Falling Skye (Bd. 1). Lina Frisch

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Название Falling Skye (Bd. 1)
Автор произведения Lina Frisch
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636410



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Zopf und seufze. Welche Geschichte Jasmine den anderen wohl erzählt hat, um sie gegen mich aufzubringen? Was es auch ist, es hat sie überzeugt. Eigentlich sollte mich das nicht wundern, denn Jasmine war schon immer eine Meisterin im Gerüchteverbreiten. Elias und ich passieren die vier hohen Türme der Administration, wo alle Arten von Anträgen bearbeitet und die Einsätze der Ordnungswahrer koordiniert werden. Schweigend mischen wir uns unter die Menschen, die auf dem Weg nach Hause die gefegten Bürgersteige entlangeilen. Eine Frau in Jeans drängt sich an uns vorbei, und ich weiche auf die Straße aus, auf der sich gefühlt gestern noch hupende Taxis gestaut haben und die heute nur noch von den wenigen Autos befahren wird, die in diesem Monat eine Nutzungserlaubnis bekommen haben.

      Hinter dem Bürokomplex taucht das Spiegelkarree auf, trotz seines neuen Namens noch immer das unangefochtene Herz der Stadt. Auf den fassadenhohen Monitoren, die sich so nahtlos über die Häuserwände ziehen, als hätte man sie wie Wasser darübergegossen, wetteifern Aktienkurse, Wetterberichte und die neuesten Bekanntgebungen des Parlaments um die Aufmerksamkeit der Passanten. Wir werden langsamer, als immer mehr Leute um uns herum stehen bleiben.

      Auf dem größten Bildschirm, der sich über drei Häuserfronten erstreckt, flimmert die Videoaufnahme einer schlanken jungen Frau, die vor der Flagge der Gläsernen Nationen lächelnd die Hand eines gut aussehenden Mannes schüttelt.

       Chloe Cremonte und Norman Adams besiegeln Kanadas Eintritt in den Staatenbund der Gläsernen Nationen.

      Die Bildunterschrift zieht geräuschlos vorbei, doch die Stimmen um uns herum verkünden die Worte lauter als jeder Nachrichtensprecher. Applaus brandet auf.

      »… sind wir stolz darauf, was wir in diesen wenigen Jahren erreicht haben.« Chloe Cremontes Ansprache wird nun live übertragen.

      Elias hat schützend seinen Arm um mich gelegt, während die Menge uns immer weiter an den Rand des Spiegelkarrees drängt. Über die Köpfe der Menschen hinweg sehe ich Bilder von goldgelben Weizenfeldern, sauberen Vorstädten und lächelnden Kindern im Grünen.

      »In den Gläsernen Nationen lernen wir, in perfekter Symbiose zu leben. Unsere Traits helfen, die Stärken und Schwächen jedes Bürgers zu klären und das volle Potenzial einer Gemeinschaft auszunutzen, in der niemand mehr Einzelkämpfer sein muss.« In Chloe Cremontes Stimme schwingt trotz ihres jungen Alters von gerade einmal 28 Jahren eine Autorität mit, die in jedem Zuhörer den Wunsch weckt, sie nicht zu enttäuschen. »87 Prozent unserer Bevölkerung sind bereits kristallisiert, eine Rate, die mit der seit vier Jahren verbindlichen Testung unserer Jugendlichen steigt. Schon jetzt ernten wir die Früchte unserer Bemühungen: sinkende Kriminalitätsraten, weniger Arbeitslosigkeit und ein stärkeres Miteinander. Es ist ein großes Kompliment, nun auch unseren Nachbarn Kanada zu den Gläsernen Nationen zählen zu dürfen!« Der Kristall, wie Chloe Cremonte genannt wird, macht eine kurze Pause, um Norman Adams ein zweites Mal die Hand zu schütteln. »Die Arbeit der Kristallisierung ist noch lange nicht zu Ende, und wir freuen uns auf die Veränderungen, die die Zukunft bringen wird!« Die Kamera zoomt auf ihr Gesicht, das von ihrem kinnlangen Haar umrahmt wird. »Für Klarheit und Weitsicht«, schließt der Kristall in feierlichem Ton und nickt uns strahlend zu.

      Ich lächle automatisch zurück und auch Elias’ Gesicht leuchtet.

      »Das ist es also, was Dads Abteilung in letzter Zeit so beschäftigt hat«, sprudelt es auf den Treppen zum U-Bahn-Schacht aus mir heraus. »Kanada!«

      »Meinst du, er hatte etwas mit dem Beitritt zu tun?«, fragt Elias, neugierig wie immer, wenn es um das Parlamentarieramt meines Vaters geht.

      »Möglich ist es.«

      Wir gelangen zu den Terminals, ohne anstehen zu müssen, und Elias scannt sein Smartphone. Er verschwindet hinter der Absperrung, während ich mit fahrigen Fingern in meiner Jackentasche herumkrame. In meiner leeren Jackentasche.

      »Elias?«

      Doch über dem Stimmengewirr im U-Bahn-Schacht hört er mich nicht. Verzweiflung steigt in mir auf, während die Schlange der Wartenden hinter mir immer länger wird. Ich durchsuche meine Tasche, aber mein Handy ist nirgendwo zu finden. Das kann doch nicht wahr sein, nicht schon wieder!

      »Ist das hier vielleicht deins?« Ein Mädchen an dem Terminal neben mir hält mir fragend ein schwarzes Smartphone hin. Sie ist älter als ich und sicher keine Studentin, aber ich glaube auch nicht, dass sie in einem der Büros in den Türmen der Administration arbeitet. Ihre dunklen Haare haben sich aus dem unordentlichen Knoten gelöst und auch sonst wirkt ihre Erscheinung zwischen den akkurat geknöpften Hemden und faltenfreien Mänteln um uns herum eigentümlich deplatziert. Ich nicke erleichtert und will mich gerade bedanken, da verschwindet das Lächeln des Mädchens. Ich bemerke, wie ihr Körper sich anspannt. Misstrauisch fahre ich herum und entdecke einen glatzköpfigen Mann, der sich durch die Menge der Fahrgäste auf uns zubewegt. Einen Moment lang scheint es, als hätte er es auf mich abgesehen, doch dann streckt er den Arm nach dem Mädchen aus, das mir hastig mein Smartphone zusteckt und mir bedeutet, durch die Absperrung zu verschwinden.

      »Wer sind Sie?«, wende ich mich jedoch empört an den Glatzkopf, der den Arm des Mädchens festhält, als wäre es eine Verbrecherin.

      Er mustert mich und hält mir dann, als wäre das eine völlig überflüssige Frage, seine Identifikation entgegen, die ihn als Ordnungswahrer ausweist. Hat er geglaubt, ich sei bestohlen worden? Aber selbst dann ergibt sein Einschreiten wenig Sinn, denn Ordnungswahrer sind keine Polizisten. Und normalerweise sind sie freundlich. »Routinemäßige Ausweiskontrolle«, sagt er und überfliegt die Identifikation auf meinem Smartphone, ohne meine Retterin loszulassen.

      Der Ärmel ihres groben Wollmantels ist hochgerutscht, und mein Blick flackert zu dem weißen E auf ihrem rechten Handgelenk, das ich im ersten Moment für eine schlecht verheilte Narbe gehalten habe. Die Nadelstiche sind nicht annähernd so fein, wie ich es von den Traitmarks aus der Werbung gewöhnt bin. Und da ist es wieder, dieses lähmende Gefühl, das mich durchströmt hat, kurz bevor ich gestern auf den Boden des Stadions geknallt bin. Das Gefühl, etwas nicht aufhalten zu können, obwohl ich es kommen sehe.

      Ich weiß, dass ich von hier verschwinden sollte, aber meine Füße bleiben stehen.

      »Kannst du dich ausweisen?«, wendet sich der Ordnungswahrer an die Emotionale und betont dabei jede Silbe, als spräche er mit einem Kleinkind.

      Mittlerweile hat sich ein Knäuel von Menschen vor den Terminals gebildet und unwilliges Gemurmel wird laut. Die junge Frau, die ihre Haltung wiedergewonnen hat, fährt mit ihrer freien Hand in die Tasche ihres Mantels, dann reicht sie dem Mann ein zerknittertes Stück Papier.

      »Bitte, ich muss mich beeilen, ich bin auf dem Weg zu meinem Bruder. Er liegt im Krankenhaus.«

      »Immer mit der Ruhe.« Der Ordnungswahrer dreht den Ausweis prüfend in seinen Fingern hin und her und ich betrachte das Gesicht der Emotionalen. Der Pony und ihre feste Stimme täuschen darüber hinweg, dass sie kaum älter als neunzehn Jahre sein kann.

      »Du bist Yana Faray?«

      »Ja.« Sie deutet auf das zerfledderte Dokument in seiner Hand, verkneift sich aber einen Kommentar.

      Der Mann gibt ihr wortlos den Ausweis zurück, dann wendet er sich an mich. »Hat sie versucht, Ihnen etwas zu klauen?«

      Ich schüttle hastig den Kopf. »Nein. Nein, Sir«, füge ich hinzu und schließe meine Finger fest um mein Smartphone.

      Nach einem prüfenden Blick nickt der Ordnungswahrer mir zu und dreht sich wieder zu der Emotionalen. »Pass auf, dass du dich im Krankenhaus unter Kontrolle hast. Dein Bruder kann Hysterie jetzt am wenigsten gebrauchen.« Er wirft noch einen letzten Blick auf Yanas narbenhaftes E, bevor er zurücktritt und wieder bis zur Unkenntlichkeit mit der Wand in seinem Rücken verschmilzt.

      Yana Faray steckt hastig einen gelben Transportchip in den Schlitz, der früher einmal für Münzen benutzt wurde, und schiebt sich durch die Absperrung neben mir, noch ehe sie sich ganz geöffnet hat.

      »Geht das da vorne mal weiter?«, schimpft eine Stimme hinter mir und ich scanne mit einem entschuldigenden Blick meine