It's Time to Fly. Juliana Holl

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Название It's Time to Fly
Автор произведения Juliana Holl
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783748287902



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kann, so etwas antun konnte, verstand ich nicht.

      „Da braucht sie sich nicht wundern, wenn Anyway Perfect nachher nicht mehr springen kann, wenn die den jetzt schon abreitet, muss der ja KO sein wenn es losgeht.“ Mit einem Blick auf die Uhr, sah ich, dass wir noch reichlich Zeit haben. Wir schlenderten also weiter Richtung Hänger. Finesse wieherte schon von weitem. Ich musste grinsen. Caro führte Star Light aus dem Hänger, ich tat es ihr nach. Star Light musste man draußen anbinden, sonst würde er sich aus dem Staub machen, ehe man Piep sagen kann. Finesse war da ganz anders, sie konnte ich ohne Bedenken zu haben draußen stehen lassen, und sie noch ein bisschen grasen lassen. Wir putzten noch mal über das Fell, sattelten und trensten die Pferde. Joe ging noch kurz zum LKW um ein paar Unterlagen zu holen. Als ich fertig war, zog ich meine Jogginghosen aus, meine Stiefel, Jackett und Handschuhe an und setzte zum Schluss noch meinen Helm auf. Ich war tierisch aufgeregt. Obwohl ich jetzt schon so oft auf Turnieren gewesen bin, war ich jedes Mal mega aufgeregt. Zu zweit ritten wir zum Abreiteplatz. Madeline trabte und galoppierte schon seit einer halben Ewigkeit. Anyway Perfects Zunge hing aus seinem Maul und er schwitzte stark, es hatten sich schon weiße Schaumkronen an seinem Hals gebildet.

      Auf dem Platz ritten Caro und ich eine Weile schweigend im Schritt nebeneinander her.

      Meine und Caros Eltern waren zu Hause geblieben, so oft, wie wir in letzter Zeit auf Turnieren waren, zogen unsere Eltern es vor, sich zu Hause einen gemütlichen Tag zu machen. Nur mein Dad war kurz vorbeigekommen und hatte Biene gebracht. Danach war er gleich wieder gegangen weil es daheim Essen gab.

      Nach einer halben Stunde war Finesse abgeritten, ich war die Probesprünge, die auf dem Platz standen, gesprungen und war mehr als zufrieden. Finesse sprang vorsichtig und war aufmerksam wie immer, somit war ich fertig zum Start.

      Wie immer hatten Caro und ich gewettet, wer die bessere Leistung erbringen wird. So machten wir das auf jedem Turnier, natürlich nur aus Spaß und um ein Eis oder einen Kaffee. „Als nächstes im Parcours Lisa Breitner auf ihrer 7-jährigen Hannoveraner Stute Madame Finesse.“

      Hallte die Stimme durch die Lautsprecher. ´Viel Glück´, ´Das schaffst du schon´ oder ´Zeig´s ihnen´ kam es von allen Seiten. Im Trab ritt ich ein.

      Noch bevor Finesse beim letzten Sprung wieder auf dem Sandboden aufkam, scholl tosender Beifall über den Parcours. Ich war außer Atem und schwitzte fast ebenso sehr wie meine Stute, doch ich wusste, dass sie gut gesprungen war. Nach dem Start war meine Nervosität wie von selbst verschwunden. So war es immer. Am Anfang war ich immer ein Nervenbündel das vor Aufregung fast starb, aber sobald ich Finesse das Zeichen zum angaloppieren gab, war die Aufregung verschwunden und ich konnte mich voll und ganz auf die Sprünge vor uns konzentrieren. Ich fühlte mich auf Finesse´ Rücken so sicher wie selten zuvor und kam wie von selbst in den fließenden Rhythmus der Sprünge. Die Zügel lagen leicht in meiner Hand, die Ohren meines Pferdes waren aufmerksam nach vorne gespitzt und die Stute ging weich und flink über die Hindernisse, als gäbe es nichts Anderes auf der Welt. Ein einziges Mal touchierten wir die Stange, so dass es hinter mir kurz polterte, aber selbst den Wassergraben, vor dem ich mich am meisten fürchtete, absolvierten wir ohne Probleme.

      Die Lautsprecherdurchsage konnte ich nicht verstehen, doch am Abreiteplatz liefen mir Caro, Joe und Sofie voller Freude entgegen.

      „Mensch Lisa, das war super!“ Joe strahlte über das ganze Gesicht.

      „Nur vier Fehlerpunkte und eine klasse Zeit, das könnte vielleicht für den zweiten Platz reichen!“, meinte Sofie strahlend. Joe riss mich vor Begeisterung fast vom Pferd, was ich umso liebenswerter fand. Sofie selbst war mit vier Abwürfen und einer Verweigerung leider auf den letzten Rängen gelandet. Ich konnte mein Glück kaum fassen, sollte ich es wirklich bis ganz nach vorne geschafft haben? Mein Gesicht glühte und ich konnte gar nicht mehr aufhören Finesse den Hals zu klopfen. Die Stute schnaubte zufrieden, als ob sie genau wüsste, dass sie heute eine gute Leistung abgeliefert hatte.

      „Wann bist du dran?“ fragte ich Caro.

      Sie schaute auf die Uhr, dann auf die große Anzeigetafel. „Letzte Starterin, aber wie heißt es so schön: Die Letzten werden die Ersten sein!“

      Sie grinste breit während ich in der Zwischenzeit abgesessen war und Finesse´ Zügel locker in der Hand hielt.

      „Erst musst du mein Ergebnis toppen, bevor du hier große Töne spuckst!“ rief ich Caro hinterher, die bereits losgeritten war. Natürlich konnte ich das leicht sagen, jetzt wo ich schon durch bin.

      „So jetzt heißt es Daumen drücken.“, meinte Joe.

      Ich brachte Finesse zum Hänger. Danach drückten wir uns alle an die Bande um Caros Ritt beobachten zu können. Diese Prüfung konnten wir zum Glück alle verfolgen, weil nach dieser Prüfung eine Pause sein würde.

      Eine halbe Stunde später war alles vorbei.

      Mir kam es im Nachhinein so vor, als wäre alles hinter einem Dunstschleier. Caros fröhliches Winken beim Einreiten in den Parcours, bevor sie ihrem Schimmelwallach das Startsignal gab, der Applaus der Zuschauer und die Stimme im Lautsprecher. Star Light galoppierte an und nahm den ersten Sprung in kraftvollem Bogen, flog geradezu hinüber. Ich vergaß völlig, dass wir ja gewettet hatten, so perfekt wirkte Caros Ritt. Sie passierten Hindernis um Hindernis, als wären sie miteinander verschmolzen. Nichts schien sie am Sieg hindern zu können. Wie es dann passierte, konnte ich später nicht sagen.

      Verweigerte das Pferd?

      Oder hatte den Wallach irgendwas erschreckt?

      Jedenfalls kam Star Light vor dem Doppeloxer mit einem Mal aus dem Tritt. Caro trieb ihn energisch an, doch der mächtige Wallach warf den Kopf hoch. Als er schließlich viel zu früh absprang, stöhnte die Zuschauermenge auf. Ich – zu Eis erstarrt und zu keinem Laut fähig – sah, wie sich Ross und Reiter mit einer machtvollen Kraftanstrengung am Hindernis emporarbeiteten, doch es war aussichtslos.

      Mit einem schrecklichen Krachen prallten die beiden mitten in den Oxer. Holz splittete, Balken polterten und für einen langen quälenden Moment vermochte vor lauter Staub und fliegenden Beinen keiner zu unterscheiden, was Mensch und was Pferd war. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Dann wurde es totenstill, als sich der große Schimmelwallach endlich hoch gekämpft hatte und schnaubend mit bebenden Flanken dastand. Sein Sattel war leer, die Zügel hingen schlaff herab. Für mich schien sich die Erde aufgehört zu haben zu drehen. Vermutlich dauerte es nur wenige Augenblicke, bis der erste Helfer heraneilte. Doch mir kam es vor, als seien Stunden vergangen. Ich wollte zu Caro rennen, ich wollte bei ihr sein. Ich wollte sehen, dass es ihr gut ging. Bestimmt stand sie gleich auf und winkte fröhlich um zu signalisieren, dass alles okay war. Aber sie stand nicht auf. Ich wollte rennen. So schnell rennen, aber ich konnte nicht.

      Ich vermochte mich nicht zu bewegen, stand nur da und merkte, wie es eiskalt in mir emporstieg.

      Dann begann ich zu zittern.

      Jemand ergriff meinen Arm, ich hörte die Stimmen von Joe, Sofie und, da war noch eine Stimme, die so bekannt war, so vertraut, es war Lucas. Lucas war hier, bei mir. Alles war wie durch einen Schleier von mir getrennt. Und plötzlich gaben meine Füße unter mir nach, irgendjemand fing mich auf.

       Kapitel 7

      Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich weiß, nur weiß. Ich musste mich erst mal sortieren. Träge blinzelte ich in das geradezu unangenehme Licht. Langsam drehte ich meinen Kopf zur Seite und blickte in ein besorgtes Paar Augen. Die Augen waren blau, so blau wie das Meer in Dänemark. Ich musste träumen, denn es waren die Augen von Lucas, die mich so besorgt anschauten.

      „Lisa, Süße.“

      „Wo… wo bin ich hier?“

      „Du bist im Krankenhaus.“ Lucas Stimme klang so bekannt und dennoch so fremd. Er stand von seinem, nicht sehr bequem aussehenden weißen, Krankenhausstuhl auf und setzte sich auf die Kante meines Bettes. Beruhigend strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Langsam, ganz langsam kamen meine Erinnerungen zurück.

      Das Turnier. Mein Erfolg. Joe. Sofie. Caro. Der Sturz.

      Wo