Herzrasen 2.0. Elmar Sprink

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Название Herzrasen 2.0
Автор произведения Elmar Sprink
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783667112002



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andere suchten hier die Chance, sich für die Weltmeisterschaft auf Hawaii zu qualifizieren. Mein Ziel war es, zu finishen, im Idealfall unter zwölf Stunden. Ich hatte mir vorgenommen, um die 1:15 Stunden zu schwimmen, sechs Stunden Rad zu fahren und dann noch 4:30 Stunden zu laufen. Der Wecker klingelte früh, geschlafen hatte ich vor Aufregung so gut wie gar nicht. Das Frühstück fiel auch eher klein aus. Ich war zu nervös und brachte keinen Bissen runter.

      Wir fuhren zum Langener Waldsee, ich begab mich in die Wechselzone und traf letzte Vorbereitungen. Dann zog ich meinen Neoprenanzug an und ging mit zwei Freunden vom ASV runter zum See. Für uns drei war es der erste Ironman, und wir waren alle keine guten Schwimmer. Also harrten wir, solange es ging, am Ufer aus. Zuerst ertönte die Nationalhymne und kurz danach der Startschuss. Wir machten uns keine Hektik und starteten nicht im Pulk. Nach 1:15 Stunden kam ich dann auch aus dem Wasser. Vom See aus führt die Strecke noch einen kleinen Berg hinauf, bevor es zum Wechsel aufs Rad geht. Ich versuchte, mich zu Beginn nicht von den anderen Athleten anstecken zu lassen, fuhr eisern mein Tempo und aß (oder versuchte es zumindest) jede Stunde einen Energieriegel. Nach gut zweieinhalb Stunden überholte mich dann Thomas, einer der beiden Freunde vom ASV. Ich fragte ihn, ob das Tempo nicht zu hoch sei. Wir beschlossen, auf dem Rad zusammenzubleiben, hielten uns jedoch strikt an die Regeln und immer zehn Meter Abstand voneinander. Wir hatten zu viel Angst davor, eine Zeitstrafe zu bekommen.

      Bei einem solchen Event hält kein Athlet auf der Radstrecke an, um zu pinkeln. Wir allerdings schon, sogar ganze zwei Mal. Auch wenn der andere gar nicht musste, stoppte der ebenfalls und hielt das Rad fest. Nach 5:53 Stunden waren wir schließlich in der zweiten Wechselzone am Main angekommen und zogen uns die Laufschuhe an. Thomas musste noch aufs Dixi-Klo und ich wartete artig. Eine Helferin am Verpflegungsstand schaute mich etwas eigenartig an und fragte, warum ich nicht loslaufen würde, ich sähe doch noch super aus.

      Thomas und ich liefen dann wirklich, sozusagen fast Hand in Hand, den ganzen Marathon. Ein Teamkollege, der uns bei jeder Laufrunde entgegenkam, scherzte, ob er uns die Eheringe bringen solle. Außerdem sollten wir nicht die ganze Zeit quatschen, dies sei ein Ironman. Doch es war ein super Gefühl, jemanden an seiner Seite zu haben, und wenn es bei dem einen Mal zwickte, beruhigte der andere ihn wieder. Wir benötigten 4:05 Stunden für den Marathon und liefen zusammen nach 11:27 Stunden am Römer überglücklich ins Ziel. Karin hatte extra ein T-Shirt drucken lassen, auf dem mein Konterfei abgebildet war, und wartete bereits am Finish, um mich ausgelassen zu umarmen. Hey, Thomas und ich waren Eisenmänner. Wir amüsierten uns noch darüber, dass nicht jeder von uns die (sehr teuren) Fotos vom Rennen kaufen musste, denn wir waren ja auf allen Fotos immer beide zu sehen. Meine Freunde Simon und Christoph waren fast eineinhalb Stunden schneller im Ziel, hatten aber auch so ihre Probleme an diesem Tag gehabt. Es war ein aufregender Tag gewesen, und alle Beteiligten hatten eine Menge zu erzählen. Ich sagte zu mir selbst: Das war ein tolles Erlebnis, aber das muss ich echt nicht noch mal haben! Doch aus dem Ausrufezeichen wurde schon zwei Stunden nach dem Rennen ein Fragezeichen, und am nächsten Tag überlegte ich bereits, wo ich im nächsten Jahr teilnehmen könnte.

      Knapp einen Monat später startete ich dann das erste Mal für den ASV Köln Triathlon in unserer Ligamannschaft auf der Kurzdistanz in Rheine. Mit dem Hochgefühl des Ironman im Gepäck, belegte ich mit 2:10 Stunden den 19. Platz von 80 Startern, als Mannschaft fuhren wir den zweiten Platz ein. Zwei Wochen später gingen wir in gleicher Besetzung noch einmal in Leverkusen an den Start und belegten wieder Platz 2 mit der Mannschaft – damit waren wir aufgestiegen! Natürlich wurde später auch ausgiebig gefeiert. Das hatte schon etwas mehr von der Gemeinschaft, wie ich es vom Fußball her kannte, weshalb ich von dem Zeitpunkt an unwahrscheinlich gerne bei den Rennen der Ligamannschaft teilnahm.

      Wie es in (Ausdauer-)Sportlerkreisen so üblich ist, beendet man sein Sportjahr mit einem Silvesterlauf. Ich hatte mich für den Lauf von Werl nach Soest entschieden. Da Karin und ich Weihnachten sowieso in Salzkotten verbrachten und den Jahreswechsel mit Freunden in Köln feiern wollten, lagen Werl und Soest auf dem Weg. Mein Kumpel Gert kam aus Köln mit dem Zug, und wir nahmen ihn nach dem Lauf wieder mit nach Köln. Mit ihm und seiner Freundin Nicole ließen wir dann auch das Jahr feuchtfröhlich ausklingen.

      2006 planten Gert, Christoph und Stefan (ein sehr guter Freund aus Köln, der mich später in Bad Oeynhausen am Tag der Entlassung aus der Herzklinik abholte) und ich den Ironman in Nizza. Wie sich später noch herausstellen sollte, blieb es nicht der einzige Ironman in diesem Jahr. Dazu später aber noch mehr.

      Ich entschied mich aus Budgetgründen für ein Trainingslager zu Hause. Gert machte es jedes Jahr so, und seine Ergebnisse waren immer fantastisch, auch ohne spezielle Vorbereitung in der Sonne. Im März hatten wir beide eine Woche gemeinsam Urlaub genommen und trainierten in Köln und bei meinen Eltern in Salzkotten. Als Schwerpunkt fuhren wir Rad, und von Sonne über Regen bis hin zu etwas Schnee war alles dabei.

      Meine Saison startete zu Hause in Paderborn mit dem Osterlauf, bei dem ich meine Halbmarathonzeit auf 1:23 Stunden verbessern konnte. Das Trainingslager schien gefruchtet zu haben. In diesem Jahr hatte ich sogar meine Schwester angesteckt, die sich auf die zehn Kilometer wagte. Ihr erster offizieller Lauf! Das weitere Training in diesem Jahr verlief sehr gut, und Mitte Juni flogen wir dann nach Nizza.

      Nachdem wir das Hotel bezogen hatten und die Räder aufgebaut waren, nutzten Gert und ich noch die verbleibende Zeit und fuhren einen Teil der Radstrecke ab. Dass die Radstrecke ein paar Höhenmeter hatte, war allgemein bekannt, was jedoch nach den ersten 25 Kilometern auf die Teilnehmer wartete, war schon ein Schock. Gut, dass ich mit Gert nur eine kurze Runde gedreht habe, denn ansonsten wäre ich wohl erst gar nicht mehr gestartet.

      Das Procedere vor dem Rennen ähnelte Frankfurt und sollte sich auch bei den weiteren Rennen nahezu gleich abspielen: zwei Tage vorher Kohlehydratspeicher füllen, Wechselbeutel packen, Rad einchecken und so weiter sowie die letzte Nacht meistens nicht gut schlafen. Meine Eltern und meine Schwester waren zu meiner Freude auch nach Nizza geflogen, um mich anzufeuern. In Nizza sollte ich das erste Mal bei einem Ironman auch im offenen Meer schwimmen. Der Start erfolgte am Strand. Ich hatte mich als schlechterer Schwimmer auch wieder eher hinten eingereiht, daher lief für mich alles sehr gut. Nach einer Weile spürte ich jedoch etwas Heißes an meinem Fuß, als würde sich jemand mit einem Feuerzeug daran zu schaffen machen. Feuerquallen! Ich hatte noch Glück und war mit dem Fuß mehr als gut bedient, andere Athleten hatte es im Gesicht erwischt. Als ich das Wasser verließ, zeigte meine Uhr 1:03 Stunden an. 1:03 Stunden? Wow, dachte ich, super Schwimmzeit. Ich duschte mich anschließend mit Süßwasser ab. Als ich in der Wechselzone an meinem Rad stand und mir Karin zurief, dass Gert, Christoph und Stefan schon alle weg seien, sah ich mich kurz um. Für 1:03 Stunden standen hier doch noch recht wenig Fahrräder, doch ich ließ mich nicht beirren und fuhr los. Am ersten Verpflegungsstand gab es leider kein Wasser, da dieser Stand noch gar nicht richtig aufgebaut war. Schlecht! Aber ich versuchte, nicht nervös zu werden. Nach 20 Kilometern ging es dann in den nicht mehr endenden Anstieg. Irgendwann hatte ich Stefan eingeholt, dessen Kopf unter seinem Zeitfahrhelm feuerrot leuchtete. Er hatte sich das hier wohl auch alles ganz anders vorgestellt. Gert kam mir an einer Stelle in den Bergen entgegen, an der eine Schleife zu fahren war. Als wir in die Abfahrt gingen, setzte plötzlich ein Gewitter ein, und die Straßen wurden extrem rutschig. Es war wirklich gefährlich und ich am Ende froh, auf diesem Abschnitt ohne Sturz davongekommen zu sein. Christoph war so schnell gefahren, dass ihn der Regen erst auf den letzten 20 Kilometern überraschte, die wiederum flach Richtung Küste verliefen. Nach 6:02 Stunden hatte ich den Radpart hinter mich gebracht, saß nun völlig ausgepumpt im Wechselzelt und fragte mich ernsthaft, wie ich jetzt noch einen kompletten Marathon laufen sollte. Nicht lange überlegen, dachte ich mir – einfach anfangen. Die Strecke in Nizza ist allerdings extrem nervig, man muss dort insgesamt viermal fünf Kilometer zum Flughafen und zurück laufen. Hinzu kam, dass es in Nizza kaum jemanden interessierte, dass da über 2.000 Menschen an der Strandpromenade hin- und herliefen. An Schatten war auch nicht zu denken. Das war hier mal ganz anders, als ich es vor einem Jahr beim Ironman Germany am Main erlebt hatte, wo die Sportler von Tausenden Zuschauern ja förmlich Runde für Runde und Kilometer für Kilometer über die Strecke getrieben wurden. Hier hingegen war meine einzige freudige Ablenkung, wenn mir Gert, Christoph oder Stefan entgegenkamen oder ich wieder den Start der Laufrunde passierte und dort meine Familie, Karin und Freunde sah. Die ersten zwei Runden gestalteten sich