Falling Skye (Bd. 1). Lina Frisch

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Название Falling Skye (Bd. 1)
Автор произведения Lina Frisch
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783649636410



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mir die Kontrolle über meine Gefühle abspricht?

      Elias zieht mich enger an sich heran, doch meine Beine stolpern instinktiv zurück.

      »Alles in Ordnung?«

      Weg. Ich muss weg.

      Der verwirrte Ausdruck seiner grauen Augen ist das Letzte, was ich sehe, bevor ich mich mit hastigen Bewegungen ans Ufer kämpfe. Nichts ist in Ordnung.

      »Skye!«

      Am Strand angekommen, ziehe ich seine Jacke aus und werfe einen Blick zurück. Elias steht bis zur Hüfte im Wasser, unschlüssig, ob er mir folgen soll oder nicht. Im Mondlicht erkenne ich den verletzten Ausdruck seiner Augen.

      »Ich muss nach Hause«, bringe ich heraus und wende mich zum Gehen, bevor meine Stimme endgültig versagt.

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      Sie läuft so schnell über die Trackbahn, dass mir schon vom Zusehen schwindelig wird. Ihre langen rabenschwarzen Haare fliegen in einem geflochtenen Zopf hinter ihr her. Es ist kein Geheimnis, wovor sie davonlaufen will. Bescheid zur Testung für Skye Anderson.

      »Ich bin genauso wenig bereit für diese Sache wie du«, murmele ich, während sich meine Polaroidbilder auf der vom Morgentau feuchten Bank der Tribüne entwickeln. Samuel Anderson sah vorhin gar nicht glücklich aus, als die hübsche Läuferin aus Skyes Team sich zu seinem Autofenster herunterbeugte, direkt nachdem seine Tochter durch das Schultor verschwunden war. Ich nehme die Schnappschüsse in die Hand und sehe mir noch einmal an, wie Jasmine Samuel triumphierend ihr Handy entgegenstreckt, wie Skyes Vater es ihr aus der Hand reißt und ein angespannter Wortwechsel beginnt. Womit auch immer sie Skye bei ihrem Vater anschwärzen wollte, Jasmine hat ihre Rechnung ohne Samuel Anderson gemacht. Skye könnte gegen jeden einzelnen Artikel der Ordnung verstoßen – für ihren Vater wäre sie nie die Schuldige. Er wird sie schützen. Und vor allem wird er nichts und niemanden zwischen seine Tochter und das R auf ihrem Handgelenk kommen lassen. Zumindest eine Sache, bei der wir uns einig sind.

      Ich betrachte das letzte Foto, auf dem Samuel Jasmine mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck die Hand schüttelt. Ihr Lächeln lässt mich stutzen. Es sieht nicht so aus, als hätte das mächtige Parlamentsmitglied sie eingeschüchtert, sondern fast, als wäre vor Schulbeginn am Fenster des Elektroautos ein Plan entstanden.

      »Mach deine Sache gut, Skye«, höre ich die Stimme des Coachs durch das Stadion hallen. »Die Cremonte-Uni zählt auf neue Talente.«

      Skye lächelt, und ich frage mich, was in ihr vorgeht. Ist ein Leben, das von einem Buchstaben bestimmt wird, wirklich alles, was sie will?

      »Ich werde mein Bestes geben«, erwidert sie.

      Enttäuscht schüttle ich den Kopf und versuche, die Stimme zu ignorieren, die mir zuflüstert: Wer hat ihrem Vater denn die Gelegenheit gegeben, sie zu einer Puppe des Systems zu erziehen?

      Ich nehme die Polaroidkamera und springe von der Tribüne, bevor Beths Informant und Skye mich bemerken können. Grimmig betrachte ich beim Überqueren des Schulhofs den Kristall auf dem Logo der Serenity-Highschool. Ich werde wiedergutmachen, was in der Juninacht vor vier Jahren geschehen ist. Und dann werde ich aufhalten, was niemals hätte beginnen dürfen.

      Während ich mich ungesehen aus dem Tor der Serenity stehle, streiche ich über meine neue Kleidung und spüre mit einem Anflug von schlechtem Gewissen den fremden Schlüssel in meiner Tasche. Es war ein notwendiges Übel, Alexander Dome aufzulauern. Immerhin wird er es in einer unserer sicheren Wohnungen besser haben, als es ein Testleiter verdient.

      Erschöpft von der langen Nacht, will ich gerade in Richtung Innenstadt verschwinden, als ich das silberne Elektroauto bemerke, in dem Skye von ihrem Vater zur Schule gebracht worden ist. Samuel ist nirgendwo zu sehen. Was macht er noch hier?

      Schritte dringen an mein Ohr. Mir bleiben nur Sekunden, um mein Gesicht abzuwenden, als hinter der Ecke eine Stimme erklingt, die ich nur zu gut kenne. Samuels Stimme.

      »Ich habe gehört, deine Eltern sind endlich zur Vernunft gekommen und lassen sich kristallisieren?«

      »Ja.«

      Ich riskiere einen Blick und bin nicht überrascht, den dunkelhaarigen Jungen zu sehen, der Skye niemals von der Seite weicht. Also sind seine Eltern nicht ganz so blind wie er selbst. Das erklärt Samuels Kälte gegenüber dem besten Freund seiner Tochter. Der Sohn von Unkristallisierten ist in seinen Augen wohl nicht gerade der beste Umgang für Skye.

      »Du weißt, dass ich den ganzen Prozess ein wenig beschleunigen könnte. Schließlich haben wir Erwachsene nicht das Glück einer Testung, und Ämter brauchen ja immer ihre Zeit, sogar bei der Kristallisierung. Seit gestern wird die Administration von Anträgen überschüttet.« Samuels Lachen klingt unecht. »Und so lange ist es ja jetzt nicht mehr hin, bis du dich an der Cremonte-Universität bewerben willst.«

      »Meine Eltern wissen, dass sie sich einem Trait zuordnen lassen müssen, damit ich studieren kann. Das ist ein nettes Angebot, Sir.«

      »Ich bin ein netter Mensch. Aber es gibt etwas, worum ich dich bitten muss. Im Gegenzug, sozusagen.«

      Ein Summton ertönt in meiner Jackentasche, und ich fluche leise, während ich mich hastig von der Ecke entferne.

      »Nicht jetzt«, zische ich in das Klapphandy. »Wir sprechen später.«

      Ich lege auf und blicke zurück. Weder Samuel noch der Junge scheinen mich bemerkt zu haben. Gut so. Aber etwas ist zwischen ihnen geschehen.

      »Ich verstehe das nicht.« Die Wangen des Jungen haben sich vor Aufregung rot gefärbt. »Sir, Skye bedeutet mir alles, Ihre Tochter …«

      Samuel schneidet ihm das Wort ab. »Du hast gehört, was ich gesagt habe. Skye kann jetzt kein zusätzliches Risiko gebrauchen.« Seine Stimme hat einen drohenden Klang angenommen. Es ist dieser Ton, dessen Schärfe sich bis zum heutigen Tag in mein Gedächtnis eingebrannt hat.

      »Ja, Sir.«

      Ohne mich zu bemerken, geht Samuel an mir vorbei, öffnet die Tür seines Wagens und lässt mit zufriedenem Gesichtsausdruck den Motor an. Der Junge sieht dem davonfahrenden Auto hinterher, bevor er mit ratloser Miene durch das Schultor verschwindet.

      Meine Finger fahren auf der Suche nach einer Zigarette in die Tasche meiner Jacke, finden aber keine. Ich erinnere mich, vor zwei Wochen beschlossen zu haben, mit dem Rauchen aufzuhören. Eine wirklich dumme Idee. Ich krame das Klapphandy hervor, das ich eigentlich gestern schon entsorgt haben wollte, und wähle die Nummer, die meinen kleinen Spionageausflug unterbrochen hat.

      »Sorry wegen eben. Aber ja, ich habe alles, was ich brauche. Es kann losgehen.«

      Nachdenklich sehe ich dem Jungen hinterher, während ich begreife, wozu Skyes Vater ihren Freund zwingt. Nichts soll seine Tochter von der Testung ablenken. Und was verdreht Teenagern schon leichter den Kopf als eine Romanze?

      Ich hole die Polaroidkamera wieder aus meiner Tasche und schleiche mich ein zweites Mal an diesem Morgen durch das Schultor der Serenity. Es tut mir leid für Skye, aber Samuel Anderson und ich verfolgen bei ihrer Testung das gleiche Ziel, zumindest vorläufig. Es kann also nicht schaden, seinem Plan ein wenig nachzuhelfen – so niederträchtig er auch sein mag.

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      In der Cafeteria stelle ich mein Tablett auf unseren Tisch neben dem Fenster. Der Riemen meiner Tasche schneidet dabei in die Blutergüsse auf meiner Schulter und ich hole scharf Luft. Meine hochgeschlossene Uniform verdeckt die Spuren des Überlebenskampfes im See, doch die Beweise meiner gefährlichen Kopflosigkeit spüre ich bei jeder Bewegung. Vorsichtig lasse ich mich auf den Stuhl sinken und öffne meinen Joghurt. Wenn ich die Zeit doch nur um vierundzwanzig Stunden zurückdrehen könnte! Zurück zu einem Leben, in dem ich noch nicht wusste, was das Wort Problem eigentlich bedeutet.

      Immer