Adular (Band 2): Rauch und Feuer. Jamie L. Farley

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Название Adular (Band 2): Rauch und Feuer
Автор произведения Jamie L. Farley
Жанр Языкознание
Серия Adular
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038961550



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Es sind viele da draußen, die mit der Behandlung der Dunkelelfen nicht einverstanden sind. Irgendjemand muss den ersten Schritt machen.« Sie blickte gedankenverloren die Straße hinab. »Ich bin mitnichten die Einzige, die sich offensiv, wie du sagtest, für Dunkelelfen einsetzt. Arik und Nara zum Beispiel. Es ist kein Geheimnis, dass Dunkelelfen in Ariks Klinik umsonst behandelt werden. Nara hat sich etliche Male lautstark mit Sklavenhändlern gestritten. Ich will und werde nicht wegsehen und etwas hinnehmen, was mir zuwider ist.«

      Ich weiß, wie es ist, Hilfe zu brauchen und keine zu bekommen, dachte sie. Ich weiß, wie es ist, wenn alle nur zuschauen, starren oder sich abwenden, statt einzugreifen. Ich kenne Hilflosigkeit. Ich werde es besser machen als diejenigen, die mich im Stich gelassen haben.

      Sie sprach es nicht aus, wohl wissend, dass ihr Onkel sich davon verunsichert und gekränkt fühlen würde. Ihm warf sie nichts vor. Ihm nicht.

      Faredir schwieg lange. »Du bist dir darüber im Klaren, dass so ein Leben gefährlich ist, nicht wahr?«

      »Ja, durchaus. Und ich werde jetzt besser auf mich aufpassen müssen als zuvor.«

      »Ist es das wert?«

      Elanor nickte leicht. »Dankbarkeit zu erleben und Hoffnung zu schenken, ist jede Mühe wert.«

      Kostete es, was es wollte. Nach Dûhirions Tod mehr denn je.

      Elanor war bei ihm. Der erstickende Gestank des Kerkers war dem Duft von Lavendel, Bergamotte und Thymian gewichen. Sie stand still in einer Ecke und sah ihn an.

      Er wollte sie berühren, ihre Wärme, ihre glatte, weiche Haut unter seinen Fingerspitzen spüren. Er wollte, dass ihre schlanken Finger seine Narben sanft nachzeichneten und das Hässliche, das Schändliche auf seinem Körper nichtig werden ließen. Wollte sie im Arm halten und sich von ihr in einen erholsamen Schlaf wiegen lassen.

       Stattdessen glaubte er immer noch, das Brandeisen zu spüren, das sich zischend in seine Haut fraß. Seine Stirn schien fort zu sein, ein ausgebranntes schwarzes Loch schwelender Pein. Sein Kopf fühlte sich an wie glühendes Glas, das von einem untalentierten Glasbläser in eine missgestaltete Form gebracht wurde.

      »Keine Sorge, die Geburt ist gut verlaufen«, sagte die Waldelfin leise.

      Er blinzelte träge. Die Zeit ihrer Schwangerschaft war bereits vorbei? Wann hatte sie ihre Kinder zur Welt gebracht?

      Elanor lächelte traurig und strich über ihren flachen Bauch. »Es geht ihnen gut. Ich beschütze sie.«

      Natürlich tust du das, dachte Dûhirion und merkte, wie ebenfalls ein Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfte. Du würdest nicht zulassen, dass ihnen etwas passiert.

      »Möchtest du sie sehen?«, fragte Elanor.

      Er nickte kaum merklich. »Ja, bitte«, flüsterte er heiser.

      Die Waldelfin blickte über die Schulter und gebot jemandem, der außerhalb seiner Sichtweite stand, mit einer Kopfbewegung vorzutreten. »Kommt her«, bat sie sanft.

      Zwei Elfenkinder traten an ihre Seite. Die beiden waren fünf oder sechs Jahre alt.

      Dûhirion runzelte die Stirn und ignorierte den scharfen Schmerz, der über seinen Scheitel fuhr.

      War so viel Zeit vergangen?

      Er musterte die beiden abwechselnd. Das Mädchen hatte langes, braunes Haar und kleine Sommersprossen auf den Wangen und der Stupsnase. Der Junge hingegen war schwarzhaarig. Als er gähnte, entblößte er eine Zahnlücke im Oberkiefer. Beide Kinder hatten einen sichtbaren Graustich in der bronzefarbenen Haut. Beide hatten violette Augen.

      »Das sind sie«, murmelte Dûhirion und seine Kehle zog sich zusammen.

      Elanor nahm den Jungen auf den Arm, der sich müde die Augen rieb. Er lehnte den Kopf an ihre Schulter. Das Mädchen griff nach ihrer Hand und wippte unruhig auf den Fußballen auf und ab, musterte ihn mit unverhohlener Neugier.

      »Das ist euer Papa«, verkündete die Waldelfin mit belegter Stimme. »Umbra wird ihn uns nehmen. Die Gilde ist schuld daran, dass ihr ihn nicht kennenlernen werdet.« Unglücklich blickte sie zu ihm zurück. »Und daran, dass er nie erleben wird, wie ihr aufwachst.«

      »Elanor …« Der Dunkelelf versuchte vergeblich sich aufzurichten. »Elanor, es tut mir leid, ich …«

      Sacht strich die Waldelfin dem Mädchen über den Kopf. »Ich weiß.« Sie seufzte und wischte sich über die Augen. »Mir auch …«

      Die Frau in der Zelle gegenüber wimmerte. Das Echo von sich nähernden Schritten erfüllte den gesamten Gang. Dûhirion schreckte auf.

      Nicht Hastor, dachte er und sein Blick huschte unstet an den Gitterstäben entlang. Zwei Beinpaare. Die erste Person muss sich bemühen, um mit der zweiten mithalten zu können. Vielleicht Jonna?

      Elanor war verschwunden, ebenso ihr Duft und das ferne Gefühl von Vertrauen und Sicherheit.

      Schwerfällig hob er den Kopf und für den Bruchteil einer Sekunde keimte Erleichterung in seiner Brust, als er die Heilerin mit einer Wache vor seiner Zelle erblickte. Doch dieser Keim wurde von blanker Angst erstickt, als er sah, dass der Gildenmeister sie begleitete.

      Ich habe einen Fehler gemacht, raste es durch seinen Kopf, und seine Angst wuchs mit der Erkenntnis. Drei Personen, nicht nur zwei. Drei. Eine von ihnen hat den Schritt eines Assassinen. Hätte ich hören müssen, hätte ich …

      »Öffnet die Tür«, wies Taremia die Wache an.

      Der Schlüssel schob krachend das Schloss zur Seite, und die Wache zog die Zellentür auf. Jonna warf der Hochelfin einen prüfenden Blick zu und erhielt ein bestätigendes Nicken. Die Heilerin kniete sich zu ihm und sprach einen Zauber. Dûhirion schwieg, wartete angespannt.

      »Diagnose?«, fragte Taremia.

      Jonna zählte eine detaillierte Liste seiner Verletzungen auf, der er nicht folgen konnte.

      »Dûhirion.« Die scharfe Stimme der Hochelfin befreite ihn aus dem Kreis seiner Gedanken. »Seht mich an!«

      Der Dunkelelf gehorchte stumm und drehte den Kopf zu ihr. Die kalten Augen Taremias musterten ihn eingehend. »Senkt das Fieber und sorgt dafür, dass er gerade gehen kann!«

      Magie kitzelte erneut seine erhitzte Haut und er hörte auf, darüber nachzudenken. Wie und warum auch immer es geschah, er war jedes Mal dankbar, dass sich überhaupt ein Heiler um ihn bemühte.

      Jonna hob seinen Kopf an und setzte eine Flasche an seine Lippen. Der herbe Geschmack von Kräutern flutete seinen Mund. Er schluckte langsam; die Flüssigkeit war dick und zäh, dafür angenehm kühl und eine Wohltat für seinen trockenen Hals.

      Ihre Hand, in der sich die heilende Magie sammelte, ruhte auf seiner Brust. Die Schmerzen schwanden und er spürte, wie das Fieber regelrecht aus seinem Körper gesogen wurde. Jonna setzte die Flasche ab und Dûhirion seufzte erleichtert.

      »Darf ich … ihm etwas Wasser geben?«, fragte die Heilerin vorsichtig.

      »Nein«, antwortete der Gildenmeister knapp. »Wir bringen ihn gleich zum Schafott, dafür verschwende ich kein Wasser.«

      Dûhirion leckte sich über die Lippen, nahm die letzten Tropfen der Flüssigkeit auf. Das musste ihm genügen.

      Der letzte Geschmack, den ich je wahrnehmen werde, dachte er. Wie hatten Elanors Lippen geschmeckt?

      Jonna richtete sich auf und gab zu verstehen, dass sie fertig war. Sie warf ihm einen letzten Blick zu, in dem sich aufrichtiges Mitleid spiegelte, bevor sie aus der Zelle trat.

      Es überraschte Dûhirion, dass die Heilerin Mitgefühl für Assassinen übrig hatte. Gerade sie musste doch wissen, welche Personen sich zwischen den Mauern Umbras bewegten.

      Taremia trat an ihn heran, löste die Fesseln von seinen Knöcheln und warf eine Hose neben ihn. »Zieht Euch etwas über und dann steht auf«, befahl sie.