Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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für die Beantwortung der Frage zu verschaffen. Ja, woran hängt es, dass sie in dieser Sache nicht weiterkommen? Sollte er vielleicht zugeben, dass es der erfolgsgewohnten Kl-Truppe nicht gelungen ist, aus der Vielzahl der Vernehmungsprotokolle etwaige Unschlüssigkeiten herauszufiltern, offensichtliche Absprachen nachzuweisen und mittels erstellter Bewegungsbilder den Täter einzukreisen, um ihn dann durch gezielte Befragungen in eine Situation zu führen, in der er die Aussichtslosigkeit weiteren Leugnens einsah? Oder zumindest eine lückenlose Indizienkette für den Staatsanwalt aufzubauen?

      „Brauchen Sie mehr Leute? Sind Sie doch zu knapp?“

      Dem Leitenden scheint Benedicts Schweigen als Antwort auf die Frage des Polizeipräsidenten denn doch nicht ausreichend.

      „Nein, nein. Daran liegt’s wohl nicht!“

      Es war doch eine ganz normale Situation gewesen. Der Fall. Das Rauschen im Blätterwald der veröffentlichten Meinung. Die große Ermittlungskommission mit Tschingdarassabumm und Trommelwirbel. Pressekonferenz von Ermittlungsführern und Staatsanwälten. Dann ein neuer Fall. Die große Ermittlungskommission zieht weiter, Medien und Staatsanwälte in ihrem Schlepptau... und K1 nahm routiniert die Sachbearbeitung auf. Nichts, womit man sich großartig in der Öffentlichkeit profilieren konnte, wirklich nicht. Aber die intern geführte Statistik des Düsseldorfer Präsidiums zeigte ansteigende Aufklärungsquoten im Bereich Todes- und Brandermittlungen. Und das ganz gegen den sonstigen bundesweiten Trend. Aber bei dieser Sache, bei dem Mann aus Ost-Berlin, da war der Wurm drin ... Gegen Benedicts Willen gestaltet sich dieser letzte Gedanke zu einem entsprechenden Bild in seinem Inneren. Ganz unvermittelt stülpt sich ihm fast der Magen um. Fast rutscht ihm das Glas mit Mineralwasser aus den schweißnassen Händen, als er es zitternd an die Lippen führt. Mit nervösen, hastigen Schlucken bekämpft er das Würgen in entgegengesetzter Richtung.

      „Wir haben ja noch ein weiteres Problem, Herr Benedict, auf das ich an dieser Stelle kurz aufmerksam machen möchte...“

      Wie immer sind die Worte von Staatsanwalt Sprotte ,kanzelreif‘, aber sie entbehren heute der gewohnten Schärfe. Benedict, nicht ahnend, dass sein eigenes, kalkweißes Gesicht Ursache der ungewohnten Milde des Anklagevertreters ist, wappnet sich daher misstrauisch für eine erwartete Hinterlist. „... In etwa einem Monat werden die Leutchen fast alle das Aufnahmeverfahren abgeschlossen haben! Dann kann jeder gehen, wohin er will, und wir haben keinerlei Handhabe, sie daran zu hindern ... wenn wir nicht dringenden Tatverdacht in Einheit mit Fluchtgefahr nachweisen können!“

      Sprotte, der sich mittlerweile wohl damit abgefunden hatte, dass die Robe in Karlsruhe eine Nummer zu rot für ihn war, bringt die Sache auf den Punkt. Die Zeit. Sie sitzt ihnen im Nacken. Und es ist anzunehmen, dass auch die Leute auf den vier Übersiedlerschiffen, insbesondere die auf der English Lady, um den Zeitfaktor wissen und ihn für ihre Zwecke nutzen. Mit einer äußerlich an den Tag gelegten kooperativen Haltung - der K1-Leiter empfand sie im Verlauf der Ermittlungen immer mehr als aufgesetzt und liebdienerisch - hatten sie Ganser & Co. und auch ihn selbst mehrere Wochen an der Nase herumgeführt. Benedict hatte in den Augen seiner eigenen Mannschaft ungewöhnlich viel Nachsicht und Zurückhaltung gegenüber den Leuten aus Anklam und Apolda gezeigt. Immer wieder ermahnte er seine Crew zu tolerantem, ja verständnisvollem Umgang mit den Ostlern. Ganser, der als einziger den Hintergrund von Benedicts milder Befangenheit kannte, versuchte sich bislang mehr oder weniger erfolglos als unglücklicher Vermittler zwischen den Fronten. Vor einer Woche schließlich hatte der Hauptkommissar das Ruder herumgeworfen. Wahrscheinlich war es zu spät gewesen, denn seither machten die Befragten den Vernehmern gegenüber deutlich, dass sie diese für die „Büttel des Klassenfeinds und Imperialismus“ schlechthin hielten.

      Jedenfalls taten sie so ... oder sie meinten es wirklich ... oder?

      „Wir möchten Ihnen einen Vorschlag machen, Benedict ...“, räuspert schließlich der Buddha in der karierten Jacke aus dichten Qualmwolken heraus.

      2

      Als er mit dem Jaguar in die breite Hans-Beimler-Straße einbiegt, ist es fast halb elf. Sicher, die zeitraubenden Kontrollen auf der Transitstrecke waren Vergangenheit, aber dafür hat die Verkehrsdichte in Richtung Osten zugenommen.

      Er hat Glück und kann den Wagen auf der anderen Straßenseite, vor einem ,Natascha‘-Laden mit sowjetischer Volkskunst bequem parken. Langsam überquert er die Straße. Während er sich seinem neuen Arbeitsplatz nähert, pfeift er unbewusst eine Melodie vor sich hin. Das wird nicht einfach werden. So blauäugig ist er wirklich nicht. Ist schließlich kein Freundschaftsbesuch bei dänischen Polizeikollegen. Und seine eigenen Erfahrungen mit den „Organen“ einer vergangenen Zeit kann er auch nicht einfach so beiseite schieben. Dann, er nähert sich unaufhaltsam dem Eingang des klotzigen Polizeipräsidiums, strengt er sich an, seine aufkommenden Unlustgefühle zu verdrängen.

      Irgendwie hatten irgendwelche Tagesschau-Filmberichte das Bild eines modernen, alles überragenden Hochhauses in seinem Kopf geformt. Mit Antennen, bis ins Schlafzimmer lauschend, und Video-Kameras, Straßenschluchten ausforschend. 1984.

      Ein falsches Bild.

      Der Bau ähnelt fast „seinem“ Präsidium am Düsseldorfer Jürgensplatz. Als er endlich die Vorhalle betritt, hat er fast das Gefühl „zu Hause“ zu sein.

      „Guten Tag! Ich möchte zu Hauptkommissar Meißner!“

      Die zivil gekleidete Frau hinter dem Pförtnertresen sieht mit Gleichmut - was sonst hatte er erwartet? - auf seinen Dienstausweis und greift zum Telefon.

      „Der ... äh ... der Kollege aus Düsseldorf ist jetzt da! Ja, ist in Ordnung.“

      Sie schiebt ihm einen Passierschein über den Thesen. Etwas beunruhigt sieht Benedict seine Dienstlegitimation in einer Art Postfach verschwinden, aber die Wachfrau begegnet seinem Blick mit dem Hinweis, dass er den Düsseldorfer Polizeiausweis beim Verlassen des Gebäudes zurückerhalten würde.

      „Der Leiter MUK holt Sie dann gleich ab!“

      Sein Kollege Ganser hatte zuerst sogar an einen Witz geglaubt, als Benedict nach der Sitzung beim Polizeipräsidenten mit der Neuigkeit raus gerückt war. „Wie, du gehst nach Ost-Berlin?!“ hatte er so laut raus geblökt, dass natürlich auch der Rest der Bullenmeute aufmerksam wurde. Aber Benedict wollte dazu sowieso nicht viel sagen, und der Rest des Tages war mit der Klärung organisatorischer Einzelheiten vergangen.

      Gerade fragt Benedict sich noch spaßhaft, ob MUK vielleicht die Abkürzung für „Mörder und Killer“ sein könnte, als ein Mann direkt auf ihn zukommt.

      „Sie sind Herr Benedict? Aus Düsseldorf? Mein Name ist Meißner, Leiter der MUK, guten Tag!“

      „Ja ...“, räuspert sich der Angesprochene trocken.

      Und als wäre nicht schon alles schwierig genug, ist da auch noch ein Paternoster, in dem sie die Fahrt nach oben antreten müssen. Ein Paternoster! Benedict vermied es im Düsseldorfer Präsidium stets, diese ächzenden, ihm zutiefst unheimlichen vorsintflutlichen Kästen zu benutzen. Er schluckt nur feige, während es rumpelnd und quietschend nach oben geht. Sein Blick saugt sich Halt suchend an Meißners glatten Gesichtszügen fest. Sicher versucht auch dieser, ein erstes Bild von Benedict zu gewinnen. Welchem Umstand wird er es wohl zuschreiben, dass dem West-Kollegen das Wasser in Strömen über das Gesicht fließt? Dann überbrückt Meißner leichtfüßig die Lücke zwischen Paternoster und glatt gebohnertem