Küstengold. Kurt Geisler

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Название Küstengold
Автор произведения Kurt Geisler
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839239384



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konnte seine Neugier kaum zügeln. »Du hast mit den Landespolitikern geredet? Das wird dir aber schaden. Nun lass mich nicht so zappeln.«

      »Nein. Ich bin zum Essen in die Kantine vom Landtag gegangen und habe mich immer an Tische gesetzt, an denen Abgeordnete in der Nähe saßen. Dann habe ich vor meinen Kollegen mit lauter Stimme beklagt, dass ich in meiner Bund-Länder-Arbeitsgruppe verlässlich erfahren habe, dass der Bund den ganzen Kohlendioxid-Dreck im Meeresgrund der Nordsee in Schleswig-Holstein lagern will. Alles bei uns.«

      Brodersen verstand das nicht. »Und?«

      Jetzt triumphierte Dreesen. »Da haben alle lange Ohren bekommen. Schließlich haben sich inzwischen überall an der Nordsee Bürgerinitiativen gegen die Kohlendioxid-Verklappung gebildet, und überall im Watt wehen Protestflaggen.«

      Brodersen klappte die Kinnlade herunter. Nachdenklich fragte er nach: »Aber wenn der Hesselbein jetzt zur Bund-Länder-Arbeitsgruppe gehört, bekommt der doch mit, was du angezettelt hast.«

      Dreesen schüttelte den Kopf. »Nö. Der Bund-Länder-Arbeitsgruppe habe ich einfach ohne Begründung schriftlich abgesagt.«

      Brodersen schaute ihn fassungslos an.

      Dreesen fuhr ungerührt fort. »Ich habe anschließend meine Kollegen in Berlin angerufen und Ihnen von den vielen Bürgerprotesten an der Westküste berichtet. Und dass unsere Politiker das Ziel haben, alle weiteren Aktivitäten der Arbeitsgruppe zu verhindern. Keine Reisen und so. Das haben die sofort begriffen. Schleswig-Holstein behält sich vor, selbst zu entscheiden, wann sie wieder an der Arbeitsgruppe teilnehmen wollen, haben sie vermerkt. Erstmal keine Einladungen mehr nach Schleswig-Holstein versenden, heißt das in der Verwaltungspraxis.«

      Brodersen war die Sorge um Dreesen deutlich anzumerken. »Hesselbein wird vermutlich früher oder später über die Akten stolpern.«

      Oberamtsrat Dreesen lächelte überlegen. »Nein, die Akten sind absolut sicher verwahrt. An einem Ort, wo sie niemand suchen oder finden wird. Rate mal.«

      Brodersen fiel nichts ein.

      Dreesen erlöste ihn. »In der Zentralregistratur, wo sie hingehören. Ein Labyrinth.«

      Brodersen konnte seine Bewunderung nicht mehr zurückhalten. »Mensch, Dreesen. Du bist ein Ass. Du gehörst zu denen, die wirklich etwas im Land bewegen.«

      »Wenn nicht ich, Brodersen, wer denn sonst?« Dreesen nickte selbstgefällig. Die Beerdigung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe war ihm staubfrei gelungen. Es wäre ja auch noch schöner, wenn sich Hesselbein in sein gemachtes Nest gesetzt hätte.

      Dreesens Gedanken schweiften wieder zu Jeanette ab. Gut, sie siezten sich noch. Seit fast einem Jahr. Stuhr hatte letzten Sommer einfach im falschen Moment dazwischengefunkt. Aber der war seit einiger Zeit glücklicherweise abgemeldet. Dreesen würde den nächsten Schritt zu einer engen Beziehung mit Jenny jetzt angehen. Ob es auf Dauer gut gehen würde?

      Nachdenklich sah er seinen Kollegen an. »Sag mal, Brodersen. Bist du eigentlich glücklich?«

      Sein Amtskollege war von dieser unerwarteten Anfrage überrascht, denn er wand sich wie ein Aal. »Mensch, Dreesen. Du kannst aber anspruchsvolle Fragen stellen. Kennst du einen einzigen Mann mit Frau und Kindern, der glücklich ist?«

      »Nein, ich meine etwas anderes. Ich bin an einer faszinierenden Frau dran. Hamburger Geldadel, ausgesprochen gut aussehend. Sonntag geht es mit ihr gemeinsam an die Nordsee.«

      Brodersen wiegelte ab, bevor er die Frage mit einer wegwerfenden Handbewegung abtat. »Na, erst einmal müsst ihr euch richtig kennen lernen. Nach zehn Jahren ist es dann egal, mit wem man zusammen ist. Das musst du doch noch von der Ehe mit deiner Olsch wissen.«

      Dreesen hielt dagegen. »Du kannst Jeanette nicht einfach so mit meiner Alten vergleichen. Das ist eine ganz andere Preisklasse. Zudem verehre ich sie.«

      »Deine Exfrau nicht?«

      »Bist du verrückt, Brodersen? Meine Olsch hat mir nach der Scheidung finanziell dermaßen die Hosen ausgezogen, dass ich am Stock gehe. Nun kommt endlich wieder ein wenig Licht in mein Leben, und du machst mir das mies. Ein feiner Kumpel bist du. Hast du noch einen Pieper?«

      Den hatte Brodersen. »Auf einem Bein kann man bekanntlich schlecht stehen, Dreesen.« Er griff in die Hosentasche, und dann wiederholte sich die Trinkzeremonie. Brodersen war neugierig. »Hast du ein Foto von dieser Jeanette?«

      Tänzelnd holte Dreesen beschwingt den Fotoaufsteller von seinem Schreibtisch und übergab ihn seinem Kollegen. Das Foto zeigte Jeanette und ihn. Sie standen zwar noch getrennt auf beiden Seiten eines Dienstfahrzeugs, aber solche Beweise zählten in einer Behörde: Ehepartner, Geliebte, Scheidungen und Kinderglück, all dies ließ sich aus den Fotoaufstellern ablesen.

      »Nicht schlecht«, brummelte Brodersen. »Die würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.«

      Dreesen lachte laut auf. »Tut mir leid, aber bei Jeanette hättest du keine Chance.«

      Brodersen ging darauf nicht ein. »Meine Frau ist schon in Ordnung. Sie kann gut kochen, ist reinlich. Als Beamter kann man sich eine Scheidung nicht leisten.«

      Das Glucksen konnte sich Dreesen nicht verkneifen. »Ja, das weiß ich doch am besten. Aber ein wenig Abwechselung kann nicht schaden. Vielleicht habe ich auch etwas für dich. 30, 50, 80. Ist das nichts?«

      Ungläubig musterte ihn Brodersen. »Ein Model für mich, oder wie meinst du das?«

      Dreesen grinste. »Nein, kein Model, sondern eine gute Gelegenheit für dich. Ich meine das neue Teilzeitangebot, was die Landesregierung gerade ausheckt. Du musst 30 Dienstjahre auf dem Buckel haben und mindestens 50 Jahre alt sein. Dann bekommst du 80 Prozent der letzten Bezüge als Ruhegehalt.«

      Dieser Lichtstreifen am Horizont ließ Brodersen aufleben. »80 Prozent Pension mit 50 Jahren? Ist das dein Ernst?«

      Dreesen lachte sich schimmelig. »Nein, natürlich nicht. Ich wollte dir zum Wochenende nur eine kleine Freude bereiten.«

      Brodersen lachte kurz schallend, bevor er mit neidvollem Blick das Foto von Jeanette kommentierte. »Es hat nicht jeder so viel Glück wie du.«

      Dreesen schlug Brodersen freundschaftlich auf die Schulter. »Ach, was. Das mit dem Glück geht auf und ab. Du wirst sehen.«

      Brodersen reichte ihm die Hand zum Abschied: »Dann Waidmannsheil.«

      »Waidmannsdank.« Dreesen schnappte sich fröhlich seine Aktentasche und folgte Brodersen aus dem Büro. Ein aufregendes Wochenende lag vor ihm, welches sein Leben von Grund auf verändern könnte.

      Wenn ihm Stuhr nur nicht wieder in die Quere kommen würde.

      Geschäfte anderer Art

      Die Stimmung auf der Sonnenterrasse der Sansibar Arche Noah wurde im Laufe des Nachmittags immer ausgelassener. Stuhr nippte weiter genüsslich an seinem Weizenbier, während er den immer bunter werdenden Ausführungen von Schneider lauschte.

      »Frauen einmal ganz beiseite, die sind nicht alles im Leben. Wissen Sie, mir ging es nicht immer gut. Früher habe ich mich von morgens bis abends mit einem kleinen Bauunternehmen abgeplagt, aber mein Bankkonto raste dennoch immer weiter in den Keller.«

      Schneider spürte Stuhrs Interesse und holte weiträumig aus. »Wissen Sie, ich habe mich immer bemüht, ehrliche Arbeit abzuliefern. Ich hatte mich seinerzeit auf den Verkauf von Holzvillen spezialisiert, für gehobene Ansprüche natürlich. Selbst den Ökotrip habe ich aufgenommen und amerikanische Holzständerbaukonzepte übernommen. Irgendwann konnte ich mich vor Bestellungen kaum noch retten.«

      Das freute Stuhr. »Na, da wird sich Ihr Konto ja schnell erholt haben.«

      Verständnislos musterte ihn Schneider. »Erholt? Wie kommen Sie denn darauf? Es hätte mich fast in den Ruin getrieben. Sie glauben ja nicht, was ich mit der Klientel erlebt habe, die diese Häuser kaufen.«

      Stuhr rätselte. »Vermutlich