"Milch oder Tee zum Frühstück?" "Ein Glas Wein bitte.". Jan Putzas

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Название "Milch oder Tee zum Frühstück?" "Ein Glas Wein bitte."
Автор произведения Jan Putzas
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783982187518



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Schulter und fügte noch an: »So, und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich werde mich mal dort rüber gesellen. Ich glaube, da läuft eine interessante Diskussion über Kreisliga-Fußball.«

      Ja ja, ich weiß, das war natürlich ganz schön überheblich von mir, aber ich kann es nun mal nicht leiden, wenn einer ständig etwas am Essen herumzumeckern hat, als sei er der weltgewandteste Gourmet auf der kompletten Erdscheibe. Selbst, wenn er recht haben sollte.

      Auf jeden Fall wirbt das Sakura in Halle in großen Lettern mit seinem Sushi-Meister. Dieser hat wohl schon einige Promis gekocht. Äh, ich meine bekocht. Obwohl, Promis kochen in einem anderen Sinn, als dass diese etwas dümmlich in eine Kamera lächeln und stundenlang irgendetwas in einem Kochtopf zusammenrühren, sondern selbst gekocht werden, ist für den ein oder anderen bestimmt eine nette Spielerei.

      Ich stelle mir spaßeshalber vor, wie Sushi-Schiffchen aus den Resten von Leonardo DiCaprio, Brad Pitt oder Johnny Depp vorbeigondeln und ständig heruntergerissen und verspeist werden. Das ist durchaus einleuchtend, denn bei diesen Promiköstlichkeiten werfen sämtliche Damen im Raum ausnahmsweise ihre ganzen Diätvorsätze und Schlüpfer über Bord und langen ordentlich und großzügig hin.

      Schiffchen, Tellerchen und Schälchen mit in Nori-Blättern eingewickelter Häppchen der gegarten Till Schweiger, Matthias Schweighöfer oder Daniel Brühl sind ebenfalls meistens leer. Aber das liegt hauptsächlich daran, dass es einfach zu viele der kleinen Portionen gibt. Ich beobachte, dass sie hauptsächlich von Männern vertilgt werden. Und denen ist es ja bekanntlich meist egal, was sie in sich hineinstopfen. Und was weg muss, muss eben weg. Hauptsache es ist halbwegs genießbar, macht nicht so schnell satt und sorgt für einen geschmeidigen drei Pfund Stuhl.

      Gondeln mit Fähnchen von Harald Juhnke und Manfred Krug sollen wohl ein makabrer Scherz des Sushi-Meisters sein. Sie ziehen unberührt und total überladen vorbei, denn hier ahnt selbst der besoffenste Gast am Futterfließband, dass diese unmöglich frisch sein können.

      Der Sushi-Meister beugt sich klandestin, also konspirativ oder auch heimlich zu mir herüber und erzählt hinter vorgehaltener Hand, dass seine exotischen Kreationen aus einigen deutschen C-Promis und botoxverseuchten Anlagebetrügern sofort wieder von der Geschäftsleitung von der Speisekarte gestrichen wurden, weil diese partout keiner fressen wollte. Dann lacht er dreckig und wirft noch hinterher: »Mal abgesehen von einer Handvoll Revolverjournalisten. Die haben sich draufgestürzt, wie ein Besoffener auf den Hering.«

      Ich lache mit und der Meister und ich stoßen eine Faust zusammen.

      Durch einen Schmerz in der Rippengegend werde ich rüde in die Realität zurückkatapultiert. Ich registriere meine Frau, die mir wohl einen Ellenbogencheck verpasst hat.

      »Sag mal, hast du eine Fischvergiftung oder was?«, fragt sie.

      Ich reibe mir die schmerzende Stelle meines Oberkörpers und maule zurück: »Nö, wieso? Und warum hast du das gemacht?«

      »Na vielleicht deswegen«, antwortet meine Schwester anstelle meiner Frau, »weil du völlig apathisch in die Gegend gestarrt hast und alle fünf Sekunden gekichert hast, wie ein degenerierter Vollhonk.«

      »Wir wussten nicht genau«, ist meine Frau jetzt wieder an der Reihe, »ob wir einen Notarzt oder die Polizei rufen sollten.«

      Ich will mich gerade mit einer adäquaten Geste bei Eheweib und Schwester für die Rettung bedanken, als ich vor Schreck erstarre und es gerade noch schaffe, völlig gequält, ein einziges Wort herauszupressen: »Hilfe!«

      Die Gründe dafür sind zwei männliche Gestalten, die auf der gegenüberliegenden Seite des Sushibandes Stellung beziehen und etwas mit sich herumschleppen, das man, glaube ich, Dutt nennt. Oder, um es hipp auszudrücken: »Man Bun«

      Mein erster Gedanke ist: Na ja, vielleicht soll das ja so eine Art Respektbekundung für den berühmten Sushi-Meister sein, dass die beiden sich frisurentechnisch verkleiden wie zwei Samurai.

      Der Meister dagegen scheint dieses Kaspertheater eher als Beleidigung aufzufassen. Zumindest sein Gesichtsausdruck, der so wirkt, als hätte sich jemand klammheimlich am Harald Juhnke-Schiffchen vergriffen, lässt diese Vermutung aufkeimen.

      Ich meine, hey, ich habe normalerweise nichts gegen modische Trends. Aber da, wo sie hinpassen bitteschön. Wenn der Profifiedler David Garrett so ein Ding auf dem Kopf trägt, dann denkst du dir: Okay, der Typ ist prominent, Influencer oder irgend so ein Scheiß. Und die Mädchen sagen Dinge wie: »Männerdutt, ich weiß nicht, aber dem steht das total und sieht voll süß aus.«

      Oder anderes Beispiel. Ich war mal mit meiner Frau auf einer Hochzeit eingeladen. Der Bräutigam konnte eine ziemlich dicke Haarmähne sein Eigen nennen und da haben die dem auch so einen Knoten gebunden. Dies sah in Verbindung mit seinem schicken Paisley-Seidenanzug gar nicht mal schlecht aus. Vor allem auf den Hochzeitsbildern. Und das war wohl auch Sinn und Zweck der Sache. Hatte etwas von einer Hochglanzkatalog-Fotosession. Und auch bei meinem einen Lehrerkollegen sieht das Ding nicht übel aus, muss ich zugeben. Oder noch ein anderes Exempel. Wenn eine Bande von irgendwelchen geistesgestörten Sekten-Heinis, im Jutesack gekleidet, sich an den Händchen haltend Ringelreihen um eine steinerne Swastika herumtanzt und den Außerirdischen zuruft: »Bitte, kommt zurück und holt uns ab!«, dann finde ich den Dutt sogar bei männlichen Wesen durchaus standesgemäß, um nicht zu sagen: Hipp. Auch dann, wenn sich meinem primitiven Geist der Sinn nicht ganz erschließt.

      Aber das, was ich hier in kurzer Entfernung vor mir sehe, sind zwei schlecht gekleidete Trolle mit Haarknoten auf den Schädeln, die sich vermutlich in der Adresse geirrt haben, denn die Dönerbude ist woanders.

      Was dieser Tragödie, die sich gerade abspielt, allerdings die Krone, um nicht zu sagen, den Haarkranz aufsetzt, sind zwei grazile weiblichen Schönheiten, die neben den Kreaturen auftauchen, die beiden innig küssen und dann zusammen Arm in Arm an einem der hinteren Tische verschwinden.

      Und alles, was ich tun kann, ist zu beten, zu flehen, die Götter zu beknien: »Oh bitte, bitte, lasst die beiden Mädchen eine interne Wette laufen haben.«

      So ähnlich, wie wenn früher einer die Hässlichste im Saal penetrieren durfte, weil er beim Armdrücken oder Schwanzvergleich verloren oder den Kürzeren gezogen hatte. Aber in diesem Fall hier eben geschlechtertechnisch umgedreht und mit anderen Wettvoraussetzungen.

      Ja ja, ich weiß, Sokrates hat einmal gesagt: »Ein starker Geist diskutiert Ideen. Ein durchschnittlicher Geist diskutiert Ereignisse. Ein schwacher Geist diskutiert Leute.«

      Na und? Bin ich eben ein schwacher Geist. Aber `Leute diskutieren´ macht nun mal am meisten Spaß. Und jeder, der etwas anderes behauptet, ist in meinen Augen nichts weiter als ein verdammter Heuchler!

      Ich wende mich wieder meinen Damen zu und sage: »Azog der Schänder hätte in so einer Situation gebrüllt: »Männerdutt? Auf‘s Maul!«

      »Wer ist Azog der Ständer?«, fragt meine Schwester und runzelt die Stirn.

      »Nicht Azog der Ständer«, antworte ich. »Azog der Schänder.«

      »Wer soll das sein?«

      »Der weiße Ork aus den Hobbit-Filmen.«

      »Kenne ich nicht, habe ich mir nie angesehen.«

      »Er meint damit seinen Kollegen«, fügt meine Frau ein. »Das ist der, der im Betrieb die ganze Arbeit macht, während dein Bruder aus dem Fenster starrt, Monologe hält oder sinnlos in der Gegend hin und her läuft. Außerdem sorgt er bei seinen Buchlesungen dafür, dass das Publikum nicht abhaut.«

      »Okay, wir haben also geklärt, wo der Russe herkommt«, lenke ich ab und versuche den früheren Gesprächsfaden wieder aufzunehmen.

      »Du hast das geklärt«, entgegnen die Frauen im Bunde. »Nicht wir.«

      »Ist doch egal«, wehre ich ab. »Heutzutage ist der Russe für mich, und das meine ich absolut positiv, zum Beispiel mein Kumpel Juri.« Anschließend überlege ich kurz laut: Obwohl ich auch gar nicht so genau weiß, ob der wirklich aus Russland kommt. »Na wie auch