Der Krieg im 20. und 21. Jahrhundert. Malte Riemann

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Название Der Krieg im 20. und 21. Jahrhundert
Автор произведения Malte Riemann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170327696



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      Die Auswirkungen des Krieges auf die Gesellschaft sind vielfältig. Am offensichtlichsten treten bei einer Betrachtung der gesellschaftlichen Kriegsfolgen zunächst die Opfer ins Auge. Der Krieg verletzt, verstümmelt und tötet unzählige Menschen. Die Kriegsopfer des Zweiten Weltkrieges werden auf über 60 Millionen geschätzt. Hierbei lässt sich vor allem seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts feststellen, dass der Anteil von Zivilopfern zunimmt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz schätzt den Anteil von Zivilopfern während des Ersten Weltkrieges auf 5 Prozent, während dessen Anteil gegen Ende des 20. Jahrhunderts auf 90–95 Prozent gestiegen ist. Laut Mary Kaldor ist die Wahrscheinlichkeit eines gewaltsamen Todes im Krieg heutzutage achtmal höher für die Zivilbevölkerung als für Angehörige der kriegsführenden Parteien.

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      Abb. 2b: Die Altstadt von Frankfurt nach den schweren Bombardements durch Alliierte. Luftbild von Juni 1945.

      (Kaldor 2002) Neben zahlreichen Todesopfern führt der Krieg auch zu Flucht und Vertreibung. Der Krieg hat darüber hinaus weitreichende Auswirkungen auf das Gesundheitswesen. Hierbei ist zwischen physiologischen und psychologischen Folgen zu unterscheiden. Bezüglich der physiologischen Folgen lässt sich zunächst feststellen, dass Kriege oft zu einer Notfallsituation bei der humanmedizinischen Versorgung führen. Krankenhäuser werden zerstört oder sind durch den plötzlichen Anstieg an Verletzten und Verwundeten überlastet. Erschwert wird diese Situation oftmals durch den Ausbruch von Infektionskrankheiten, die aufgrund der mangelnden Gesundheitsversorgung schnell endemische Ausmaße annehmen können. Darüber hinaus führt der Krieg oft zu einem Zusammenbruch der pharmazeutischen Versorgung, was einen Mangel an Medikamenten und Impfstoffen zu Folge hat, was ebenfalls den Ausbruch von Infektionskrankheiten begünstigt. Häufig ist eine vom Krieg betroffene Bevölkerung auch der Unterernährung ausgesetzt, da Landwirtschaft und Handel zum Erliegen kommen. Auf die körperliche Gesundheit bezogen lässt sich allgemein feststellen, dass in Zeiten des Krieges die Lebenserwartung sinkt. Der Krieg hat neben den Auswirkungen auf den Körper auch folgenschwere Auswirkungen auf die Psyche. Die Schrecken des Krieges führen zu Depression und Trauma. Posttraumatischen Belastungsstörung sind die Folge. Von diesen psychologischen Begleiterscheinungen des Krieges sind sowohl Zivilbevölkerung als auch Kombattanten betroffen. Außerdem hat die moderne Kriegsführung weitreichende ökologische Folgen. Während des Vietnamkrieges z. B. versprühten die USA über 70 Millionen Liter Entlaubungsmittel, um die Nachschubrouten der nordvietnamesischen Armee, die sogenannten Ho-Chi-Minh Pfade, sichtbar zu machen. Dies zerstörte ca. 15 Prozent des vietnamesischen Ökosystems. Nach dem Ende des Krieges wurden diese Gebiete neu besiedelt und seitdem zeigt sich in diesen Gebieten eine auffällig hohe Anzahl an Fehlgeburten.

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      Abb. 3: Vietnamkrieg, flüchtende Mutter mit Kindern.

      Politische Kriegsfolgen

      Auch die politischen Kriegsfolgen sind vielfältig. Zunächst haben Kriege oft maßgeblichen Einfluss auf die Regierungsstrukturen eines Staates. In demokratischen Systemen kann ein von der Bevölkerung nicht hinreichend unterstützter Krieg zu einem Regierungswechsel führen. Kriege führen aber auch zu einem extern aufgezwungenen Wandel in der Regierungsform, wie etwa in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Neben einem Wandel der Regierungsform kann der Krieg auch zur Herausbildung neuer Staaten führen. So entstand Jugoslawien etwa nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall Österreich-Ungarns und zerfiel dann selbst zwischen 1991 und 2006 in verschiedene Staaten (Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Slowenien). In seinem seminalen Werk Coercion, capital, and European states, AD 990–1992 (1992) geht der amerikanische Historiker Charles Tilly sogar so weit, zu behaupten, dass der Krieg im Kontext der europäischen Geschichte den Staat erst schafft. Nach Tilly führt der Krieg durch die Wechselwirkungen von vier Prozessen zur europäischen Staatenbildung:

      1) Kriege, die in der Ausschaltung lokaler Rivalen wie etwa Prinzen, Baronen und anderen lokalen Machthabern gipfelten, führten zu einer Zentralisierung der Staatsmacht und der Einrichtung eines weitreichenden Gewaltmonopols.

      2) Dieses Gewaltmonopol des Staates wurde zunehmend ausgeweitet und führte zur Bildung von Polizeikräften.

      3) Kriegsführung und militärische Expansion wären nicht möglich, ohne der Bevölkerung Ressourcen zu entziehen und Kapital zu generieren. Dies führte zur Einrichtung von staatlichen Bürokratien, um Soldaten aus der eigenen Bevölkerung zu rekrutieren und Steuern zu erheben.

      4) Schließlich forderten die Bevölkerungen des Staates Rechtsgarantien und repräsentative Institutionen. Diese staatlichen Zugeständnisse ermöglichten es der Bevölkerung, ihr individuelles Eigentum ohne Gewaltanwendung zu schützen, das das staatliche Gewaltmonopol gefährdet hätte.

      Ökonomische Kriegsfolgen

      Neben den gesellschaftlichen und politischen Folgen hat der Krieg massiven Einfluss auf die Ökonomie. Während des Krieges und nach dem Krieg ist die Wirtschaft schwerwiegenden Schäden ausgesetzt. Durch die Zerstörung von Industrieanlagen und infrastrukturellen Einrichtungen, die Verkehr, Kommunikation und Energieversorgung gewährleisten, kann der Krieg bis zum Zusammenbruch der Wirtschaft eines Staates führen. Arbeitslosigkeit und ein Anstieg der Armut sind häufige Folgen. Durch die Vernetzung der Weltwirtschaft sind meist auch andere Länder indirekt von wirtschaftlichen Kriegsfolgen betroffen. So können Kriege z. B. zu einem Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise und sogar zum Einbrechen der Börsenkurse führen. Angrenzende Staaten spüren die Auswirkungen meist direkter. Zwischenstaatlicher Handel kann zum Erliegen kommen und das plötzliche Eintreffen von Flüchtlingen kann finanziellen und politischen Druck auf die Regierungen angrenzender Staaten ausüben. Somit lässt sich oft eine durch den Krieg hervorgerufene regionale Schwächung der Wirtschaft feststellen. Zudem vernichtet der Krieg auch persönliches Eigentum, was weitreichende gesellschaftliche Folgen bezüglich eines Armutsanstieges hat. Die Zerstörung von Industrieanlagen und Infrastruktur verschlimmert diese Situation mit schweren Folgen für den Arbeitsmarkt und die Schaffung neuer Eigentumswerte. Der Krieg hat dazu einen direkten Einfluss auf die Arbeitskraft eines Landes. Durch den gewaltsamen Tod wird ein Verlust von Arbeitnehmern verursacht. Geringere Geburtenraten, erhöhte Kindersterblichkeit und eine vor dem Krieg flüchtende Bevölkerungen führen zu drastischen demografischen Veränderungen, welche zu einer Minderung der Produktivität führen. Im Jahr 2012 schätzte das Institute for Economics and Peace den durch den Krieg hervorgerufenen weltweiten, wirtschaftlichen Schaden auf 9,46 Billionen US-Dollar. (2012)

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