Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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      Das Gefühl ist ihm nicht unbekannt. Bei seinen früheren „Grenzübertritten“ hatte er es immer gehabt. Sicher nicht unbegründet, damals. Aber dass es seit gestern Abend wieder da ist, macht ihn doch unsicher. Es konnte doch gar nichts sein. Aber sein Instinkt hatte ihn nie im Stich gelassen.

      *

      Es scheint, als zöge das gewaltige Sicherheitskarree zwischen Normannenstraße und Frankfurter Allee die schwülen Gewitterwolken magisch an. Obwohl Benedict vorsorglich auf das Jackett verzichtet hat, gerät er auf dem Weg zur Zentral-Kartei ins Schwitzen. Hoffentlich gibt es da drinnen wenigstens so was wie ’ne Klimaanlage.

      „Sie müssen versuchen, uns zu verstehen. Da ist schon soviel falsch gelaufen!“ bedrängt ihn die Kurzhaarige, die ihn bei der Anmeldung in Empfang genommen hatte.

      Benedict wischt sich den Schweiß aus seinem übermüdeten Gesicht. Schürzt mürrisch die Lippen. Erst hatten sie ihn bis heute Vormittag warten lassen und dann noch den Meißner mit der kurzen Bemerkung: „die Genehmigung gilt nur für den Herrn Benedict“, ganz einfach nach Hause geschickt. Ohne seinen unwirschen Kompagnon kommt er sich ganz schön auf verlorenem Posten vor.

      „Fotokopien dürfen Sie keine machen! Sie können sich natürlich alles raus schreiben, was Sie für Ihre Ermittlungen brauchen. Verstehen Sie uns nicht falsch, aber Ihre Aufzeichnungen müssen wir uns natürlich durchsehen, wenn Sie das Gebäude wieder verlassen.“

      „Natürlich!“, antwortet der Mann aus Düsseldorf ironisch, aber darauf geht sie nicht ein.

      „Ach ja“, die Frau vom Bürgerkomitee zeigt auf ein Gebäude zur Linken. „Da, im Haus 22, können Sie in der Mittagspause was essen. War früher die Stabskantine. Ich werde Bescheid geben.“

      Als sie dann vor dem fensterlosen Flachbau stehen, nimmt sie ihn nochmal kurz zur Seite. „Sie werden da nicht alleine vor sich hin arbeiten können, das ist Ihnen ja wohl klar. Ein Beauftragter des Bürgerkomitees wird Sie... unterstützen und... wir sind eben bei der Arbeit in der Kartei noch auf die Hilfe von ehemaligen Mitgliedern des MfS angewiesen, und auch die Leute vom Staatsarchiv sind alles ... ehemalige Genossen. Die kennen sich damit eben aus. Also nehmen Sie das nicht als besonderes Misstrauen Ihnen gegenüber!“

      Als Hauptkommissar Vitus H. Benedict das von außen so profan wirkende Allerheiligste des MfS am späten Nachmittag verlässt, haben sich die meisten seiner ahnungsvollen Befürchtungen nicht bestätigt.

      *

      Es muss in der Zwischenzeit geregnet haben. Der große Innenhof ist von spiegelnden Pfützen übersät. Die wirkungsvolle Klimaanlage im Inneren des Informationsdepots hat ihn die draußen herrschende Schwüle fast völlig vergessen lassen. Jetzt musste er nur noch eine Telefonverbindung nach Düsseldorf auftreiben.

      „Wenn du ganz sichergehen willst, dass niemand mithört, musst du zu uns nach drüben fahren. Sonst kannst du über unser mobiles Funknetz im Auto gehen“, steht ihm LKA-Beyer im VP-Präsidium dann hilfreich zur Seite. „Also, hier im Präsidium müsstest du über die Vermittlung gehen, und das würde ich dir nicht raten!“

      Ganser ist natürlich nicht mehr im Dienst, aber er hat ja dessen Privatnummer in Mettmann, und da erreicht er ihn dann auch.

      „Na, wie is es?“, fragt der neugierig zurück. „Kommst du mit den roten Socken da klar?“

      „Wie man’s nimmt. Mit denen habe ich die geringsten Probleme. Da gibt’s andere Sachen, die mir mehr Kopfschmerzen machen. Ganz andere!“

      Ganser ist heute offensichtlich an Deutungsversuchen von Chef-Rätseln nicht besonders interessiert. „Was tut sich in Sachen Fuchs?“

      „Es gibt gar keinen Fuchs.“

      „Häää?“

      „Es gibt keinen Fuchs!!!“

      „Versteh, ich nicht..."

      „Kannst du auch nicht. Bin hier in so ’ne Art Spionagefilm rein geraten. À la John le Carré! Joachim Fuchs aus der Bergstraße 19 in Ost-Berlin ist eine Legende...“

      „Eine was?“

      „Eine Legende, Fiktion, Tarnname! In Wirklichkeit heißt der Mann Günther Raschke, geboren am 10.8.1948 in Pasewalk, hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS, letzter Dienstgrad Hauptmann in der HA XX, der Hauptverwaltung zur Bekämpfung politischer Untergrund-Tätigkeiten!“....Stille.

      „Bist du noch da?“

      „Jaaa...“

      „Und außerdem war der Herr Hauptmann auch noch ein OibE!“

      „Ach ja?“, klingt es ziemlich verständnislos aus dem Hörer.

      „Ein Offizier im besonderen Einsatz! Ist schon mit der ersten Ungarn-Welle als Flüchtling Joachim Fuchs zu uns eingeschleust worden. Ich kann dir sogar seine Versicherungsnummer und das Datum seines Eintritts in die Partei sagen!“

      „Und das ist sicher?“

      „Tss, Gernot, was ist hier schon sicher! Ihr habt einen toten MfS-Mann in Düsseldorf liegen, soviel ist mal Fakt!“

      Die frühmorgendliche Dienstbesprechung beim K-Leiter erspart er sich am darauffolgenden Donnerstag, spricht aber anschließend in der MUK mit Meißner über das weitere Vorgehen.

      „Nachdem wir jetzt die wahre Identität des Toten kennen, kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Motive für dessen Ermordung möglicherweise mit seiner Tätigkeit beim MfS in Verbindung stehen?“

      „Sind Sie da so sicher?“ Meißners Gesicht steckt voller Zweifel.

      „Es ist eine Hypothese. Aber sie klingt plausibel.“

      „Nein. Das meine ich nicht ... Kollege. Können Sie so sicher sein, dass es sich bei dem Namen Günther Raschke um die wirkliche Identität handelt? Die Firma hatte da so einige Möglichkeiten...“ Verunsichert runzelt Benedict die Stirn.

      „Na ja. Also an irgend was muss ich mich ja erst mal halten. Und im Moment habe ich da nur diese Akten ...“

      „.....bei denen es sich auch um gefälschte Spuren handeln könnte. Sie müssen nicht alles glauben, nur weil es darüber Akten gibt!“

      „Sie meinen...?“

      „Ich meine gar nichts, gebe nur zu bedenken!“

      „Damit komme ich aber nicht weiter. Mein Vorstellungsvermögen geht nicht soweit, und deshalb muss ich mich an die aktenmäßigen Darstellungen halten. Also werde ich ab heute versuchen, aus den Vorgängen, mit denen der Raschke zu tun hatte, Personenhinweise zu filtern. Es ist doch möglich, dass der Mann von irgend jemandem, dem er im Verlauf seiner MfS-Tätigkeit geschadet hat, auf dem Schiff in Düsseldorf erkannt und dann von dem Opfer aus Rache getötet wurde, oder?“

      „Na, viel Spaß. Werden Sie wahrscheinlich einiges zu tun bekommen. Sind die Leute da drinnen denn wenigstens... kooperativ?“

      „Doch, doch ... geht jetzt alles seinen Gang!“

      Meißner zeigt, für Benedict völlig überraschend, ein freundliches Lächeln. „Haben Sie da nicht ein kleines Wort vergessen?“

      Und da muss auch der Hauptkommissar aus dem Rheinland grinsen.

      Engel, der auf den alten Rang Oberleutnant so unangemessenen Wert legt, scheint ihm diese Fröhlichkeit zu missgönnen, denn die Informationen, die er anschließend für Benedict hat, findet der gar nicht mehr lustig. Eine als RAF-Terroristin weltweit gesuchte Frau hatte jahrelang mit einer MfS-Legende versehen, völlig unbehelligt in Ost-Berlin gelebt und war gestern hier von der Ost-Kripo verhaftet worden.

      „Tscha,