Falling Skye (Bd. 1). Lina Frisch

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Название Falling Skye (Bd. 1)
Автор произведения Lina Frisch
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636410



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die mehr oder weniger aufgeregt umherlaufen oder in Gruppen zusammenstehend auf die Abfahrt des Zuges warten. Ich versuche, sie nicht aus den Augen zu verlieren, als mein Koffer an einem fremden Fuß hängen bleibt.

      »Entschuldigung«, murmele ich und will mich weiter durch die Menge schieben, doch eine Hand hält mich fest.

      »Skye!«

      Beim Klang von Elias’ Stimme erstarre ich. In verwirrender Folge strömen Wut, Sehnsucht und Scham durch meinen Körper. Und die traurige Gewissheit, dass es zwischen uns nie wieder so werden wird wie vor der Nacht am See, selbst wenn ich es wollte. Dafür hat sein dummer Stolz gesorgt.

      »Können wir reden?« Elias sieht mich flehend an, und für einen Moment spüre ich meine mühsam errichtete Barrikade bröckeln, bis eine gehässige Stimme in mir fragt: Hater Jasmine genauso angesehen? »Skye, bitte! Ich habe einen Fehler gemacht, aber nichts ist so gewesen, wie es aussieht –«

      Ich reiße meinen Arm los. »Weißt du was?«, unterbreche ich ihn mit so viel Kälte, wie ich zustande bringe. »Rede doch mit Jasmine. Aber ihr beide verschwendet wahrscheinlich nicht so viel Zeit mit Reden, oder?«

      Ohne auf eine Antwort zu warten, stürme ich davon und lasse ihn in der Menge stehen.

      »Was war das denn gerade?« Luce, die nicht weit entfernt auf mich gewartet hat, zieht überrascht eine Augenbraue hoch.

      »Nichts, was noch etwas bedeuten würde«, sage ich und brauche zwei Anläufe, um meinen Koffer auf den Gepäckwagen zu hieven. Als er endlich verstaut ist, streiche ich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht.

      »Wie der erste Eindruck doch täuschen kann.« Luce hakt sich bei mir unter. »Ich hätte dich eher als eine der Vorsichtigen eingeschätzt.«

      »Vorsichtig?«

      »Zu bedacht, um sich kurz vor der Testung noch in Jungsgeschichten zu verwickeln.«

      Wir gelangen zu der einzigen offenen Waggontür, vor der eine Frau in einer grauen Bluse steht, die Namen auf einer Liste abhakt. Sie ist keine Ordnungswahrerin, aber ihr durchdringender Blick, mit dem sie mein Gesicht mit dem Foto auf meiner Identifikation abgleicht, flößt mir mehr Respekt ein als alle im Bahnhof stationierten Beamten zusammen.

      »Ich habe mir vorgenommen, Jungsgeschichten ab sofort zu ignorieren«, sage ich an Luce gewandt, als wir eingestiegen sind.

      »Wahrscheinlich die klügste Option.«

      Wir grinsen, und ich spüre, wie das Lächeln diesmal in meinem Inneren ankommt.

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      Ich halte die Augen nach freien Plätzen offen, während ich mit meinem Rucksack durch den Mittelgang des Großraumabteils laufe. Luce lässt ihre Finger bewundernd über den weichen Samt der Sitze fahren und deutet auf die Tische, die sich automatisch ausklappen. »Definitiv kein Vergleich mit der stinkenden U-Bahn«, staunt sie und ich nicke.

      Diese Modelle müssen extra für die Testung konzipiert worden sein, denn sie ähneln unseren normalen, altersschwachen Langstreckenzügen nicht im Geringsten. Luce und ich passieren eine Glastür und landen im nächsten Waggon, in dem wir von plärrender Musik empfangen werden. Ein paar der Mädchen haben ihre Beine quer über die Lehnen der Sitze gelegt.

      »Ich brauche keine Testung«, stöhnt eine von ihnen. »Ich weiß, wer ich bin, auch ohne dafür um fünf Uhr morgens in einen verdammten Zug steigen zu müssen. Amira!«, ruft sie plötzlich und hebt den Kopf. »Mach endlich diese schreckliche Musik aus. Ein paar von uns versuchen zu schlafen.«

      »Schön, wie ihr das neue Album meiner Band zu schätzen wisst«, grummelt Amira, dreht den Lautsprecher jedoch leiser und versteckt ihr Gesicht wieder hinter einem Buchdeckel.

      »Bands und Fantasyromane als Vollzeitbeschäftigung«, schmunzle ich, als Luce und ich das Abteil verlassen. »Um was wetten wir, dass die halbe Abschlussklasse der Beauvoir in dem Waggon saß?«

      Wir betreten das nächste Abteil, in dem erst wenige Plätze besetzt sind. Durch das Fenster sehe ich Colin gefolgt von Elias in den Zug steigen. Elias dreht sich noch einmal um und hebt Jasmines Tasche an Bord. Es tut weh, aber ich wende mich energisch ab. Es war die richtige Reaktion, mir seine Erklärungen am Bahnsteig zu ersparen. Er hat sich entschieden, und Lügen sind das Letzte, was ich von ihm hören will.

      »Fehlt nur noch der Süßigkeitenwagen und ich fühle mich wie Harry auf dem Weg nach Hogwarts.« Luce lässt sich auf den Fensterplatz eines freien Vierers fallen. Hinter uns sitzen ein paar Mädchen, die ich nicht kenne.

      »Ich dachte, Zauberer fliegen überall auf Besen oder so was hin«, bemerke ich und ziehe meine Jacke aus.

      »Sag bloß, du hast die Bücher nicht gelesen!« Luce mustert mich mit einem gespielt kritischen Blick. »Ich weiß ja nicht, ob ich jetzt noch mit dir befreundet sein kann.«

      »Fantasy ist eben nicht so mein Ding«, sage ich, amüsiert von ihrer Leidenschaft, und setze mich auf den Platz ihr gegenüber. »Aber deins, oder?«

      »Wir haben die letzten zwei Bände in der achten Klasse durchgenommen, als uns die Bücher von der alten Bibliothek gespendet wurden«, erklärt Luce.

      »Ihr lest solche Geschichten in der Schule?«, staune ich.

      Die Serenity bietet vielleicht einen oder zwei Literaturkurse an, aber alles in allem ist sie bekannt für ihre analytische Ausrichtung. Nicht umsonst haben wir die höchste Rationalenquote unter den Absolventen in ganz New York. Lesen und Filme schauen können wir in unserer Freizeit, dafür ist in unserer Ausbildung kein Platz.

      »An der Beauvoir High sind Bücherwürmer und Querdenker eben nicht in der Unterzahl«, sagt Luce und grinst, als meine Augen sich erschrocken weiten.

      »Ich wusste nicht, dass du –«, stammle ich, doch Luce wischt meine Erklärungen beiseite.

      »Schon gut, ich bin nicht beleidigt. Die meisten Rationalen verstehen nicht, dass in Büchern, Bildern und Gesprächen genauso viel Wert stecken kann wie in den Gewinnen irgendeiner Firma.«

      Der Zug setzt sich in Bewegung und die riesigen Fensterscheiben werden dunkel. Beeindruckt sehe ich zu, wie auf jeder einzelnen das ernste Gesicht der Frau in der grauen Bluse erscheint, die beim Einsteigen unsere Identifikation überprüft hat.

      »Willkommen an Bord des Transregion. Mein Name ist Caroline. Soeben haben wir New York City hinter uns gelassen, unsere erste Station auf dem Weg ins Athene-Zentrum F, wo Ihre Testung beginnen wird. Bitte verlassen Sie den Zug an keiner der folgenden Haltestellen, um zur raschen Weiterfahrt beizutragen. Sollten Sie Fragen haben, wenden Sie sich an mich oder die anderen Testleiter hier im Zug.«

      Ein statisches Knistern ertönt aus dem Lautsprecher und anstelle des Gesichts der Frau erscheinen auf der Scheibe nun grüne Hügel unter einem strahlend blauen Himmel. Ich lehne mich zurück, ein wenig enttäuscht darüber, keinen letzten Blick auf meine Heimatstadt werfen zu können.

      »Eis?« Luce hält mir einen geöffneten Becher unter die Nase und ich wende mich von der künstlichen Landschaft ab. »Habe ich mitgebracht. Dank des abscheulichen Wetters ist es wenigstens noch nicht komplett geschmolzen.«

      »Eis zum Frühstück?«, frage ich grinsend, nehme den mir angebotenen Löffel aber, ohne zu zögern. »Was soll’s. Hört sich nach einer angemessenen Mahlzeit zur Feier unseres neuen verantwortungsvollen Lebensabschnitts an.«

      Luce flucht, als das Eis prompt von ihrem Löffel tropft. Während wir kichernd die Spuren von den grauen Sesselpolstern kratzen, löst sich ein Knoten in meiner Brust, der sich seit der Nachricht von meinem Bescheid immer enger zugezogen hat. Zwar habe ich keine Ahnung, was im Zentrum auf uns zukommt, aber wenigstens werde ich es nicht allein durchstehen müssen.

      Der Eisbecher ist viel zu schnell leer und ich krame in meinem Rucksack herum. »Ich fürchte, ich habe bloß Sandwiches oder