte, lassen Sie mich“, bat sie flehend, und dann schritt sie hastig, förmlich vor ihm flüchtend, in derselben Richtung zurück, aus der sie eben gekommen war.

      Wessley schüttelte den Kopf, nannte sich einen Narren, daß er einem wildfremden Mädchen nachlief, aber trabte doch, als wenn es so sein müßte, neben ihr her.

      „Wer ist Maising?“ fragte er nach einer Weile barsch.

      Sie antwortete nicht.

      „Hat ihn wirklich die Polizei geholt?“ forschte er, obwohl er kaum noch auf eine Antwort hoffte.

      Sie schritt noch schneller.

      „Ja, sie haben ihn geholt“, beantwortete sie aber dann zu seiner Verwunderung doch seine Frage.

      „Was hat er denn verbrochen?“

      Wieder schwieg sie.

      „Es muß schon was Nettes sein, wenn Sie es mir nicht sagen können. Ich glaube ...“

      „Ich würde es Ihnen vielleicht sagen, aber ich weiß es nicht ...“ unterbrach sie ihn leise.

      Er seufzte auf.

      „Können Sie mir aber dann wenigstens sagen, warum wir jetzt wie zwei Jagdhunde rennen? Wir könnten uns doch auch unterhalten, wenn wir langsam gingen!“

      Sie blieb stehen, und zum erstenmal gewahrte Wessley in ihrem Gesicht die Andeutung eines Lächelns.

      „Na, also!“ stellte er befriedigt fest. „Jetzt lachen wir endlich mal! Wird schon alles noch gut werden, mein Kind! Wozu die Aufregung? Nun passen Sie gut auf: Ich rufe jetzt einen Wagen und bringe Sie nach Hause. Sie schlafen sich erst mal gründlich aus, und morgen früh besuche ich Sie, und wir besprechen das alles — die Geschichte mit Maising und warum Sie sonst traurig sein mögen ... Kurz: alles, alles ... Und bis dahin — Kopf hoch! Ja? Einverstanden?“

      „Ja“, sagte sie und sah dankbar und vertrauend zu ihm auf. „Nur ...“

      „Nun, nur?“

      „Ich möchte allein nach Hause gehen und will lieber morgen früh zu Ihnen kommen ...“

      „Aber das ist doch Unsinn. Mit einem Wagen sind Sie rasch und sicher daheim ...“

      „Nein, nein, bitte nicht.“

      Er zuckte die Achseln.

      „Nun, wie Sie wünschen. Ich will Sie nicht belästigen. Aber für alle Fälle müssen Sie mir Ihre Adresse nennen, damit ich weiß, wo Sie zu finden sind, falls Sie wider Erwarten morgen nicht zu mir kommen.“

      „Ach, nein“, wehrte sie ab. „Das ist nicht nötig. Ich werde bestimmt kommen, ganz bestimmt.“

      „Aber trotzdem können Sie mir Ihre Adresse nennen“, beharrte er.

      „Ich möchte es lieber nicht tun“, sagte sie leise und senkte den Kopf.

      Jetzt war Wessley ernstlich erzürnt.

      „Ich