Küstengold. Kurt Geisler

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Название Küstengold
Автор произведения Kurt Geisler
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839239384



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      Der Hauptkommissar schmunzelte. »Nein, so einfach liegt der Fall nicht, und wie der ans Sieb geriet, das wissen wir auch nicht. Er wollte abends nur Zigaretten holen gehen.«

      »Gibt es denn kein Muster?«

      Hansen klärte ihn auf. »Alle Morde fanden am Wochenende statt. Der zweite Mord geschah am letzten Wochenende in Eckernförde. Der Werkstattleiter der dortigen Stadtwerke wurde verschmort auf den Isolatoren in einem Umspannwerk entdeckt. Keiner weiß, wie er dorthin gekommen ist. Offensichtlich haben der oder die Täter Schlüssel gehabt. Und ich kann dich beruhigen, Stuhr. Auch der Werkstattleiter hatte keine Geliebte.«

      Stuhr staunte nicht schlecht. »Drei ungeklärte Morde also. Was wird als Nächstes geschehen?«

      Hansen seufzte. »Wenn wir das nur genauer wüssten. Wir waren seit gestern alle in Bereitschaft. Von der Systematik her wäre nach Kiel und Eckernförde als nächste Stadt an der Ostsee Schleswig in Frage gekommen. Wir haben seit Freitag alle Gebäude der Schleswiger Versorgungsbetriebe überwacht. Dann ereilt den armen Kerl hier das Schicksal am Rande von Rendsburg.«

      Zu kurz gedacht, sagte sich Stuhr. Eine Landkarte als Täterprofil, so simpel schien auch ihm der Fall nicht gelagert zu sein. Größere Zusammenhänge hatte Kommissar Hansen offensichtlich nicht im Auge. Ihm war anzumerken, dass er mit seinem Latein am Ende war.

      Neue Erkenntnisse waren nicht mehr zu erwarten, und so unternahm er vorsichtig Anstalten, diesen unwirtlichen Ort zu verlassen. »Ich werde mich auf die Socken machen, Hansen. Alte Weisheit: Wer morgens vor neun Uhr auf der Straße ist, der ist nichts und der wird nichts. Ich fahr zurück nach St. Peter-Ording.«

      Der Kommissar spottete. »Klar, die erwarten dich in Sankt Peter bereits mit Pauken und Trompeten. Aber Spaß beiseite, Stuhr. Du weißt doch, wer in der Landesverwaltung für diese Dinge zuständig ist: Strom, Energie, Klimaschutz?«

      Stuhr überlegte. Gut, er könnte vielleicht einmal unverbindlich im Wirtschaftsministerium nachfragen. »Ich sehe mal, was ich die Woche über erreichen kann. Die Zuständigkeiten für die Energiewirtschaft sind quer über die halbe Landesregierung verteilt, das wird ein wenig dauern. Wie geht es hier weiter?«

      »Na ja, der Notdienst der Stadtwerke wird gleich das Windrad blockieren. Dann können wir die Blutspuren an den Flügeln mit denen auf dem Boden vergleichen. Ansonsten sehe ich nicht, dass wir hier noch großen Erkenntnisgewinn erzielen können.«

      Stuhr zuckte mit den Schultern und verabschiedete sich. »Dann viel Glück bei der weiteren Spurensuche. Ich muss wieder ins Bett. Tschüß, Hansen.«

      Er wollte sich umdrehen, aber Hansen hielt ihn an der Schulter fest.

      »Hier, nimm dies. Sonst musst du noch bei meinen Kollegen pusten.« Der Kommissar reichte ihm einen Kaugummi zum Abschied.

      Stuhr stieg in seinen Wagen und beeilte sich, diese Stätte des Grauens zu verlassen. Selbst die Schafe wirkten immer noch verstört. Er fluchte, denn fast wäre er beim Einbiegen in die Landstraße mit dem Leichenwagen kollidiert. Dann befand er sich wieder auf dem Weg zur Schwebefähre. Während sie heranglitt, ging am Horizont die Sonne auf. Sie tauchte die letzten sich auflösenden Nebelschwaden in ein warmes, rötliches Licht.

      Stuhr erfreute sich an diesem Naturschauspiel. Man sollte öfter früh aufstehen, befand er.

      Mit Rücksicht auf seine Gefühlslage und den nervös pumpenden Magen beschloss er allerdings, auf ein ausgiebiges Frühstück in seinem Hotel in St. Peter-Ording zu verzichten.

      Hilflos

      Kommissar Hansen war sich unsicher, ob es richtig gewesen war, Stuhr vollständig über die Lage zu informieren und um Hilfe zu bitten. Aber seine Verbindungen in die Landesverwaltung waren unverzichtbar, um an interne Informationen heranzukommen.

      Zufrieden konstatierte Hansen, dass sich der Leichenwagen näherte. Wenn die Leiche von Sörensen erst einmal weggeschafft wäre und das Tageslicht zunehmen würde, dann würde man auf der Weide unter dem Windrad am Nord-Ostsee-Kanal die Spuren besser sichern können.

      Kaum, dass die Morgensonne begann, sich unter den Nebel zu schleichen und die Kanallandschaft in leuchtende Farben zu tauchen, eilte sein Kollege Pferdi Fingerloos heran. Ein feiner Kollege, nur hatte Kommissar Hansen ihm in einem schwachen Moment das Du angeboten. Das galt es irgendwann noch zu korrigieren, denn bei der Ansprache mit dem Vornamen zuckte Hansen nach wie vor jedes Mal zusammen.

      »Konrad, halt dich fest. Wir haben den Mord fast aufgeklärt. Es gibt lediglich zwei frische Spuren. Mit mindestens Schuhgröße 47 und tiefen Abdrücken ist einer der Täter ein großer und kräftiger Mann, der die Hubkanzel mitsamt dem an die Brüstung gebundenen Opfer den rotierenden Windflügeln zugeführt haben muss. Fingerabdrücke ließen sich auf dem Steuerungspult allerdings nicht sichern. Eine zweite Spur, vielleicht Schuhgröße 45, deutet darauf hin, dass noch jemand, vermutlich auch ein Mann, auf der Weide ständig hin und her lief. Das lässt darauf schließen, dass der zweite Täter die Anweisungen gegeben haben könnte. Beide Fußspuren verlieren sich allerdings auf der Straße.

      Zur Schwebefähre sind die beiden Täter sicherlich nicht gestapft, denn die erste Fahrt begann erst nach vier Uhr. Das wäre auch viel zu auffällig gewesen.«

      Besser als nichts, dachte sich Hansen. »Und Spuren von Sörensen?«

      »Nein. Von Sörensens Schuhen wurden keinerlei Abdrücke gefunden. Das könnte bedeuten, dass Sörensen längst tot war, bevor er geköpft wurde.«

      »Oder er ist mit übersinnlichen Kräften von der intergalaktischen Flotte auf den Hubwagen gebeamt worden.« Fingerloos griente.

      Wütend trat Kommissar Hansen ins Gras. Was sollte er tun? Er konnte am nächsten Wochenende schlecht jeden Energieversorger in Schleswig-Holstein bewachen.

      Ein Fahrzeug mit aufgeblendeten Scheinwerfern näherte sich auf dem Wirtschaftsweg. Die hinter ihm tief stehende Morgensonne erleuchtete das fluoreszierende Nummernschild: KI-KR 313.

      Das konnte nur die Kieler Rundschau sein. Hansen fluchte, denn die Presse konnte er zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht gebrauchen. Ein weißer Opel hielt genau hinter dem Leichenwagen. Nun, viel zu sehen gab es zum Glück nicht mehr, denn der Tote lag bereits in einem Zinksarg hinter Milchglasscheiben mit eingravierten betenden Händen.

      Im aufkommenden Tageslicht war zwar zu erkennen, dass die Kollegen vom Erkennungsdienst überall auf der Weide kleine flatternde Fähnchen aufgestellt hatten, mit denen sie die Spuren markiert hatten. Wie ein Kindergeburtstag wirkte die Szenerie dennoch nicht.

      Kommissar Hansen ließ die Scheinwerfer ausschalten, denn das Licht der Morgensonne war inzwischen so hell geworden, dass es für die weitere Spurensicherung ausreichen würde. Zudem würde der Fotograf der Rundschau bei diesem kräftigen Gegenlicht kaum zu einem brauchbaren Foto kommen.

      So war Kommissar Hansen überrascht, dass dennoch ein riesiges Objektiv aus dem Seitenfenster des Opel auf das Windrad gerichtet wurde. Am vielfachen Klacken bemerkte er, dass ganze Serien von Fotos geschossen wurden. Anschließend wurde er selbst einige Male abgelichtet. Nun erst stieg der Fahrer aus dem Wagen. »Presse, Kieler Rundschau, wir hätten einige Fragen.«

      Der Kommissar giftete zurück: »Ausgeschlossen. Bitte bleiben Sie hinter dem Absperrband zurück. Wir sichern noch die Spuren. Unsere Öffentlichkeitsabteilung wird Sie früh genug informieren. Jetzt lassen Sie uns bitte in Ruhe weiterarbeiten.«

      Die Reporter machten allerdings keinerlei Anzeichen abzuziehen. Jetzt brüllte der Fotograf: »Die Leute werden wissen wollen, was hier passiert ist. Die vielen Blutspuren.«

      Der Kommissar versuchte, die Sache herunterzuspielen. »Wir untersuchen den Fall akribisch. Vielleicht ein Schafmord. Es ist nicht auszuschließen, dass es ein Unfall war.«

      Das Lachen des Reporters klang nicht besonders belustigt. »Herr Kommissar, dann erklären Sie unseren Lesern doch bitte einmal, wie das Blut vom Schaf dort oben hinkommt.«

      Hansen biss sich auf die Lippen, ihm schwante Böses. Er drehte