Küstengold. Kurt Geisler

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Название Küstengold
Автор произведения Kurt Geisler
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839239384



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Lohn zu überweisen, beauftragen sie Bausachverständige und Rechtsanwälte, um Abzüge vom Kaufpreis zu erwirken. Dann kann man sich nur noch überlegen, ob man gleich auf seinen Gewinn verzichtet oder frisches Geld auf juristische Zweikämpfe setzt.«

      »Hatten Sie denn keine ehrlichen Zahler?«

      Schneider schüttelte den Kopf. »Anfangs nicht. Ein einziges Mal habe ich den gesamten Preis bar auf die Hand gezahlt bekommen, allerdings auch zwei Säcke voll mit kleinen Scheinen und Münzgeld. Der Kunde musste seinen persönlichen Geldspeicher geleert haben. Ich habe erst später mitbekommen, dass der Käufer Vorsitzender der Nordfriesischen Weihnachtstombola war.«

      Stuhr konnte das nicht glauben. »Sie denken, er hat Spenden veruntreut?«

      »Was würden Sie denn denken? So geht es nicht weiter, habe ich mir jedenfalls daraufhin gesagt. Wenn alle bescheißen, dann musst du auch bescheißen.«

      »Bescheißen?«, wiederholte Stuhr ungläubig.

      »Ja, bescheißen. Zuerst natürlich den Staat, das geht am einfachsten. Was blieb mir übrig, als billige Arbeitskräfte aus dem Osten einzustellen? Ohne Steuerkarte natürlich. Während der Woche haben die Polen geknüppelt wie die Irren, damit sie am Wochenende möglichst früh nach Hause konnten.«

      »Polnische Leiharbeiter?«

      »Ja. Von denen habe ich viel gelernt. Am meisten von Pawel, meinem Vorarbeiter. Der stammte aus Schlesien und war ein Schlitzohr. Er hat mich auf die richtige Spur gebracht. ›Szef, du musst nicht selbst arbeiten. Arbeit liebt die Dummen, sagt ein altes Sprichwort.‹ Pawel hatte recht. Erst später habe ich herausbekommen, dass er von meinen Arbeitern Vermittlungsgebühren abgepresst hat.«

      Ungläubig verfolgte Stuhr Schneiders Geschichte. Genüsslich sog der an seiner Zigarette, bevor er mit zwei Fingern Nachschub orderte, ohne sich umzudrehen. »Sie trinken doch einen Blutsturz mit mir?«

      »Einen Blutsturz?« Stuhr verstand nicht.

      »Ja, das rötliche Gesöff. Prosecco mit Martini Rosso. Reinigt die Blutbahnen.« Ohne sich um Stuhrs Antwort zu kümmern, erzählte er weiter.

      »Ich habe Pawel zunächst nicht verstanden, denn ich war gewohnt, immer selbst mit reinzuhauen. Aber dieser Pawel hat mir als Chef die Augen geöffnet. ›Szef, du musst immer behalten die Übersicht. Ein General muss alles übersehen, er darf selbst nicht kämpfen. Dumme leben von der Arbeit. Der Kluge lebt von den Dummen.‹ Ich ließ also die Jungs werkeln und kümmerte mich ausschließlich um meine Geldgeschäfte. Ein weiser Entschluss, denn seitdem lebe ich im Überfluss.«

      Stuhr sah ihn zweifelnd an, denn so ganz erschloss sich ihm der Schlüssel zum Reichtum noch nicht.

      Schneider bekam seinen Blutsturz wie gehabt über sein Haupt gereicht. Anschließend legte Verena eine halbe Hafenrundfahrt auf der Terrasse ein, um Stuhr seinen Cocktail fachgerecht von der rechten Seite zu reichen. Beim Niederknien geriet der Blick auf ihre schönen Beine außer Sichtweite, dafür schob sich das ausladende Angebot ihrer Brüste in den Vordergrund, welche nicht einmal von einem Büstenhalter gepusht wurden.

      Schneider nahm keine Notiz davon, er dozierte weiter über seine Geschäftspraktiken.

      »Nun, ich will nicht allzu viel aus dem Nähkästlein plaudern, aber mit der Mehrwertsteuer geht immer etwas. 19 Prozent sind kein Pappenstiel, und Pawel hat mir zusätzlich Nachhilfe in Punkto Kalkulation gegeben. Immer einfach die eigenen Kosten verdoppeln zur Preisfindung, und dann einen kleinen Rabatt einräumen.«

      Stuhr schüttelte ungläubig den Kopf. »Das klingt sehr simpel. Wie ist dieser Pawel denn darauf gekommen?«

      Schneider nahm einen tiefen Lungenzug. »Pawel hat seine Lehren aus dem Sozialismus gezogen und immer Gegenleistungen für seine Rabatte eingefordert. Das System funktioniert genauso im Kapitalismus.«

      Stuhr konnte kaum glauben, dass Schneider damit durchgekommen war. »Und Ihre Kunden haben anstandslos bezahlt?«

      Schneider lachte mit bleckendem Gebiss. »Nein, natürlich nicht. Aber nun konnte ich meinen Kunden locker entgegenkommen. Teuer, aber kulant. Das hat mir beste Empfehlungen und viele Folgeaufträge beschert. Meine anspruchsvollsten Kunden waren zufriedengestellt, weil sie mir etwas abfeilschen konnten. Diese Volksgruppen sind nun einmal so. Ärzte, Zahnärzte, Rechtsanwälte. Die haben die Kohle.«

      Dem wollte Stuhr nicht widersprechen. »Dann laufen Ihre Geschäfte ja prächtig.«

      Schneider lächelte entspannt. »Nein, da habe ich lediglich meine erste Million mit gemacht. Aber es war mühsam. Ich habe Pawel kurzerhand die Zimmerei geschenkt und bin mit meinem Kapital in interessantere Wirtschaftszweige eingestiegen. Ab und zu treffen Pawel und ich uns noch, dann trinken wir ein Fläschchen Wodka und erzählen uns die skurrilsten Geschichten.«

      Wieder schüttelte Stuhr ungläubig den Kopf.

      Schneider rückte jetzt ganz nahe. »Aber passen Sie auf. Wenn Sie Pawel begegnen und bei ihm eine Holzvilla bestellen, dann stammt im besten Fall lediglich das Holz des gefälschten Prägestempels aus ökologischen Beständen, denn das Baumaterial für die Holzhütten kommt aus den Wäldern der Umgebung von Tschernobyl.«

      Stuhr verzog ungläubig das Gesicht. War das nicht Betrug? »Und welche Geschäfte betreiben Sie jetzt, wenn ich fragen darf?«

      »Dürfen Sie, dürfen Sie. Ich habe mich voll und ganz dem Handel in der Energiebranche verschrieben. Die Politiker zwingen uns ja förmlich dazu, unsere Millionen im Energiebereich zu verdienen. Es geht nur noch um Papiere und Beratungsleistungen. Keine unliebsamen Mitarbeiter, keine quengeligen Kunden, keine Regressansprüche mehr. Nur noch schnelle Geschäfte ohne Vorleistungen. Ihren Namen habe ich leider immer noch nicht verstanden.«

      Nur der Nachname würde nichts von ihm verraten. Er reichte Schneider die Hand. »Stuhr. Aus Kiel. Moin.«

      Schneider sprang völlig unerwartet hoch und vollführte fingerhebend drei tänzelnde Drehungen, bevor er sich wieder setzte. »Ihr Norddeutschen seid schon ein Kapitel für sich. Nur nicht jemand anderem zu nahe kommen. Dabei kann ich Ihnen ein völlig neues Lebensgefühl erschließen.«

      Stuhr schüttelte uninteressiert den Kopf, weil es sich anhörte, als ob ihm Schneider Waldparzellen auf dem Mond verscherbeln wollte.

      Sein Sitznachbar stöhnte auf. »Meine Geschäfte sind konkreter als Sie denken, Herr Stuhr. Schauen Sie sich nur einmal das riesige Naturschutzgebiet vor St. Peter-Ording an, auf dem lediglich einige Pfahlbauten stehen. Das ist genau die richtige Stelle, um einen unterirdischen Speicher für Kohlendioxid einzurichten. Die wohlhabenden Touristen können auf den Pfahlbauten weiter feiern, und nicht einmal die barfüßigen Strandgänger werden sich gestört fühlen. Hier oben kann alles so bleiben, wie es ist, während unten eine neue Geldquelle unerlässlich sprudeln kann.«

      Skeptisch fragte Stuhr nach. »Ist das Ihr Ernst? Das ist doch vermutlich alles Naturschutzgebiet hier oder nicht?«

      »Richtig, das gehört alles zum Schleswig-Holsteinischen Nationalpark Wattenmeer. Und genau deswegen wird sich jedes Sandkorn, in das Sie hier investieren, über kurz oder lang in einen Klumpen Gold verwandeln. Sie müssen einfach nur daran glauben.«

      Das fiel Stuhr schwer. »Glauben?«

      Schneider überging die Nachfrage. »Mein Konzept ist, Chancen doppelt und dreifach zu nutzen. Nehmen Sie die Nordseeküste als Beispiel: unter dem Wattenmeer ein Kohlendioxidlager anlegen und obendrauf einen Offshore-Windpark setzen. Dafür werden Genehmigungen benötigt. Man muss also beste Kontakte zu allen Beteiligten haben. Genau das ist mein Job. Jede Genehmigung eine Million Euro Gewinn.«

      »Doppelt, ich verstehe. Aber dreifach?«

      Das erläuterte Schneider souverän: »Tourismusförderung. Ich berate Investoren und besorge Fördergelder. Bei meinen Kontakten kein Problem, verstehen Sie?«

      Stuhr entschied sich, ein neutrales Gesicht aufzusetzen. »Nö.«

      Schneider zog die Kumpelkarte. »Mensch, Stuhr. Verstehen Sie mich nicht falsch. Aus jedem Klumpen Gold