Der Krieg im 20. und 21. Jahrhundert. Malte Riemann

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Название Der Krieg im 20. und 21. Jahrhundert
Автор произведения Malte Riemann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170327696



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am 1. November 1911 der erste Bombenangriff. Seitdem ist der Luftkrieg ein fester Bestandteil der Kriegsführung geworden. Bei dem Luftkrieg handelt es sich um eine Form der Kriegsführung, bei der Luftstreitkräfte, auch Luftwaffe genannt, und Luftkriegsmittel anderer Teilstreitkräfte militärische Operationen ausführen. Diese Art der Kriegsführung lässt sich in zwei Teilbereiche unterteilen: »Krieg in der Luft« und »Krieg aus der Luft«. Unter dem Begriff »Krieg in der Luft« wird einerseits der Kampf zwischen Luftfahrzeugen, z. B. der durch Jagdflugzeuge ausgetragene Luftkampf (dogfight), und andererseits der Kampf zwischen Luftfahrzeugen und bodengestützten Flugabwehren verstanden. Bei dem »Krieg aus der Luft« handelt es sich vor allem um die Aufklärung und Bekämpfung von Bodenzielen. Der »Krieg aus der Luft« lässt sich auch als taktischer Luftkrieg bezeichnen. Hierbei wird zwischen zwei Aufgaben oder Zielen unterschieden. Zunächst ist hier die Luftnahunterstützung zu nennen, die den Einsatz von Lufteinheiten zur direkten Unterstützung von Bodenstreitkräften bezeichnet. Neben der Luftnahunterstützung ist ein weiteres Einsatzverfahren der Luftwaffen die Gefechtsfeldabriegelung. Hierbei werden taktische Ziele wie Brücken, Straßen und Versorgungskonvois im Rückraum der Kriegsfront angegriffen, um z. B. das Eintreffen von neuen, feindlichen Bodentruppen zu verhindern.

      Krieg in der Luft zu führen, stellt den Menschen vor extreme Herausforderungen. Zunächst ist hier die Flughöhe zu beachten. Je höher ein Pilot steigt, desto dünner wird die zum Atmen benötigte Luftdichte. Dies hat Saustoffmangel zu Folge, was die Fähigkeiten des Menschen einschränkt und zu Bewusstlosigkeit und Tod führen kann. Neben dem Sauerstoffmangel stellt die extreme Kälte ein weiteres Problem da. Technologische Entwicklungen, die speziell seit dem Zweiten Weltkrieg vorangetrieben wurden, machten es möglich, immer neue Höhen im Luftkrieg zu erschließen. (Jordan 2016) So wurden seitdem Sauerstoffmasken, Spezialkleidung, druckausgleichende Cockpits und Kompressionsanzüge, durch die der Einfluss der Gravitation minimiert wird, eingeführt. Neben diesen Herausforderungen für den menschlichen Körper zeichnet sich der Luftkrieg durch vier Eigenschaften aus, die die Luftkriegsführung vom Landkrieg und Seekrieg unterscheiden. Diese sind

      • der Aktionsradius,

      • die Geschwindigkeit,

      • die Flexibilität

      • sowie die Untauglichkeit von Luftstreitkräften, Gebiete zu besetzen. (Jordan 2016; Angerer 2010)

      Bezüglich des Aktionsradius ist zunächst festzustellen, dass im Gegensatz zu Land- oder Seestreitkräften der Einsatz von Luftstreitkräften nur von wenigen geografischen Hindernissen eingeschränkt wird. Die Luftwaffe kann unzugängliche Gebiete über- oder umfliegen. Hinzukommt, dass das Einsatzgebiet der Luftwaffe global ist, da der Luftraum weltumspannend ist. Neben dem Aktionsradius zeichnen sich Luftstreitkräfte durch ihre Geschwindigkeit aus. »Militärische Luftfahrzeuge sind schnell und wendig und besitzen eine große Reichweite. Dadurch können Operationen tief in feindlichem Gebiet durchgeführt werden.« (Angerer 2010, S. 92)

      Ein weiterer Aspekt der Geschwindigkeit bezieht sich auf die relative Schnelligkeit, mit der Luftstreitkräfte zum Einsatz gebracht werden können. Sie können schneller in Krisengebiete entsandt werden als andere bodengestützte Fahrzeuge. Luftstreitkräfte sind zudem durch eine enorme Flexibilität gekennzeichnet. Dies bezieht sich einerseits auf den strategischen Effekt, den Luftstreitkräfte genieren können, und andererseits auf deren Gefechtswert. Der strategische Effekt reicht vom eigentlichen Gefecht über die Informationsgewinnung durch Aufklärungsflüge bis hin zum Transport von Nachschub und Truppenkontingenten. Der flexible Gefechtswert von militärischen Luftfahrzeugen ergibt sich je nach ihrer Auslegung und technischen Spezifikationen aus der großen Mengen an Waffensysteme, die diese an Bord haben und welche es diesen ermöglicht, unterschiedliche Aufgaben während einer Operation zu übernehmen. Zuletzt ist der größte Nachteil von Luftstreitkräften zu nennen. Ihnen ist es nicht möglich, Gebiete einzunehmen, weshalb Bodenstreitkräfte fast immer eine Luftkampagne unterstützen. (Jordan 2016) Hinzukommt, dass sich militärische Luftstreitkräfte trotz der Möglichkeit der Luftbetankung nicht permanent über einem Gebiet aufhalten können. Aufgrund dessen kann eine permanente Luftpräsenz über dem Schlachtfeld nur dann aufrechterhalten werden, wenn eine Konfliktpartei über ausreichende Ressourcen hierfür verfügt. Die war jedoch selbst während des Zweiten Weltkrieges, zu einer Zeit, in der die Konfliktparteien über tausende von Luftfahrzeugen verfügten, unmöglich. Der technologische Fortschritt in der Entwicklung von unbemannten Luftfahrzeugen, auch Drohnen genannt, scheint in der Zukunft jedoch die permanente Luftpräsenz möglich zu machen. (image Kap. 6)

      1957 erschloss sich der Luftkriegsführung mit der Positionierung des sowjetischen Satelliten Sputnik 1 in der Erdumlaufbahn der Weltraum. Sputnik 1 führte zu einer Militarisierung des Weltalls und eröffnete dem Krieg eine vierte Dimension. In der Literatur über den militärischen Nutzen des Weltraums ist die Antwort auf die Frage umstritten, ob die Kriegsführung im Weltraum als eigenständiges Feld zu verstehen ist oder ob diese nur eine Erweiterung der Luftkriegsführung darstellt. (Jordan 2016) Trotzdem lässt sich feststellen, dass der Weltraumkrieg zwei Charakteristika des Luftkrieges, wenn auch im verstärkten Maße, besitzt. Diese sind der Aktionsradius und die Geschwindigkeit, die im Zusammenspiel den militärischen Nutzen des Weltraums verdeutlichen. (Jordan 2016) Da das All Zugriff auf den gesamten Erdball ermöglicht, erlaubt die militärische Nutzung des Weltraums einen globalen Aktionsradius. So lassen sich z. B. aus dem All die Land-, See- und Luftdomänen überwachen. Dieser Vorteil ergibt sich aus der Geschwindigkeit im All positionierter Weltraumplattformen, da diese je nach Orbit und Antrieb den Globus innerhalb von 24 Stunden mehrfach umrunden können und somit in der Lage sind, eine fast lückenlose, globale Aufklärung zu gewährleisten. Die militärische Nutzung des Weltraums beschränkt sich derzeit auf drei verschiedene Anwendungen:

      1) Satelliten erlauben, wie oben angemerkt, die Überwachung des Gefechtsgebietes und bieten somit dem Militär einen Informationsvorteil.

      2) Der zweite Nutzen bezieht sich auf militärische Gegenmaßnahmen zu dieser Aufklärung. Sogenannte antisatellite capabilities zielen darauf ab, gegnerische Satelliten zu stören oder zu zerstören. Das Stören oder Zerstören kann auf unterschiedliche Weisen, welche zum Teil auch außerhalb des Weltraums stattfinden, erreicht werden. So kann z. B. die Kommunikationslinie zwischen Satelliten und Bodenstationen unterbrochen oder Bodenstationen oder Satelliten zerstört werden. Die Mittel hierfür können von elektronischer Kriegsführung, die die Kommunikationswege stört oder Störungen verursacht, Angriffen auf erdgebundene Anlagen, die Verwendung von Antisatellitenwaffen, die mit Sprengkörpern ausgerüstet gegnerische Satelliten zerstören, und Hochfrequenzwaffen bis zu gezielten Energiewaffen (Lasern), dem Ändern von Umlaufbahnen, umso Satelliten mit anderen Satelliten zu rammen, oder dem Einsatz von Atomwaffen reichen. (Lupton 1998)

      3) Der dritte Nutzen ergibt sich aus im Weltraum stationierter Waffensysteme (space-to-earth weapons), welche Angriffe auf Bodenziele aus dem All ermöglichen. Diese sind jedoch größtenteils noch in der Entwicklungsphase, und deren militärische Vorteile sind umstritten. (DeBlois 2004) Trotz dieser Militarisierung des Weltraums wurde der Krieg bisher noch nicht in das All hineingetragen.

      »Die gegen Weltraumziele gerichtete Kriegsführung hat bislang ebenso wenig stattgefunden wie der Einsatz im Weltraum stationierter Waffen gegen terrestrische Ziele.« (Hansel 2010, S. 261) In den letzten Jahren hat sich die Gefahr dessen jedoch erhöht. So hat die NATO 2019 den Weltraum als separate Domäne für militärische Operationen anerkannt und Präsident Trump 2018 den Aufbau einer Space Force in Auftrag gegeben. Dies könnte zu einem neuen Wettrüsten im Weltraum führen.

      1.4 Kriegsfolgen

      Eine Betrachtung des Krieges kann die Kriegsfolgen nicht ignorieren. Dem Krieg folgen Tod, Leid und Zerstörung. Da Kriegsfolgen weitreichend sind, sollen im Folgenden drei Dimensionen untersucht werden. Hierbei wird eine Einschränkung in gesellschaftliche, politische und ökonomische Kriegsfolgen unternommen. Diese unterschiedlichen Dimensionen sind oft eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.