Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi. Inger Frimansson

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Название Die Katze, die nicht sterben wollte - Schweden-Krimi
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726445039



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und vor seinen Augen füllte sich der Stall wieder mit Leben. Er sah die braunen Pferderücken und ging auf sie zu. Sie standen in ihren Boxen, die Köpfe zusammengesteckt, sodass er, als er sich zum ersten hineingezwängt hatte, auch das Pferd erreichen konnte, das ihm gegenüber stand. Stroh und Pferdeäpfel bedecken den Boden. Den Rücken dicht an der Wand ging er in die Hocke und der große Kopf des Pferdes senkte sich zu ihm herab. Er blieb in der Hocke und ließ das Pferd schnuppern und die Luft aus seinen Nüstern war warm und süß. Ruhe breitete sich in ihm aus und machte seinen Kopf schläfrig träge.

      Er dachte, dass er nach Hause gehen wollte. Er würde zur Tür hinausschlüpfen und laufen, laufen, das Gras würde trocken und nachgiebig sein und er würde nicht ausrutschen oder sich verletzen, er würde so lange laufen, bis er zu seinem eigenen Haus gelangte. Es lag ziemlich weit weg, aber er würde nicht schlappmachen, und wenn er nach Hause kam, würde die Katze am Gatter liegen und die Kätzchen bei ihr trinken, sie würden sich an ihren weißen Bauch drängen und die Katze würde sanft schnurren und ihre Jungen ablecken.

      Kommt rein, würde er müde nach seinem Lauf keuchen, und dann würde die Katze aufstehen und ihm ins Haus folgen und die Kätzchen ihr folgen, alle vier würden ins Haus gehen und sich auf das Sofa legen und er läge dann mit einem Kissen unter dem Kopf auf dem Rücken, während die Kätzchen neben ihm Platz nahmen. Sodass er sie jederzeit berühren und dabei spüren könnte, dass sie lebten.

      11. KAPITEL

      Er hörte das Auto, stand an dem mit Spinnweben bedeckten Fenster und sah sie zum Haus hinauffahren. Den Mann und die Frau. Das passte ihm nicht, nicht jetzt. Er warf den Kopf in den Nacken. Seine Haare wurden nach hinten geschleudert, fielen ihm aber gleich wieder in die Stirn. Er stand da und hielt einen alten, krummen Nagel in der Hand, der sich in seinen Daumenballen bohrte, Rost und Blut.

      Die Frau trug ein buntes Kleid. Ihre Schultern waren gebeugt und nackt, sie ging barfuß durch das Gras. Ihr Körper war verändert, ein wenig eingefallen, und die glatten Haare hingen ihr in die Augen.

      Sie gingen beide ins Haus. Er dachte, dass er jetzt auch fast in ihrem Haus gewesen wäre. Das wäre nicht gut gewesen. Er hätte jetzt im Haus sein können, wenn er sich entschlossen hätte, ein Fenster aufzubrechen, wie er es schon einmal getan hatte. Es war nicht schwer gewesen. Wenn er die Katze im Haus vermutet hätte, wäre er ihr gefolgt.

      Damals hatte er sie in einem der Betten in der oberen Etage gefunden. Er nahm zwei Kissen mit, die er in sein eigenes Bett legte, weil er dachte, dass die Katze dann bei ihm bleiben würde.

      Aber sie lief trotzdem weg.

      Jetzt blieb er in der Scheune.

      Es war staubig und die Sonne beschien die Wände und das vermodernde Zaumzeug.

      Aber die Geräusche waren verstummt! Die Pferde kauten nicht mehr, verteilten ihr Gewicht nicht mehr auf drei Beine und hielten das vierte schonend gebeugt, waren nicht mehr in ihren Boxen, nur die Abdrücke im Holz von ihren Zähnen und alte Holzsplitter, die wie Sägespäne auf dem Boden lagen, waren übrig geblieben, jedoch keine Halme und auch keine Spuren von Rosshaar.

      Er beugte sich vor und stützte sich dabei auf den Händen ab. Die Frau saß auf der Eingangstreppe, die Beine an den Bauch gezogen. Der Mann stand hinter ihr, abgewandt und stumm. Die Frau sprach. Er sah ihren Mund. Der Mann breitete die Arme aus und verschwand durch die Tür.

      So stand er am Fenster, als sie plötzlich ganz dicht herankam, ihr Gesicht war auf einmal ganz nah und er sah den Mund und die steile Falte über der Nase. Ihr Gesicht hatte ihn immer unruhig gemacht. Sie saß mit gespreizten Beinen, sodass er ihre Knie und Schenkel sehen konnte und dass sie einen weißen Slip trug. Nein, ihr Gesicht hatte ihm niemals Ruhe eingeflößt, ebenso wenig wie ihr Körper. Eine verbissene Sehnsucht hatte sich in ihm festgesetzt, nicht die Art von Sehnsucht wie nach Kaarina, sondern eher eine Art Abscheu, ein Schmerz. In manchen Nächten hatte er sich vorgestellt, sie wäre in seinem Zimmer und sie hatte frech gelacht und dabei ihre Zähne gezeigt und sich über ihn gebeugt, sodass die Brüste sich an seinem Hals rieben. Er hatte nach ihnen geschnappt und sie an sich gezogen. Daraufhin wand sie sich und kämpfte und er musste sie festhalten. Sie war stark und zäh, aber er war stärker. Aus ihrem Mund waren Spucke und harte Worte gekommen und er hielt ihn zu, und als er das tat, dachte er an Holger, an Holger und Kaarina. Anschließend, wenn sie sich wieder beruhigt hatte und gefügig und still auf dem Bett lag, zog er sie aus.

      Er fragte sich, wie sie wohl hieß. Er hatte den Mann nach ihr rufen hören und es war ein kurzer und ungewöhnlicher Name gewesen, den er nicht behalten konnte. Er hatte ihn vorher noch nie gehört.

      Sie saß jetzt auf der Treppe und der Mann kehrte zurück und sie hielten Gläser in den Händen und tranken. Ja. Sie tranken.

      Dann sah er die Katze. Sie stand am Fuß der Treppe und im Gras wirkte sie klein und grau. Er ging zur Scheunentür und öffnete sie. Die Katze würde ihn dort stehen sehen, sie würde zu ihm kommen und ihre Jungen dabei haben.

      12. KAPITEL

      Danach ging alles so schnell, dass ihm gar nicht die Zeit blieb zu begreifen, was mit ihm geschah.

      Seine Hände schossen nach vorn, weiche Haut und Schrammen, er musste zudrücken, musste die Luft hindern.

      Aber es war zu spät.

      Er wurde zu sehr überrumpelt.

      Eisen blitzte auf, und er nahm eine pulsierende Dunkelheit wahr.

      Dann war es vorbei.

Beth I

      1. KAPITEL

      Schon als sie auf den Hof vor ihrem Haus bogen, wussten sie, dass sich in den wenigen Stunden, die sie fort gewesen waren, etwas ereignet hatte. Es war nichts Greifbares, nichts Sichtbares, nur eine Ahnung, etwas Dumpfes und Lauerndes. Beth kratzte sich mit den Fingernägeln über den Oberschenkel, am ganzen Körper brach ihr der Schweiß aus.

      »Ulf . . .«, sagte sie, als ob er, nur weil er ein Mann und zwei Jahre älter war als sie, augenblicklich wissen müsste, was los war und was sie zu tun hatten.

      Er antwortete nicht. Sie sah seine leicht nach oben geschwungenen Mundwinkel, die Andeutung eines Lächelns, was allerdings nicht bedeutete, dass er wirklich lächelte. Sein Mund verriet nichts über seine Gemütsverfassung, er war einfach schon so geboren, mit leicht nach oben geschwungenen Mundwinkeln. Anfangs hatte sie sich dadurch täuschen lassen, als sie sich noch beschnupperten und in sich hineinhorchten. Mittlerweile wusste sie Bescheid.

      Sie wiederholte seinen Namen.

      »Ulf, da ist was. Was ist das? Ich habe Angst.«

      Der Mann an ihrer Seite schaltete den Motor aus. Gemeinsam starrten sie das Haus an, das vor ihnen im Grünen stand, idyllisch gelegen und rot wie der Prototyp eines wahren Sommerparadieses. Es sah alles aus wie immer. Die Tür war noch verschlossen wie bei ihrer Abfahrt, die Gardinen hingen glatt herab. Beth hatte Gräser gepflückt, hohe schaukelnde Rispen, und auf der verglasten Veranda in eine Vase gestellt. Die Trockenheit hatte alle Wiesenblumen verdorren lassen, nur ein paar kümmerliche Glockenblumen und die zähe, weiße Schafgarbe waren geblieben. Man musste ein ganzes Stück in Richtung Kahlschlag gehen, um sie zu finden.

      Gräser gab es überall. Und Gräser waren schön.

      Ulf räusperte sich und fuhr sich durch die Haare.

      »Das bildest du dir nur ein«, murmelte er, aber ohne Nachdruck.

      Sie hatten einen Ausflug nach Tidaholm gemacht. Am frühen Nachmittag waren sie losgefahren und obwohl sie die dortigen Geschäfte und ihr Angebot bereits kannten, nahmen sie sich dennoch die Zeit, erneut in ihnen zu stöbern. In einer Boutique am Marktplatz fand Beth ein türkisgrünes schulterfreies Sommerkleid. Alle Preise waren reduziert, außer bei den Kleidern, die ganz hinten im Geschäft unter einem handgemalten Schild mit der Aufschrift »Die neue Herbstmode« hingen. Das Kleid war um dreißig Prozent heruntergesetzt gewesen.

      Es war ein heißer Sommer mit beißenden Gerüchen und verbrannter