Unbändig berührt. Jessica Martin

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Название Unbändig berührt
Автор произведения Jessica Martin
Жанр Языкознание
Серия Berührt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958238527



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Darf ich mir Ihren Wohnungsschlüssel borgen? Dann müssen Sie nicht noch mal aufstehen.«

      »Das war aber wirklich nicht nötig«, brachte er perplex hervor, obwohl die Aussicht auf eine warme Mahlzeit gerade himmlisch klang.

      »War kein Problem. Haben Sie den Tee getrunken?«

      »Tee?«

      »Den ich Ihnen auf den Nachtschrank gestellt habe.«

      »Hab ich nicht gesehen«, entgegnete er, wobei ihm nun doch mulmig zumute wurde. »Wie lange waren Sie denn noch da, nachdem ich eingeschlafen bin?«

      Sein Nachbar schluckte. »Wirklich nur kurz. Weil der Tee noch ziehen musste. Ich habe nebenbei die Scherben im Bad aufgefegt und mir erlaubt, Ihre Handtücher in die Waschmaschine zu stecken. Gerade wenn man krank ist, sollte man besonders auf Hygiene achten.«

      »Okay.« Es klang irgendwie schon plausibel, zumal – wenn seine Erinnerung ihn nicht trog – sein Nachbar Arzt und daher in diesen Dingen wohl pingeliger war. Trotzdem war der Typ ein Fremder. »Danke... schätze ich.«

      Herr Bender strahlte. »Sehr gern. Ich hol mal eben das Essen, ja? Wenn Sie den ganzen Tag geschlafen haben, haben Sie doch sicher Hunger.«

      Das hatte er in der Tat, daher nickte er. »Der Schlüssel steckt von innen.«

      »Ist gut. Ich beeile mich.« Mit diesen Worten rauschte er aus dem Wohnzimmer und im nächsten Moment fiel auch schon die Tür ins Schloss.

      Marek wusste absolut nicht, was er von dem Verhalten seines Nachbarn halten sollte, und holte sicherheitshalber sein Handy aus der Küche. Schnell schob er es in die Tasche seines Bademantels, denn kaum lag er wieder auf dem Sofa, hörte er auch schon, wie seine Wohnungstür aufgeschlossen wurde.

      Kapitel 3

      Jonas

      Nachdem er den Suppentopf sowie den Brötchenkorb in die Küche seines Nachbarn balanciert hatte, sah er durch die angrenzende Tür zur Couch. »Darf ich Teller von Ihnen nehmen?«

      »Im Schrank neben dem Herd«, krächzte Herr Zając. Seine Stimme klang wie ein Reibeisen und er sah immer noch elend aus. »Besteck ist in der Schublade darüber.«

      »Alles klar.«

      Die Suppe war noch lauwarm, daher brauchte sie nur ein paar Minuten auf dem Herd. »So. Ich hoffe, Sie mögen Hühnersuppe.« Mit einem abwartenden Lächeln stellte Jonas wenig später einen vollen Teller auf den Couchtisch und eilte in die Küche zurück, um sich ebenfalls etwas zu holen.

      Als er schließlich sein Essen ins Wohnzimmer trug, blickte Herr Zając ihn dermaßen erwartungsvoll an, dass Jonas auffordernd auf den Teller deutete. Im gleichen Moment knurrte der Magen seines Nachbarn unüberhörbar.

      »Das war deutlich«, bemerkte Jonas schmunzelnd.

      Sein Nachbar wartete noch, bis er saß, und wünschte ihm guten Appetit, doch dann machte er sich über das Essen her. Sein Enthusiasmus räumte Jonas' Bedenken aus, dass die heiße Suppe im Hals brennen könnte, aber er hatte sie auch extra nicht zu stark gewürzt. Als er ihm ein Brötchen anbot, griff sein Nachbar ebenfalls beherzt zu. Er hoffte, dass sein Magen das Essen drin behalten konnte, aber etwas Warmes im Bauch half bestimmt bei der Genesung.

      Außerdem fand Jonas es nett, mal nicht allein essen zu müssen. Auch wenn seinem Gegenüber wegen der heißen Suppe die Nase lief und er ständig schniefen musste. Als Jonas ihm eine Packung Taschentücher aus der Küche holte, nahm Herr Zając sie verlegen an.

      »Danke. Das Essen ist wirklich lecker«, murmelte er, nachdem sie ein paar Minuten schweigend gegessen hatten. Sein Blick fiel auf den Brötchenkorb und er stutzte. »Sind die Brötchen etwa auch selbst gebacken?«

      Jonas nickte. »War kein Problem. Ich koche und backe gern, aber für mich allein lohnt es sich nicht so richtig. Und meine Tochter steht eher auf Pizza als auf gesunde Suppe.« Betont lässig zuckte er mit den Schultern und hoffte, dass sein Nachbar ihn dank der persönlichen Infos nicht mehr so argwöhnisch musterte, auch wenn er verstand, warum er ihn im Auge behielt. Immerhin hatte er sich schon zweimal quasi selbst eingeladen. Besser gesagt aufgedrängt. Eigentlich war das Fremden gegenüber überhaupt nicht seine Art und er konnte es sich nur mit seinem Medizinerherz erklären, das einen offensichtlich Leidenden nicht sich selbst überlassen konnte.

      »Wie alt ist sie denn?«, wollte Herr Zając wissen.

      »Sechzehn.« Er konnte ein leises Seufzen nicht verhindern, was seinen Nachbarn zum ersten Mal überhaupt die Mundwinkel heben ließ.

      »Ein Teenager. Mein Beileid.«

      Jonas musste lachen. »Danke. Ich habe Thea nur jedes zweite Wochenende bei mir, daher muss ich zugeben, dass ich sie mehr verwöhne, als ich sollte.«

      »Verstehe.«

      Er glaubte ihm kein Wort, denn Herr Zając hatte sicherlich keine Kinder. Zwar war Jonas nicht in den Raum gegangen, der direkt über Theas Zimmer lag, aber wenn sein Nachbar eine Familie hätte, würde er hier sicher nicht allein vor sich hin vegetieren.

      »Solange sie gern bei Ihnen ist, können Sie an zwei Tagen nicht so viel falsch machen, oder?«

      Er hatte definitiv keine Kinder. »Meine Ex würde Ihnen da wohl widersprechen.«

      »Scheidung?«, wollte Herr Zając wissen und als Jonas nickte, verzog er das Gesicht. »Tut mir leid.«

      »Eigentlich ist es schon okay«, sagte er abwinkend und mittlerweile meinte er das auch so. Er hatte ein paar Wochen gebraucht, um sich an den neuen Alltag zu gewöhnen, aber so war es besser. Auf jeden Fall besser, als eine Ehe zu führen, die keinen mehr glücklich machte. »Zwar ist es ungewohnt, allein zu wohnen. Außer, wenn Thea da ist, natürlich. Aber die Scheidung kam nicht wirklich überraschend. Wir haben uns einvernehmlich getrennt.«

      »Deswegen der Umzug hierher?«

      »Ja, genau. Anja behält das Haus, weil wir Thea nicht komplett aus ihrer gewohnten Umgebung reißen wollten, und ich habe einen kürzeren Arbeitsweg.« Er zuckte mit den Schultern. Es war eine logische Entscheidung, auch wenn er das Haus hin und wieder vermisste und die Wohnung ihn einengte. Dafür hatte er hier im Mietshaus seine Nachbarn sehr viel schneller kennengelernt als in der Vorstadt, wo kaum einer mal über seinen Gartenzaun guckte und wenn, dann höchstens, um über anderer Leute seltsamen Lebensstil zu lästern. Dabei fiel ihm etwas ein. »Ich hoffe, ich habe Ihren Nachnamen heute Mittag richtig ausgesprochen. Falls nicht, tut mir das sehr leid.«

      »Hm... Ich kann mich nicht mehr daran erinnern«, meinte sein Nachbar und zog die Augenbrauen zusammen. Er musterte ihn ziemlich intensiv und Jonas spürte, dass er rot wurde, daher richtete er seinen Blick auf den Teller. »Wie haben Sie ihn denn ausgesprochen?«

      »Oh nein«, entgegnete Jonas mit einem peinlich berührten Lachen. »Darauf lasse ich mich gar nicht erst ein. Immerhin kann ich dabei nur danebenliegen.«

      Sein Nachbar grinste. »Okay, das stimmt wohl.« Er hatte ein schönes Lächeln und die kleinen Fältchen um seine Augen zeigten, dass er es oft tat. »Mein Nachname wird Sajontz ausgesprochen. Mit stimmhaftem S.«

      »Ist das Russisch?«, fragte Jonas und hoffte, nicht zu neugierig zu wirken.

      »Polnisch. Wir können uns aber gern duzen.«

      Er nickte sofort, denn er war sich nicht sicher, ob er die Aussprache des Nachnamens richtig hinkriegen würde. »Sehr gern. Ich bin Jonas.«

      »Marek«, sagte sein Nachbar und deutete auf die leeren Teller. »Vielen Dank fürs Essen. Es war großartig.«

      »War wirklich nicht der Rede wert«, versicherte Jonas ehrlich. Marek sah schon wieder ziemlich müde aus, aber so krank, wie er war, brauchte er auch viel Ruhe. »Okay, dann lasse ich dich mal wieder allein. Darf ich was von der restlichen Suppe hierlassen? Sonst muss ich noch drei Tage davon essen.«

      Marek lächelte. »Da sage ich nicht Nein.«

      Zufrieden