Wunder und Wunderbares. Werner Gitt

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Название Wunder und Wunderbares
Автор произведения Werner Gitt
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783869549262



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Punkte sollen uns zu einer Erklärung führen:

      1. Gebet: Gott stellt sich immer wieder als derjenige vor, der Gebete erhört. In der Bergpredigt lehrt Jesus: »Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan« (Mt 7,7). Aus dem vorliegenden Text (Jos 10,14) erkennen wir, dass es auch ganz außergewöhnliche Gebete gibt, die Gott nur ein einziges Mal in der ganzen Weltgeschichte erhört. Wenn wir beispielsweise im Urlaub am Strand liegen und Gott darum bitten, er möge die Sonne doch noch ein paar Stunden länger scheinen lassen, dann können wir gewiss sein: Hierauf wird Gott nicht wie im Falle Josuas reagieren. Zum weiten Spektrum der Gebetserhörungen gehört auch, dass es Gebete gibt, auf die Gott sofort und immer und an jedem Ort reagiert. Es ist das Gebet eines Menschen, der Rettung erfleht: »Wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Röm 10,13). Es ist das größte Anliegen Gottes, dass wir nicht wegen unserer Sünde ewig verloren gehen. Darum sandte er seinen Sohn in die Welt: »Denn der Menschensohn ist gekommen, selig zu machen, was verloren ist« (Mt 18,11). Von der sofortigen Wirkung eines solchen Gebets erfuhr der eine Schächer am Kreuz aus dem Munde Jesu: »Heute wirst du mit mir im Paradies sein« (Lk 23,43). Alle anderen Gebete liegen zwischen diesen beiden Grenzmarken; Gott entscheidet in seiner Weisheit, wann und wie er auf die Gebete eingeht. Kein Gebet ist vergeblich!

      2. Koordinatensystem: Manche Kritiker der Bibel wenden bei dem oben zitierten Josua-Text ein, dass der Sonne befohlen wird, stehen zu bleiben, obwohl es astronomisch gesehen doch gerade umgekehrt ist – die Sonne steht still, und die Erde bewegt sich um sie herum. Hierbei haben wir zu bedenken: Jeder moderne Astronom spricht vom Sonnenaufgang und -untergang, obwohl damit nur die scheinbaren Bewegungen beschrieben werden. Und so können wir in jedem Kalender die Zeiten für Sonnenaufgang und -untergang nachlesen. Anders ausgedrückt: Man legt das Koordinatensystem in den Standort des Beobachters, weil dann die Verhältnisse so beschrieben werden, wie diese von ihm aus gesehen werden.

      Ich erinnere mich noch gern an die Mechanikvorlesungen meines geschätzten Lehrers Professor Eduard Pestel1 (1914-1988) an der Technischen Hochschule Hannover. Er war bei uns Studenten nicht nur wegen seiner gut strukturierten Vorlesungen, sondern auch wegen seiner angenehm freundlichen Art sehr geschätzt. Als er einen Ruf nach München erhielt, aber dennoch in Hannover blieb, haben viele Studenten sich dafür mit einem Fackelzug, der an seinem Haus endete, bei ihm bedankt. Gefürchtet waren allerdings seine Prüfungsklausuren, in denen er nicht wissen wollte, ob wir gut rechnen konnten. Ihm ging es darum, ob wir das Prinzip des mechanischen Systems so gut durchschauten, dass wir in der Lage waren, das Koordinatensystem für die Aufstellung der be-schreibenden Differenzialgleichungen so optimal zu setzen, dass diese leicht lösbar wurden. Hatte man den Nullpunkt des Koordinatensystems an die richtige Stelle gesetzt, war die Lösung der Aufgabe nur noch Anwendung des mathematischen Rüstzeugs. Durchschaute man die Wirkungsweise des Systems jedoch nicht richtig und setzte den Nullpunkt des Koordinatensystems an eine ungünstige Stelle, wurde der Rechenaufwand an den Gleichungen so beträchtlich, dass die Lösung nicht in der angesetzten Zeit zu schaffen war. Damit will ich auf Folgendes hinweisen: Der Nullpunkt des Koordinatensystems kann im Prinzip an beliebiger Stelle gesetzt werden; es gibt aber eine »beste« Stelle, bei der der Rechenaufwand minimal wird.

       Prof. Dr.-Ing. Eduard Pestel (1914-1988), Technische Universität Hannover.

      Genau dasselbe tut die Bibel auch. Es gilt durchgängig für alle biblischen Beschreibungen, dass der Nullpunkt des Koordinatensystems immer an die Stelle des Beobachters gelegt wird. So auch bei der Beschreibung des langen Tages bei Josua. Was an jenem Tag geschah, wird vom Standpunkt des Beobachters geschildert. Für ihn sah es so aus, als würde sich die Sonne am Himmel nicht weiterbewegen.

      An zwei weiteren Beispielen sehen wir ebenfalls, dass es auf den Standpunkt des Beobachters ankommt.

      a) In Lukas 12,54-55 beschreibt Jesus eine allgemeine Wetterbeobachtung: »Wenn ihr eine Wolke aufsteigen seht vom Westen her, so sagt ihr gleich: Es gibt Regen. Und es geschieht so. Und wenn der Südwind weht, so sagt ihr: Es wird heiß werden. Und es geschieht so.«

      Als ich in Paraguay war, also in der heißen Zone der südlichen Erdhalbkugel, da lernte ich eine andere Regel kennen: Wenn der Nordwind weht, dann wird es sehr heiß. Es ist dann jene Luft, die vom Äquator kommt. Die obige meteorologische Regel, die Jesus nannte, ist keine weltweit gültige, sondern eine für den Standort Israel gegebene.

      b) In Jeremia 16,14-15 finden wir eine Prophetie über die Rückkehr der Juden:

      »Darum siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass man nicht mehr sagen wird: ›So wahr der Herr lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat‹, sondern: ›So wahr der Herr lebt, der die Israeliten geführt hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte.‹ Denn ich will sie zurückbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe.«

      Diese Prophetie wurde in Israel ausgesprochen und nicht in Südamerika oder Australien. Das große Land im Norden von Israel war die frühere Sowjetunion; bemerkenswerterweise liegen Jerusalem und Moskau auf demselben Längengrad. Aus diesem Land sind seit Herbst 1989 über 840 000 Juden nach Israel eingewandert. Auch hier sehen wir, dass sich die gegebene Aussage auf den Standort des Beobachters (in Israel) bezieht.

      Halten wir fest: Die Bibel beschreibt die Phänomene und trifft Aussagen oder beschreibt Ereignisse immer vom Standort des Beobachters aus, weil sie dann am einfachsten zu verstehen sind.

      3. Das Wunder: Nun kommen wir zu dem Hauptproblem dieses Textes. Die physikalisch relevante Bewegung, die in Josua 10 geschildert wird, ist exakt beschrieben, wenn wir das Koordinatensystem in den Erdmittelpunkt legen: Die Erde wurde bezüglich ihrer Umdrehung um die eigene Achse eine Zeit lang angehalten (oder abgebremst) und später wieder »auf Tour« gebracht. Nach den Gesetzen der Mechanik entstehen dabei Beschleunigungskräfte, die massive Wirkungen auf der Erde auslösen: Die Ozeane schwappen über, das Wasser der Flüsse und Seen tritt über die Ufer, Tassen fallen aus dem Schrank und Menschen kippen um. So geschieht es unter Normalbedingungen.

      Aber hier greift derjenige ein, der Himmel und Erde durch sein Allmachtswort geschaffen hat. Es ist eine Kleinigkeit für ihn, in den sonst geltenden Naturgesetzen vorübergehend ein paar Parameter zu ändern. Hierfür verwenden wir die Bezeichnung »Wunder«.

      Wie können wir ein Wunder definieren? Zunächst möchte ich eine vorläufige Definition D1 geben, die wir nach weiterer Diskussion als D2 noch präzisieren werden:

      Definition D1: Ein Wunder versetzt uns ins Staunen, weil es unerwartet und unberechenbar auftritt und unserer normalen Beobachtung widerspricht.

      1.2 Wenn Wunder unerwartet sind, was ist dann das Erwartete?

      Diese Frage hilft uns, eine deutliche Trennlinie zwischen Wundern (Unerwartetes) und Nichtwundern (Erwartetes) zu ziehen. Alle Ereignisse in unserer Welt laufen innerhalb eines Rahmens von festgefügten Gesetzmäßigkeiten ab. Diese nicht veränderlichen Fügungen nennen wir Naturgesetze.

      1.3 Was ist ein Naturgesetz?

      Wir beobachten alle Tage, dass ein Gegenstand nach unten fällt. Das kann eine Tasse, ein Kugelschreiber oder auch ein Apfel am Baum sein – sie fallen alle auf die Erde. Dieselbe Gesetzmäßigkeit gilt auch für einen Turmspringer auf dem Zehnmeterbrett oder für den Absturz eines Meteoriten auf die Erde. Es spielt offenbar überhaupt keine Rolle, was das für ein Gegenstand ist, der da fällt.

      Außerdem stellen wir fest, dass das Herunterfallen mit einer Geschwindigkeit geschieht, die ständig zunimmt. Ganz allgemein ausgedrückt handelt es sich hierbei um das so genannte Gravitationsgesetz. Da es von diesem Gesetz in der Natur offenbar keine Ausnahme gibt, nennen wir es ein Naturgesetz.2

      Nach allem, was wir wissen, sind Naturgesetze konstant – sie sind unveränderlich seit ihrer Installation