Название | Fixin |
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Автор произведения | Rayton Martin Villa |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347108936 |
Die ständig tobenden Stürme waren eine Folge der extremen Temperaturunterschiede, die es heute zwischen der glühend heißen Tagseite der Erde und der kühleren Nachtseite gab. Dort kühlten die Landmassen auf unter vierzig Grad Celsius ab, während sie sich auf der Tagseite auf über einhundert Grad Celsius erhitzten. Die heiße Luft stieg dort sehr schnell nach oben und sog die kühlere Luft der Nachtseite mit brachialer Gewalt an. In den mittleren Breiten der Erde und am Äquator trat dieser Effekt besonders stark auf, aber auch zu den Polregionen hin, wenn dort in der Zeit des Polarwinters die Temperaturen sanken.
Lokale thermische Effekte über den kahlen, erodierten Kontinenten und die riesigen Wasserdampfmengen, die aufgrund der hohen Temperaturen in der Atmosphäre enthalten waren, taten ihr übriges und erzeugten Gewitter mit Hagel und Böen der Megaklasse.
Nachdem sie den Schutzbereich hinter sich gelassen hatten, wurde der Hypersonic tatsächlich auch von einigen starken Böen und Scherwinden erfasst. Allerdings war dies heute nur an der Anzeige der Wetterbedingungen in ihren Eyefoils zu erkennen. In der Kabine gab es keinerlei Erschütterungen oder Vibrationen.
Jia sah, dass Gaia plötzlich entspannt lächelte.
»Viel besser!«, freute sie sich.
In diesem Moment färbte sich die Schubanzeige in den eingeblendeten Flugdaten von grün auf orange und die Triebwerke fuhren innerhalb weniger Sekunden auf volle Leistung hoch. Der brachiale Schub drückte die Passagiere so sehr in die Sitze, dass Bewegungen jetzt äußerst anstrengend und nur mit hoher Konzentration möglich waren.
Jia und Gaia ließen diese Phase wie alle anderen Passagiere auch regungslos über sich ergehen.
»Ich werde mal versuchen, noch ein bißchen Schlaf nachzuholen«, erklärte Gaia, und rutschte schon etwas tiefer in ihren Sitz.
»Ja, das beste, was Du machen kannst!« stimmte Jia zu.
Gaia schaltete ihre Eyefoil aus, sodass die Innenseite fast vollkommen schwarz wurde, und schloss die Augen.
Die Maschine drehte jetzt schon leicht nach Südwesten ab, um auf der vorgesehenen Flugroute entlang des zehnten östlichen Längengrads nach Süden zu fliegen. Wenige Sekunden später befanden sie sich schon über dem offenen Meer. Als sie nach knapp eineinhalb Minuten zwanzig Kilometer Höhe erreicht hatten, ließen der Schub und der Druck in die Rückenlehne etwas nach.
Der Himmel um sie herum verlor jetzt schon seine völlige Dunkelheit. Die bunten Polarlichter verblassten langsam hinter ihnen und verschwanden innerhalb weniger Minuten ganz am nördlichen Horizont.
Jia checkte die angebotenen Außenansichten und entschied sich für die Bird's Eye View, eine Einstellung, die den gesamten Hypersonic samt Passagieren einschließlich aller Geräusche ausblendete. In dem Moment, als sie diese Option anklickte, konnte sie sich plötzlich nicht einmal mehr selbst sehen. Jia zuckte vor Schreck kurz zusammen, denn sie schien völlig allein und körperlos durch den Himmel zu rasen, mit dem Blick auf die weit unter ihr dahinziehende dunkle Meeresoberfläche und die verschiedenen Wolkenstrukturen.
Diese Ansicht wurde direkt von den Rechnern anhand von Satellitenaufnahmen und der aktuellen Flugposition erzeugt, da die Hypersonics wegen der Reibungshitze nicht einmal Außenkameras besaßen.
Beim Blick nach links konnte Jia am östlichen Horizont die Küste Nordeuropas schon schwach in der Morgendämmerung wahrnehmen. Die schwarzgraue Landmasse hob sich leicht vom Meer ab, denn darin spiegelte sich bereits der hellere Himmel. Jia ging kurz auf real, sodass alle Bildverbesserungen ausgeschaltet waren, doch auch in dieser Ansicht erschienen schon die Konturen des Kontinents.
Eine halbe Minute später kam die Sonne über den Horizont. Der Himmel erschien jetzt in einem kräftigen Hellblau, wurde aber schnell wieder dunkler, da sich der Hypersonic immer noch im Steigflug befand. Jia checkte die aktuellen Flugdaten. Sieben Minuten nach dem Start waren sie kurz vor Erreichen der Reiseflughöhe von siebenunddreißigtausendfünfhundert Metern. Der Hypersonic schoss schon mit fast zweitausendvierhundert Metern pro Sekunde durch die Stratosphäre, Kurs Süd auf zehn Grad Ost. In dieser Höhe betrug der Luftdruck nur noch ein Hundertstel des Wertes auf der Erdoberfläche, die Außentemperatur war mit minus fünfundzwanzig Grad Celsius schon wieder leicht angestiegen gegenüber den minus fünfunddreißig Grad auf fünfundzwanzigtausend Metern. Der Flug würde noch zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten bis zur Landung in New Urumqi in Antarktika dauern.
Jia überkam ein Anflug von Traurigkeit, als sie auf den jetzt weit unter ihr vorbeiziehenden europäischen Kontinent blickte. Das flache orangene Sonnenlicht beleuchtete seine monoton graubraune Oberfläche und erzeugte an den Bergen und Tälern tiefschwarze Schatten. Über alles hinweg verlief quer zu ihrer Flugroute der nördliche Polarkreis, der als dünne blaue Linie angezeigt wurde.
Vegetation gab es auch hier schon lange nicht mehr. Die Berge der Region erreichten ohnehin nicht die erforderliche Höhe, in der es aufgrund der hohen Temperaturen noch etwas Pflanzenwachstum geben konnte. Nur unter ganz besonders günstigen Umständen war dies noch bis hinab auf Meereshöhe möglich. Die größte Landfläche, in der heute noch Pflanzen und Tiere vorkamen, lag in Zentralasien in fast fünftausend Metern Höhe. Das Gebiet dort hatte einen Durchmesser von knapp eintausend Kilometern, was zwei Drittel der heutigen Landfläche Antarktikas entsprach. Diese wiederum erreichte ungefähr ein Zehntel der Größe der alten Staatsgebiete Chinas, der USA oder auch Australiens. Sie existierten heute alle nicht mehr.
Jia fühlte sich jetzt fast wie im Weltraum. Die Atmosphäre um sie herum erschien jetzt nur noch ganz blass, der Himmel darüber war jedoch schon von absoluter Schwärze.
Es war für sie immer interessant die Erde von so weit oben zu betrachten. Man konnte dabei leicht erkennen, wie klein dieser Planet eigentlich war. Der trostlose Anblick machte auch sofort klar, dass selbst ein kurzer Aufenthalt ohne Schutzkleidung dort unten tödlich wäre. Nicht nur wegen der Hitze, sondern auch wegen der starken UV-Strahlung, die leicht Werte von über neunzig Einheiten erreichte. Der Grenzwert für Menschen lag bei nur sechs. Ein ungeschützter Aufenthalt im Freien war daher eigentlich nur nachts möglich. Schon das UV-Licht der Polarlichter reichte bis drei.
Der Hypersonic hatte soeben seine Beschleunigungsphase beendet und flog von nun an mit konstanter Geschwindigkeit weiter. Ein Signal ertönte und die Sitze bewegten sich von der leicht geneigten Startposition in die horizontale Reiseposition. Jia stand kurz auf, wobei sich in ihrer Eyefoil sofort die Kabinenansicht einschaltete. Sie ging ein paar Schritte, um die Anspannung im Körper loszuwerden, die sich während der Beschleunigungsphase aufgebaut hatte. Nach wenigen Schritten stellte sie fest, dass sie sich heute viel schneller wieder fit fühlte, als bei Flügen mit den Vorgängermodellen. Sie setzte sich wieder. Der Flug verlief tatsächlich extrem ruhig. Das Summen der Triebwerke war so leise, dass sie es nicht bewusst wahrnahm und fast vergaß, in welcher extremen Umgebung sie sich gerade fortbewegten. Die x-Winglets verrichteten ihre Arbeit perfekt und verhinderten alle Turbulenzen, die den Rumpf sonst immer wieder erschüttert hätten.
Jia scrollte wieder durch das Ansichtenmenü. Der schwarze Himmel über ihr inspirierte sie zur Extraterre-Ansicht, die sie sich auch am Boden sonst hin und wieder anschaute. Zum Flug im Hypersonic fand sie diese gerade besonders passend. Sie klickte darauf und blickte sich um.
Im Osten stand die Sonne so hell vor dem schwarzen Himmel, dass sie trotz der virtuellen Darstellung selbst in ihrer Eyefoil tatsächlich fast blendete. Rechts daneben war die Sichel der Venus zu sehen. Die Milchstraße verlief quer zur Flugroute in weitem Bogen über den Himmel. Verschiedenfarbige Gasnebel, Überreste von Sternexplosionen und hunderte benachbarte Galaxien wurden überall als helle Objekte angezeigt und boten eine fantastische Kulisse. Natürlich entsprach ihre Helligkeit in der Eyefoil nicht der wirklichen Leuchtkraft. Diese Himmelsobjekte waren viel zu lichtschwach, als dass man sie selbst