Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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der Hauptkommissar aus Düsseldorf noch versucht, seiner Verwirrung Herr zu werden, immerhin ist ja noch nicht mal die Währungsunion vollzogen, löst ein aufmunternder Blick des Bonner Beraters in Richtung des Leiters der Ost-Kripo die beklemmende Starre auf.

      „Ja ... mmh ... Herbert, also der Kollege Benedict wird also unten in der MUK mit dir zusammen arbeiten. Soweit das die Ermittlungen in der Todessache Fuchs betrifft, ist also ... und das ist Anweisung aus der Mauerstraße ... dem Düsseldorfer Kollegen jegliche Unterstützung zu gewähren ..."

      Der Mann hinter dem Riesenmöbel fährt sich mit den knorrigen Fingern unter den engen Hemdkragen. Das aschfahle Gesicht ist von scharfen Kerben durchzogen. Seine Hand greift mit einer fahrigen Bewegung nach der schwarzweißen Packung auf dem Schreibtisch. Er inhaliert so gierig, dass Benedict schon beim Zusehen einen Hustenanfall bekommen könnte. Irgendwie tut ihm der Mann mit der Karo zwischen den blauen Lippen leid. Wenn das nämlich einer von der Sorte war, dann mussten in ihm ja Welten zusammengebrochen sein. Und jetzt auch noch so was.

      „Wissen Sie denn schon, wo Sie Unterkommen werden, Herr Benedict?“

      „Nein, bis jetzt noch nicht.“

      Der Dicke aus Bonn hat beschlossen, den hilfesuchenden Blick des Ost-Leiters nicht zu beachten. Er konzentriert sich angelegentlich auf die polierten Nägel seiner gepflegten Hände.

      „Also, das wird ja wohl hier etwas länger dauern. Dann bringen wir Sie am besten im Gästehaus der VP, draußen in Marzahn, unter. Es sei denn, Sie möchten lieber in Berlin-West... ist ja jetzt kein Problem ...?“

      Nein. Benedict wollte nicht in West-Berlin wohnen. Wenn er schon hier arbeitet, dann auch richtig.

      „Das geht in Ordnung... mit dem Gästehaus, meine ich, gerne!“

      „Wie Sie meinen! Herbert, du klärst das dann mit dem Objektleiter ... äh ..., mit den Leuten in Marzahn. Und organisiert bitte auch den Transport! Alles weitere klärt ihr dann am besten unter euch ... Fachleuten ... seid ja Kriminalisten. Dann wünsche ich erfolgreiche Zusammenarbeit und ... vielleicht hätten die Herren ja jetzt Lust auf einen kleinen Begrüßungsschluck ...?“

      „Etwas noch“, löst Strötker plötzlich den Blick von seinen Fingernägeln, „der Hauptkommissar braucht einen Hausausweis. Schließlich muss er unseren Dienstausweis ja bei sich haben. Aus Gründen der Legitimation, oder?“

      „Ja, sicher, selbstverständlich!“, beeilt sich der Leiter der Ost-Kripo, dem Wunsch des Beraters zu entsprechen.

      *

      „Mensch Herbert, Jugendfreund, Du kannst den doch nicht mit diesem Wagen an den Murtzaner Ring schicken. Du weißt doch, was da los ist. Heute gestohlen, morgen in Polen!“

      „Ja ...“, sagt Meißner und kratzt sich leicht verlegen das Kinn.

      Dem „immer noch“-Oberleutnant Engel scheinen derartige Anwandlungen fremd zu sein, und er grinst pausbäckig. „Stellen Sie die Schleuder solange auf den Innenhof im Präsidium. Haben unsere Leute doch auch mal was Schönes zu sehen. Nich’ bloß immer Barkas und Wartburgs!“

      „Geht das denn?“, vergewissert sich Benedict mit einem Blick zum MUK-Leiter.

      „Für Ihresgleichen geht hier doch jetzt alles!“, ist Engel auch diesmal wieder schneller, und der Polizist vom Rhein hört nun auch bei ihm erstmals diesen Unterton verdrossenen Missmuts heraus.

      „Wird schon in Ordnung gehn“, bestätigt auch Meißner kurz und sachlich. „Ich bring Sie dann raus nach Marzahn und setz Sie da ab.“

      Genau wie Engel gesagt hatte. Das Auto mit dem Düsseldorfer Kennzeichen ist nicht einmal der einzige Westwagen im Hof des VP-Präsidiums, aber es ist zweifelsohne das feinste Gefährt. Und die Herstellung seines Hausausweises in der Abteilung Kriminaltechnik hatte nur ganze drei Minuten gedauert. Mit seinem eigenen Dienstausweis in der Tasche fühlt sich Benedict schon viel wohler, als er, neben Meißner auf dem Beifahrersitz des Wartburg sitzend, den Hof des Präsidiums der VP verläßt.

      „TONI 170, kommen!“, spricht der MUK-Leiter über Funk.

      „TONI 170, kommen!“, knattert es rauschend aus dem Lautsprecher.

      „TONI 170, gehe auf Empfang!“

      „TONI 170, Ende!“

      Wahnsinn, denkt Benedict.

      Langsam tuckert der Kripo-Wartburg durch den starken Nachmittagsverkehr Richtung Marzahn. Wahnsinn. Hier sitze ich und höre den Funkverkehr der VP mit. Ganz offiziell. Und vor einem Jahr habe ich noch auf der anderen Seite gestanden. Wütend und verbittert.

      „Wahnsinn!“

      „Mm. Die Probleme hatten wir vor der Wende nicht. Jetzt fahren sie alle wie die Henker. Und dann die Rostlauben von drüben, die sie den Leuten hier andrehen...“

      Es war ihm einfach laut raus gerutscht, und Meißner hatte es offensichtlich anders interpretiert, als er es gemeint hatte. Er wird mit seinen Äußerungen etwas bedachter umgehen müssen. Auch weiß er ja inzwischen schon mehr. MUK heißt also „Morduntersuchungskommission“, und es gibt da auch noch eine BUK, eine „Branduntersuchungskommission“. In Düsseldorf lief das alles in einer Hand. Die militärischen Ränge sind ja zum Glück als Erstes abgeschafft worden, aber wenn er daran denkt, was er vorhin mit Engel im Präsidium erlebt hat... da scheinen sich einige an die zivileren Dienstränge schlecht gewöhnen zu können. Die vom kantigen Leiter der K - PdVP Berlin, Hauptstadt der DDR - vorhin erwähnte Mauerstraße ist der Sitz des Leiters der Haupt-Abteilung Kripo der VP der DDR. Und von da, hatte ihm Engel erklärt, geht der direkte Draht zum „inneren Diestel“, wie er das Ministerium des Inneren der DDR etwas abschätzig tituliert hatte. Und das morgen frühes Aufstehen angesagt ist, weiß Benedict jetzt auch. Um 7 Uhr 30 ist Dienstbesprechung beim Leiter der K. Na, wenigstens kennt er den schon.

      „Also, den Engel find’ ich nett“, versucht Benedict die schweigsame Fahrt auf zu lockern.

      „So?“

      Himmel noch mal, ist das ein Stockfisch!

      „Warum geht der eigentlich? Scheint doch ganz in Ordnung zu sein!?“

      „Ach ... das fragen Sie ihn doch besser selbst. Scheinen ja ganz gut mit ihm zu können!“

      Was die zukünftige Zusammenarbeit mit Meißner betrifft, schwant Hauptkommissar Benedict Fürchterliches. Wenn der das unter „kooperativer Zusammenarbeit“ versteht - na, Prost Mahlzeit!

      Benedict hatte schon von Marzahn gehört, aber die Wirklichkeit übertrifft alles Hörensagen. Dagegen ist Düsseldorf Garath geradezu ein Sinnbild fröhlich-gemütlicher Urbanität. Und das nannten die hier bevorzugte Wohnlage? Mein Gott, hätte er vielleicht doch lieber in West-Berlin ...

      „Da sind wir!“

      Das Dienstvehikel kommt hinter einem auf seinen Felgen aufgebockten und ausgeschlachteten PKW, Marke Trabant, zum Stehen.

      Das Gästehaus der VP ist ein flacher Bau und duckt sich im Schatten der umstehenden Wohnblöcke. Benedict windet sich ächzend aus dem Beifahrersitz heraus. Plötzlich hält er in der Bewegung inne. Lauscht. Wendet den Kopf hinüber zur anderen Straßenseite, horcht. Ein lang anschwellendes, helles Stöhnen geht in einen gleichmäßig sonoren Brummton über. Metallisch quietschende Schleifgeräusche eiserner Radfelgen. Mit verklärtem Gesichtsausdruck nimmt der Mann aus Düsseldorf diese lange vermissten Töne in sich auf.

      „Die richtige S-Bahn!“, entfährt es ihm verzückt.

      Meißner, der ihn bis jetzt nur verblüfft angestarrt hatte, lässt den dünnen Anflug eines amüsierten Lächelns zu.

      „Nu, klar doch. Da drüben is ja ooch der S-Bahnhof Karl-Maron-Straße. Die wer’n Se jetze öfters hören!“

      *