Falling Skye (Bd. 1). Lina Frisch

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Название Falling Skye (Bd. 1)
Автор произведения Lina Frisch
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636410



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uns nach Hause fahren.«

      Ich folge ihm zu unserem Gleis, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ein flaues Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Seit der Gründung der Gläsernen Nationen vor fünf Jahren habe ich mich in New York noch nie unsicher gefühlt. Ich frage mich, ob Yana Faray das Gleiche behaupten kann.

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      Es klopft an der Tür und ich springe auf. Endlich!

      »Sorry. Ich konnte nicht direkt herkommen, die Ordnungswahrer haben mich angehalten, und ich musste erst meinen Bruder im Krankenhaus besuchen, um keinen Verdacht zu erregen. Ich hasse sie, sie alle mit ihrer herablassenden Art!«

      Ich ziehe Yana in das kleine Hotelzimmer, bevor sie weiter den ganzen Flur unterhalten kann. Mit einem raschen Blick vergewissere ich mich, dass uns niemand beobachtet hat, obwohl ich mir diese Mühe in einer Absteige wie dem Maddie wahrscheinlich sparen könnte. Hier hört jeder nur das, was er hören soll.

      Yana lässt sich erschöpft auf die Pritsche fallen und befreit ihr Haar aus dem strengen Dutt, den sie sich gemacht hat, um in New York City nicht noch mehr aufzufallen, als sie es sowieso schon tut. »Ich meine es ernst. Diese Art von Aufträgen bringt mich eines Tages noch um!«

      Stumm nehme ich ihr das Smartphone ab, das wir für solche Einsätze benutzen. Ich betrachte die erfolgreich kopierte ID, bevor ich meine Partnerin mustere. Die dunklen Schatten unter ihren Augen erzählen eine andere Geschichte als ihr lockeres Lächeln. Wut steigt in mir auf. Es war ein Anfängerfehler, den Ordnungswahrer in der U-Bahn zu übersehen, aber daran trägt Yana keine Schuld. »Beth hätte dich so kurz nach dem Vorfall in Arizona nicht wieder einsetzen dürfen, erst recht nicht für einen so gefährlichen Auftrag wie diesen hier«, sage ich.

      »Entspann dich.« Yana steht vom Bett auf und kniet sich vor die Minibar. »Der Ordnungswahrer hat mich garantiert schon längst vergessen. Für ihn bin ich nichts weiter als der lebende Beweis dafür, dass Emotionale nicht alle Tassen im Schrank haben.« Sie nimmt sich eine Flasche Bier aus dem winzigen Kühlschrank und öffnet sie gekonnt mit einem Schlüssel. Ihre Fassade ist taff, aber ich habe schon zu oft Angst in den Augen von Menschen gesehen, um sie nicht zu erkennen, wenn sie mir ins Gesicht starrt. Da kann Yana so viele Sprüche klopfen, wie sie will, immerhin habe ich dieses Spiel quasi erfunden.

      »Und du bist sicher, dass das Mädchen nichts bemerkt hat?«

      »Wenigstens das ist nach Plan gelaufen«, erwidert Yana. »Du solltest allerdings wissen, dass ich nicht die Einzige war, die in ihren Daten rumgeschnüffelt hat. Anscheinend wurden ein paar Fotos kopiert, alle von ihr mit einem dunkelhaarigen Jungen. Ganz süß, wenn du mich fragst.«

      Ich verbinde das Smartphone mit meinem Laptop, ohne auf ihren Kommentar einzugehen.

      »Man merkt es ihnen an, wenn sie noch nie Grund dazu hatten, anderen Leuten zu misstrauen«, redet Yana weiter. »Du wirst es diesmal leicht haben. Na ja, nicht dass du dich ansonsten schwertun würdest.« Sie grinst.

      Ich betrachte das Foto des blassen Mädchens mit den beinahe unnatürlich blauen Augen. Es sind exakt diese Augen, in denen ich zum allerersten Mal in meinem Leben gesehen habe, was Angst bedeutet.

      »Sie ist es doch, oder?«, fragt Yana verunsichert.

      Ich reiße meinen Blick los und versuche, die Erinnerung an Skyes schneeweiße Wangen und den Knall der Pistole aus meinen Gedanken zu verdrängen.

      »Ja, sie ist es.«

      »Und für die lässt Beth dich also ins offene Messer laufen?«, sinniert Yana vor sich hin. »Ehrlich, sie wird in letzter Zeit immer seltsamer. Wenn sie das Mädchen unbedingt haben will, warum bringen wir sie nicht direkt zu ihr?«

      »Wenn dir nicht mehr erzählt wurde, weißt du alles, was du wissen sollst«, antworte ich schroff.

      Du hast es versprochen! Und du bist es mir schuldig. Den letzten Satz hat Beth nie gesagt, aber seine Botschaft klingt aus jedem Wort heraus, das sie zu mir spricht. Als würde ich das nicht selbst wissen.

      Nur noch dieser eine letzte Auftrag, sage ich zu mir selbst und starre hasserfüllt auf das Kristallsymbol neben Skyes Identifikation. Dann bin ich endlich frei, mein Leben für die eine Sache zu riskieren, für die es sich zu sterben lohnt.

      »Bist du nervös?« Yanas Hand liegt auf meiner Schulter, aber ich bemerke es kaum.

      »Nein.« Ich klappe den Computer zu, nachdem ich alle Informationen überflogen habe, und strecke mich. »Du berichtest den anderen, wie weit wir gekommen sind. Sag Beth, sie soll auf keinen Fall versuchen, mich zu erreichen. Und besteh zur Hölle noch mal darauf, dass sie dir eine Pause gönnt!«

      »Was passiert als Nächstes?«

      »Bis morgen früh nichts.«

      Zumindest für Yana. Ich hingegen muss bis morgen für den diskreten Ausfall eines Testleiters gesorgt haben, aber das kann ich ihr genauso wenig auf die Nase binden wie den Grund dafür, dass Skye Anderson eine Rationale werden muss, koste es, was es wolle. Im Zweifelsfall auch mich.

      Ich überlege kurz, ob ich mir ein paar Minuten Schlaf gönne und vielleicht eine Dusche, obwohl das im Badezimmer des Maddie wirklich ein Akt der Verrücktheit wäre. Doch ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass keins von beidem drin ist.

      Yanas Lippen nähern sich meinem Ohr. »Das heißt, ich kann heute Nacht hierbleiben?«

      Ich stehe auf und stecke den Laptop in meine Tasche. »Was auch immer du willst.« Ich werfe ihr den Zimmerschlüssel zu. »Aber bleib im Hotel, das hier ist nicht gerade eine sichere Gegend.«

      »Das erklärt, warum du hier bist.«

      Ich ignoriere sie standhaft, während ich mir die Schuhe zubinde. Yanas Gesichtsausdruck wirkt verletzt, und es tut mir leid, dass ich der Grund dafür bin. Sie kennt meinen Ruf, nicht gerade wählerisch zu sein, aber ich habe mir geschworen, damit aufzuhören. Es ist die Leere nicht wert, die unweigerlich folgen würde. Und außerdem ist Yana für mich wie eine Schwester.

      An der Tür drehe ich mich ein letztes Mal um. »Pass auf dich auf.« Es ist die einzige Freundlichkeit, zu der ich fähig bin.

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      Zu Hause angekommen, stecke ich mein Smartphone in die Ladestation an der Wand im Flur. Der Bildschirm des Synchrons blinkt kurz bestätigend auf. Er wird meinem Vater später verraten, dass ich nicht den Bus genommen habe, und ich bereite mich innerlich auf eine Predigt vor. Dad hält die U-Bahn für gefährlich, so wie er alles für gefährlich hält, was nicht die Serenity oder Upperlake ist.

      In der Küche steht das braune eatdaily-Paket noch auf der Anrichte. Ich öffne es und bin gerade dabei, Brot und Müslipackungen in die Schränke zu sortieren, als die vertraute Stimme meines Vaters durch das offene Küchenfenster hereinweht. Er klingt beunruhigt, aber bevor ich erfahren kann, worum es geht, beendet er sein Telefonat mit einer knappen Verabschiedung und schließt die Haustür auf. Ich höre das harte Geräusch seiner Anzugschuhe auf den Fliesen im Flur, wo er seinen Mantel aufhängt und sein Smartphone neben meins in die Ladestation steckt. Wie immer wirft Dad zuerst einen Blick auf den Synchron, der unsere Smartphones miteinander verbindet. Einzig und allein meine Chatverläufe und Fotos bleiben geheim, und ich überprüfe regelmäßig, ob mein Vater diese Einstellung auch nicht geändert hat.

      »Pasta oder Curry?«, frage ich und halte beide Behälter hoch, in der Hoffnung, so von meinem nachmittäglichen Ausflug in die Innenstadt abzulenken.

      Ich betrachte meinen Vater mit seinen ordentlich zurückgekämmten, grau melierten Haaren. Manchmal nervt mich sein Kontrollwahn, aber ich kann ihn verstehen. Er will sichergehen, dass er nicht auch noch mich verliert.

      »Dad?«

      Er löst seinen Blick vom Synchron. Für einen Moment sehe ich Sorge in seinen Augen aufblitzen und etwas, das ich gestern schon in Coach Verses Blick bemerkt habe. Aber wovor sollte Dad Angst haben?