Название | TwinSetMan |
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Автор произведения | Ralph Klostermann |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347080607 |
Absprachen
Wenn Sabine nachher endlich auftaucht, tun wir am besten so wie immer. Ich bleib` wie jetzt auf dem Sessel, das Sofa packt er einfach mit seinen Angelsachen schön voll, also muss sie sich zu ihm auf die frisch bezogene Bettcouch setzen und ich kann dann nach ungefähr zehn Minuten, wegen meiner Oma oder so was, diskret verschwinden.
Thomas hat alles genau ausgetüftelt und unauffällig praktisch aufgebaut, Cola, Fanta, Sekt, Wein, Bier, Chips und Gläser stehen in Griffweite, die Sechziger ist gegen eine fünfzehn Watt Birne ausgetauscht und der Plattenspieler samt LP`s wartet am Bettcouchkopfende einsatzbereit. Nach dem dritten Bier fühlt er sich schon etwas lockerer, vorhin war er zugegebenermassen doch ein bisschen nervös. Letzte Woche hat er ja nur ganz kurz mit ihr gesprochen und sie einfach mal so eingeladen und damit sie nicht denkt, er habe was vor, glaubt sie eben, dass noch Andere kommen und deshalb müssen wir ihr gleich irgendwas erzählen, von wegen die haben abgesagt oder keine Zeit wegen Fussball oder so und er zieht wohl doch lieber das blaue Hemd an, das Rote schiebt hinten immer so hoch.
Wenn Sabine nachher auftaucht, wird er natürlich andere Musik auflegen, Beatles oder Abba oder Cat Stevens, was Mädels eben so mögen, aber jetzt zum Bier gibt`s für uns erst mal Deep Purple und die ruhig auch ein bisschen lauter, weil sein Kellerzimmer, mit den Eierpappen untrer` Decke und dem eigenen Eingang, doch schon so einige Vorzüge hat. Die Alten müssen ja auch nicht unbedingt immer alles mitkriegen, wann er Abends manchmal noch losgeht zum Beispiel, oder was er hier alles so reinschleppt und worüber er mit Sabine nachher reden soll, weiss er auch noch nicht. Vielleicht über die Angelmaden von seinem Vater, die aus ihrer Plastikbox geflüchtet sind und dass seine Mutter deshalb einen neuen Kühlschrank kaufen wollte, oder dass sie, mit dickem Fan-Album unterm` Arm, zum Costa Cordalis Auftritt extra nach Bremerhaven gedüst ist; aber das muss eigentlich niemand unbedingt erfahren, ein Bier schaffen wir bestimmt noch bevor Sabine auftaucht, ihm wird dann schon irgend etwas einfallen.
Wenn Sabine jetzt nicht bald auftaucht, hat sie ja eigentlich auch selber Schuld, er ist schliesslich vor fast über einer Stunde noch topfit gewesen und auch nach dem sechsten Bier kann er die Buchtitel, bis auf die Taschenbücher da ganz hinten im Regal, komplett vorlesen, wenn er sich ein Auge zuhält. Er sieht das jedenfalls gar nicht mehr ein, hier so lange blöde rumzuwarten, weil sie ja genau um Fünf verabredet waren und auch wenn Frauen sowieso immer zu spät kommen, müsste sie jetzt doch schon längst da sein. Darum wird er sich mal eben, für höchstens fünf bis zwanzig Minuten, gemütlich zurücklehnen und ohne zu schlafen ein bisschen meditieren. Das mit den Kühlschrankmaden und Costa ist sowieso alles Scheisse gewesen, wenn Sabine gleich doch noch auftaucht, kann ich ihn ja unauffällig schnell warnen und ihr sagen, wie fit er stundenlang gewesen ist, vom Wein oder Sekt ist zum Glück ja noch genug da.
Amtsgeschäfte
Vor der Flaggenparade, wird wie immer erst mal Opa`s Büro kontrolliert, jedes Teil liegt am exakt dafür vorgesehenen Platz, alles ist noch so, wie er es gestern zurückgelassen hat, als Arbeitsamtdienststellenleiter hat man eben seine Pflichten und muss immer mit gutem Beispiel vorangehen. Die Schrank- und Schreibtischtüren öffnen sich nach leichtem Schlüsseldrehen rasend schnell, seine Ablage ist griffbereit nach Monaten, oder Jahren, oder Namen, oder Dienststellen, oder Wichtigkeit geordnet und weil jeder andauernd was von ihm will, stehen zwei Telefone auf dem grossen und eine Schreibmaschine auf dem kleinen Schreibtisch, ich soll ja nicht so viel rumschmaddern, das Kohlepapier ist nicht zum Fingerabdrücke machen da. Hier ist seine Schaltzentrale, hier trifft er die richtigen Entscheidungen, Kaffee kochen, Blumen giessen, Kalender einstellen und mal ein paar Briefe schreiben macht dann Waltraut, die Sekretärin, er hat zu viele wichtige Dinge zu erledigen, er muss zum Schluß dann auch noch jedesmal alles genau kontrollieren und abzeichnen, denn wenn was schiefläuft, ist er der Gelackmeierte. Jeder einzelne Brief wird von ihm überprüft, oft sogar das Kaffee kochen, Kalender einstellen und Blumen giessen, oder wann die Anderen kommen oder nach Hause gehen, eigentlich muss er immer alles überprüfen und weil der Klopapiervorrat auch schon wieder fast am Ende ist und die Flagge irgend so ein Tunichtgut natürlich wieder absichtlich genau ins falsche Fach gelegt hat, hätten wir ja fast ewig suchen können. Bestimmt wieder Meier III, der Ober-Lorbas, den Dämlack wird er sich am Montag gleich mal vorknöpfen.
Draussen, bei der Flaggenparade zum morgigen Feiertag, gibt`s aus zu wichtigem Anlass auch heute keine Experimente. Weil ja die gesamte Nachbarschaft hinter den Gardinen steht und nur auf einen Fehler von uns lauert, muss natürlich alles beim Alten bleiben. Opa zieht, mit dem Mund die Nationalhymne trompetend, seine Arbeitsamtsflagge hoch, während ich, in "Hab Acht Stellung" und salutierend, das Ganze gegen eventuelle Übergriffe absichere. Nach Hymnenende folgt das "Hand ab" Kommando, hinter den Nachbarschaftsgardinen ist alles ruhig geblieben, denen haben wir es wieder mal gezeigt, jetzt schnell mit dem Rad zum Bäcker, das bestellte Graubrot abholen, Oma`s Eisbeinsauerkraut wartet bestimmt schon ungeduldig.
Wenn sich Erwachsene unterhalten, hat man nicht dazwischen zu reden. Disziplin und ordentliches Benehmen, sind die zwei wichtigsten Dinge im Leben. Und natürlich Ehrlichkeit und Sauberkeit. Und Pünktlichkeit und Höflichkeit. Dienststellenleiter auf dem Amt, oder Chorleiter bei gleich zwei Chören, wird man nicht einfach so. Da muss man immer korrekt auftreten und dann Abends noch den ganzen Obst- und Gemüsegarten, oder Rasen mähen und auch am Haus ist dauernd was zu reparieren. Den Idioten in der Bäckerei vorhin, soll ich nicht ernst nehmen, auf einer Weihnachtsfeier darf schon mal einer getrunken werden, aber auf jeden Fall ist es besser, Oma nichts davon zu erzählen, die glaubt das sonst womöglich noch, die hat so schon immer genug zu meckern, wir haben sogar noch Zeit für ein schnelles Eis vor dem Essen, das muss Oma ja auch nicht unbedingt wissen.
Aufholjagd
Was das denn soll, will Axel wissen und überhaupt habe ich hier gar nichts zu suchen, weil, das hat ihm gerade noch gefehlt, so ne` Scheiße. Dass die Ecke eigentlich keine war und der Ball unglücklich von meinem Knie in den Winkel geprallt ist, interessiert ihn nicht, er holt die Kugel aus dem Netz, schlägt sie weit Richtung Anstoß Kreis ab und klatscht in seine Torwarthandschuhe, weiter geht`s, alle mal jetzt gefälligst wie abgesprochen sofort zusammenreißen, wir packen das, ich soll vorne bleiben. Kurz vor der Pause endlich der Ausgleich, die Westertimker haben sich zu früh gefreut, das Aufstiegsrennen ist wieder offen, noch ein Tor und wir spielen nächste Saison in der Zweiten-Kreisklasse-Nord, daran gibt es während des Halbzeitdonnerwetters keinen Zweifel mehr. Ab sofort volle Konzentration und immer drauf, die Anderen sind vollkommen fertig und kaputt, einfach schön ruhig weiterspielen und egal was der Schiri pfeift, einfach immer ruhig bleiben und weitermachen und ich soll bloß vorne bleiben, wie das denn überhaupt passieren konnte, nach fünf Minuten schon so`n Ding, aber jetzt is` egal, jetzt muss ich natürlich vorne auch einen machen, dann is` wieder gut, dann reden wir nicht mehr drüber, der Schiri macht das mit Absicht, also bloß nicht meckern, das wird schon, wir packen das, weiter geht`s.
Zehn Minuten später, muss Axel der schwarzen Sau aber doch mal eben seine Meinung sagen, von wegen Hand und Elfmeter, zu blöd um aus`m Bus zu kucken und nie Abseits pfeifen, so sieht`s nämlich aus und die rote Karte kann er sich gleich in` Arsch schieben; der Elfer zischt trotz Axel`s Toni-Schumacher-Handschuhen und Wolter-Hechtsprung, unter mir als Ersatzkeeper durch, jetzt brauchen wir schon zwei Tore. Nur zu Zehnt und gegen einen entfesselt aufpfeifenden Schiedsrichter wird es dann schwer, trotz eindringlicher Warnungen der aufgebrachten Fans, verteilt er fröhlich flötend gelbe Karten und ignoriert konsequent die Abseitsregel, auch unser Coach muss wegen Hinterteil-und Gesichtsvergleich die Spielstätte verlassen, die Zeit verrinnt. Ein paar Minuten bleiben noch, der Aufstiegstraum ist fast schon ausgeträumt, jetzt heißt es Hopp oder Top, ein letzter Versuch, die Fans greifen ein. Nun zeigt sich, dass es vom Schiri richtig war, die zweite Halbzeit nicht sehr laufintensiv zu gestalten. Hakenschlagend schafft er es bis an den Spielfeldrand, wo er vom spontan gegründeten Sicherheitsdienst des Vereinsvorstandes in Manndeckung genommen und ziemlich sicher zur Umkleidekabine geleitet wird. Nur der lange Dirk kann sich mit einer Eckfahne noch ein paar Mal überzeugend aus der zweiten Reihe durchsetzen, Eddie weiß wo der Schiri wohnt, damit wird der nicht durchkommen, das wird ein Nachspiel haben, an unserer Tankstelle gibt`s garantiert keine Luft für seine Reifen, nächstes Jahr steigen wir auf.