Achtung! Totes Gleis. Arno Alexander

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Название Achtung! Totes Gleis
Автор произведения Arno Alexander
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711626030



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hat, entzieht sich meiner Kenntnis.“

      „Ist auch gar nicht nötig“, widersprach Allan. „Der Blick genügt uns doch vollkommen. Also geben Sie der jungen Dame noch heute den Auftrag. Wie sie Wessley kennenlernt, ist ihre Sache. Aber es muß schnell geschehen, sehr schnell.“

      „Auf Ihre Veranwortung, Mr. Allan.“

      „Nebenbei bemerkt — haben Sie etwas über XYZ erfahren?“

      „Nichts, Mr. Allan.“

      „Ein bißchen wenig, Mr. Perkins“, bemerkte Allan höhnisch. „XYZ raubt einen ganzen Eisenbahnzug aus, es vergehen zwei volle Wochen, und wir haben erfahren — nichts! Großartige Arbeitsleistung.“

      „Aber die Polizei hat bis heute ebenfalls nichts erfahren.“

      „Die Polizei?“ Allan lachte auf. „Die Polizei wüßte heute bestimmt mehr als wir, wenn sie sich nicht in die hübsche, aber irrige Ansicht verbohren würde, wir hätten diesen Eisenbahnzug ausgeraubt. Ausgerechnet wir! Und dabei hatten wir doch nur die Absicht, und XYZ tat es! Er muß entdeckt werden, verstanden? Der Mann muß seine Tat büßen. Wir lassen uns nicht ins Handwerk pfuschen, das sage ich Ihnen ein für allemal ...!“

      Mr. Allan hatte sich richtig in Wut gesprochen. Perkins kannte das; seit zwei Wochen war es immer dasselbe, und doch konnte er nichts daran ändern. Es gab irgendwo in den Staaten einen Mann, den man hier XYZ getauft hatte, der ihnen ein Geschäft nach dem anderen verdarb; aber wo dieser Mann war und wie er in Wahrheit hieß, das hatte man bis jetzt vergeblich zu ergründen versucht.

      Die Klingel des Fernsprechers gab ein schwaches Zeichen, und Perkins kam diese Ablenkung sehr gelegen.

      „Hier Perkins“, rief er in die Sprechmuschel, und dann horchte er aufmerksam, wobei er sich auf einem Blatt Papier Vermerke machte.

      „Die neueste Meldung über unseren Freund Wessley“, sagte er, nachdem er den Hörer wieder eingehängt hatte.

      „Nun?“

      „Er hat sich gestern abend, nachdem er die Wohnung des Professors verließ, einen Hund gekauft.“

      Allan starrte den Sprecher ratlos an.

      „Einen Hund —?“

      „Einen Schäferhund“, ergänzte Perkins ruhig. „Er bezahlte dafür vierzig Dollar und blieb noch dreißig schuldig.“

      „Einen Hund —?“ wiederholte Allan nachdenklich.

      „Ja, es ist ein ehemaliger Polizeihund, der gewissermaßen aus dem Dienst entlassen wurde, weil er drei Schutzleute hintereinander gebissen hatte.“

      „Und den hat Wessley gekauft?“ murmelte Allan verwundert. „Na, wohl bekomm’s.“

      4

      Der Bankbeamte John Flatter hatte im Gespräch seinem Freunde, dem Hotelkellner Friedrichsen, erzählt, daß am dreißigsten September mit dem Abend-Postzug für hunderttausend Dollar teils Bargeld, teils Wertpapiere nach Kansas geschickt würden. John Flatter hatte für diese Nachricht keinen Cent bezahlt bekommen, wohl aber dafür seinen Posten eingebüßt. Der Hotelkellner Friedrichsen gab die Nachricht seinem Bekannten, dem ehemaligen Taxilenker Merkulow weiter, erhielt dafür zehn Dollar und verlor demzufolge wenige Tage später ebenfalls seinen Posten. Merkulow, ein der Polizei durch mannigfaltige Vorstrafen bereits wohlbekannter Mann, verkaufte sein Wissen über die große Geldsendung für hundertzwanzig Dollar an den gewesenen Anwalt Sherbourgh, der nachher vor Gericht äußerte, Merkulow habe die Nachricht eigentlich „verschleudert“, und man müsse ihm, Sherbourgh, daher mildernde Umstände zubilligen, denn er hätte der Versuchung nicht widerstehen können.

      Es war bekannt, daß Sherbourgh Beziehungen zu allem lichtscheuen Gesindel New Yorks unterhielt. Er vermittelte alles — angefangen mit Wohnungen in allen Vierteln New Yorks und Stellungen mit und ohne Sicherheitsleistung bis einschließlich Gelegenheiten zu Einbrüchen, Raubmorden und — Eisenbahnüberfällen. Diese letzte Art Vermittlung kam ihm trotz dem Geschick seines Anwalts am teuersten zu stehen — er wurde später dafür zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht nahm mit Recht an, daß er im Gegensatz zu Flatter, Friedrichsen und Merkulow genau gewußt habe, zu welchem Zwecke er die Nachricht erst bezahlte und dann weiterverkaufte.

      Sehr zum Leidwesen der Polizeigewaltigen gelang es nicht, den Weg, den die Nachricht über die Geldsendung genommen hatte, weiter zu verfolgen.

      Sherbourgh hatte angegeben, sie „gesprächsweise“ einem Fremden gegenüber erwähnt zu haben. Der Fremde habe ihm dafür ein Päckchen Dollarscheine eingehändigt, das Sherbourgh vergessen habe nachzuzählen. Er beschrieb den Fremden sehr genau, aber — wie der Untersuchungsrichter bemerkte — paßte diese Beschreibung auf die halbe männliche Bevölkerung New Yorks.

      „Der Mann mit dem schwarzen Hut“ — so nannte Sherbourgh den Fremden, und alles sprach dafür, daß Sherbourgh ihn wirklich nicht kannte, denn er hätte sonst kaum den verschiedenen Vorschlägen widerstanden, die ihm in verblümter Weise von der Polizei gemacht wurden und alle auf eine wesentlich verkürzte Zeitdauer seines Aufenthalts im Zuchthaus hinausliefen. Diesen „Mann mit dem schwarzen Hut“ gelang es der Polizei nicht zu finden, obwohl sie von ihm Abdrücke sämtlicher Finger und eine genaue Lebensbeschreibung besaß, und obwohl er sich keinesfalls vor der Polizei versteckte. Die Erklärung für diesen etwas eigentümlich anmutenden Umstand war sehr einfach: Die Polizei besaß zu viel Fingerabdrücke und Lebensbeschreibungen von Männern, die außerhalb des Zuchthauses gewöhnlich einen schwarzen Hut trugen.

      Jim Crocks, der Mann mit dem schwarzen Hut, lehnte heute genau wie gestern und vor zwei Wochen gegen neun Uhr abends nachlässig am Schanktisch in der Bar. „Die schiefe Ecke“, hatte immer noch den schwarzen Hut auf und trank wie stets aus Ermangelung eines Besseren Himbeerlimonade. Eine dicke Zigarre zwischen den Lippen, stierte er vor sich hin auf die flinken Hände des Barfräuleins, das vor seinen Augen mit großer Geschwindigkeit die verschiedensten Getränke für eilige und müßige Gäste bereitete.

      „Fräulein, der Mann hat um fünfzig Cent zu wenig bezahlt“, sagte Jim Crocks gemächlich. Dabei hatte er den Mann auch schon am Kragen festbekommen und ließ ihn erst los, nachdem ein blankes Fünfzigcentstück auf den Tisch fiel. Im übrigen waren Jim Crocks sowohl dieser Mann als das hübsche Fräulein furchtbar gleichgültig. Wenn er sich um diese Kleinigkeit kümmerte, geschah es nur aus Langeweile und einem angeborenen Gerechtigkeitsempfinden. Dieses Empfinden erstreckte sich aber keinesfalls auch auf Raubüberfälle bei Eisenbahnzügen und ähnliche „große Sachen“.

      Nein, Jim Crocks kümmerte sich nicht um das hübsche Barfräulein, denn Jim Crocks hatte seit drei Monaten ein festes Verhältnis. Er war überzeugt, daß er sein Mädchen lieb hatte, und sie liebte ihn ganz bestimmt ebenso tief. Es war eine ruhige, anständige Liebe — nicht eine von der Art, die einem das Essen verleidete und den Geschäftsgang beeinträchtigte.

      Ein Mann, klein und schmächtig, mit spärlichem, schwarzem Bärtchen, drängte sich an die Bar heran. Er begrüßte niemanden, und auch ihn grüßte niemand, obwohl ihn fast alle kannten, die hier verkehrten. Dieses Männchen lebte vom Zutragen nicht ganz ungefährlicher Nachrichten. Man nannte ihn Spitzel, da es ihm nicht darauf ankam, mal auch eine Nachricht der Polizei zuzutragen. Man verachtete ihn, aber hin und wieder brauchte man ihn auch. Hatte er einmal aufs neue der Polizei Nachrichten zugetragen, so wurde er in irgendeiner stillen Seitenstraße ruhig und ohne Aufhebens von mehreren Männern so lange geprügelt, bis ihm nach Ansicht der Strafvollzieher für absehbare Zeit die Lust verging, seine Beziehungen zur Polizei weiter auszubauen.

      „Nun?“ fragte Crocks rauh, ohne von seinem Glas aufzublicken.

      „Er wird kommen“, raunte das Männchen heiser.

      Crocks fischte einen schmierigen Dollarschein aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch.

      „Aber Sie sagten doch, ich bekäme zehn ... zehn schöne Dollar“, wandte der schmächtige Mann schüchtern ein.

      „Er ist noch nicht gekommen“, schnitt Crocks