Название | Fixin |
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Автор произведения | Rayton Martin Villa |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347108936 |
Das CC-Projekt, in dem Jia arbeitete, hatte genau dies zum Ziel. Das Kürzel CC war abgeleitet aus den beiden zentralen Begriffen ihrer Forschung, CO2 und Coccolithophore. CO2 war die chemische Formel für Kohlendioxid, also das Treibhausgas, das die Klimakatastrophe ausgelöst hatte und von dem sie den größten Teil wieder aus der Atmosphäre entfernen mussten.
Coccolithophore war der wissenschaftliche Name einer besonderen Art von Kalkalgen. Diese hatten die Eigenschaft, eine Art Schuppenpanzer aus kleinen Kalkplättchen zu bilden, die sie vor Fressfeinden schützten und ihnen Stabilität verlieh. Schon frühere Nature-Scientists hatten herausgefunden, dass diese Algen ideal geeignet waren, um daraus eine neue Art zu erzeugen, die CO2 in jeder gewünschten Menge und in sehr kurzer Zeit aus der Atmosphäre entfernen konnte. Sie nannten diese neue Art 'Proto'. Der Trick bei ihr war, dass sie das CO2 in ein festes chemisch stabiles Material umwandeln konnte, das nach dem Absterben der Alge zusammen mit ihr zum Meeresboden sank und für alle Zeit dort verblieb.
Jia forschte schon seit fünf Jahren an diesen Algen. Sie hatte erst kurz davor an der Universität von Montecito ihren Abschluss als Nature-Scientist mit Schwerpunkt Biologie gemacht. Als beste Absolventin seit langem hatte sie die Position im Fixin-Projekt sofort bekommen, das grundsätzlich nur die Allerbesten aufnahm.
Zusammen mit ihrer Kollegin und Freundin Gaia Zhen, Nature-Scientist mit Schwerpunkt Bio-Chemie, war sie heute maßgeblich an der Entwicklung der neuen Protoalge beteiligt.
Schon vor zwei Jahren war es ihnen durch gentechnische Veränderung gelungen, die Photosynthese in diesen alten Kalkalgen deutlich zu steigern. Dies war eine äußerst wichtige Voraussetzung für ihr Projekt, weil dieser Vorgang pflanzlicher Energiegewinnung auch Sauerstoff freisetzte. Dieser wiederum war überlebenswichtig für Menschen und Tiere. Weil alle Algen, die heute Sauerstoff produzierten, im Laufe des Projekts vernichtet und durch die Protoalgen ersetzt würden, war es daher dringend nötig, dass diese ebenfalls dazu in der Lage waren.
Die heute existierenden Algen waren seit über einhundert Jahren die einzig verbliebene Sauerstoffquelle auf der Erde, nachdem in der Frühphase der Klimakatastrophe alle Landpflanzen verbrannt und alle alten Algenarten aus den zu warm gewordenen Meeren verschwunden waren.
Wieso die Menschen diesen Verlust riskiert und sich nie Gedanken gemacht hatten, woher der Sauerstoff eigentlich stammte, den sie andauernd einatmeten, um nicht innerhalb von ein paar Minuten zu ersticken, wurde von den meisten der heute Lebenden als größte Fehlleistung der Menschheit angesehen.
Die neben den Algen wichtigsten Sauerstoffquellen, die Nutzwälder Europas und Nordamerikas, sowie die Urwälder in Südamerika, Zentralafrika, Südostasien und Sibirien, konnten damals nicht wieder aufgeforstet werden oder von sich aus wieder nachwachsen, weil junge Pflanzen zu diesem Zeitpunkt schon nirgends mehr überleben konnten. Sie fielen extremen, Wochen und Monate andauernden Dürreperioden und Überflutungen zum Opfer, verdorrten also oder wurden von den Fluten ertränkt oder mitgerissen.
Ohne jegliche Vegetation verschwanden auch alle Landtiere.
In den Meeren war die Situation nicht besser, nachdem schon vor über einhundert Jahren auch darin alle Ökosysteme gekippt waren. Alle bisherigen Algen waren damals von hitzeresistenteren Arten verdrängt worden. Es war dabei ein unglaublicher Glücksfall, dass diese ebenfalls Sauerstoff produzierten, auch wenn es deutlich weniger als bisher war. Ansonsten wären alle Menschen und Tiere schon lange erstickt.
Doch vor drei Jahren hatten die Algorithmen eine höchst erschreckende Vorhersage gemacht, die ein Ende dieser Phase bedeutete. Tatsächlich bahnten sich seit wenigen Monaten dramatische Veränderungen an, da die Erwärmung der Erd- und Meeresoberfläche auch heute noch fortschritt.
Der Grund hierfür war, dass der kühlende Effekt kalten Tiefseewassers auf das aufgeheizte Oberflächenwasser immer geringer wurde, denn Meeresströmungen sorgten seit Jahrzehnten für eine Durchmischung und daher eine immer weiter ansteigende Erwärmung dieses Kältereservoirs und damit der Ozeane insgesamt.
Die dadurch schrumpfenden Lebensräume hatten die Meeresalgen zu einem zunehmend härteren Konkurrenzkampf gezwungen. Schon seit Jahrzehnten produzierten sie daher immer noch stärkere Gifte, um sich gegenseitig von der Meeresoberfläche zu verdrängen und so die dort vorhandene energiereiche UV-Strahlung für ihren raffinierten Stoffwechsel nutzen zu können. Denn mit diesem konnten sie sowohl diese Gifte als auch spezielle chemische Stoffe produzieren.
Sie benötigten beides in gigantischen Mengen. Letztere gaben sie in winziger Tröpfchenform in die Atmosphäre ab, weshalb man diese als 'Aerosole' bezeichnete, also in der Luft gelöste Schwebeteilchen. An diesen kondensierte der Wasserdampf der Luft, sodass sich Wolken bildeten, was wiederum zur Abkühlung der Meeresoberfläche und auch der Algen führte.
Deren Wettstreit untereinander war bis heute jedoch schon so weit eskaliert, dass, wie von den Algorithmen prognostiziert, die erste Art, Oszillatoria, sogar diese lebensnotwendige Eigenschaft aufgegeben hatte, um stattdessen ein noch stärkeres Gift als bisher produzieren zu können. Mit diesem war sie jetzt zwar in der Lage, ihre Konkurrenten viel stärker zu verdrängen, allerdings konnte dieser Vorteil nur von kurzer Dauer für sie sein. Längerfristig zerstörte sie dadurch auch ihre eigene Lebensgrundlage, weil sie ja jetzt von der kühlenden Wirkung der Aerosole der anderen Algen abhängig war, die sie jedoch gerade im Begriff war, zu zerstören.
Diese fatale Folge zögerte sich momentan nur deswegen noch hinaus, weil die anderen Arten immer noch ausreichend Aerosole produzierten. Es war jedoch nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Arten von den neuen und noch stärkeren Giftstoffen Oszillatorias so weit zurückgedrängt sein würden, dass sie nicht mehr für ausreichende Kühlung sorgen konnten. Oszillatorias Strategie würde also nicht nur alle anderen Algenarten zum Verschwinden bringen, sondern ihr selbst zum Verhängnis werden, da auch sie den steigenden Temperaturen irgendwann nicht mehr standhalten könnte. Weil die Algen die einzigen und letzten Sauerstoffproduzenten waren, wäre damit auch die Lebensgrundlage für die Menschheit vernichtet.
Es ging bei ihrer Forschung daher nicht mehr nur um langfristige Ziele, sondern plötzlich um die wichtigste Aufgabe, der sich die Menschheit je hatte stellen müssen. Das CC-Projekt hatte so absolute Priorität vor allen anderen Forschungsaufgaben bekommen. Nach den neuesten Prognosen der Rechner blieben höchstens noch zwei Jahre, um den drohenden Erstickungstod abzuwenden. Tatsächlich lag die Temperatur an der Meeresoberfläche inzwischen an immer mehr Stellen schon über dem kritischen Wert.
Jia und ihrer Kollegin Gaia war es glücklicherweise schon vor längerem gelungen, die Coccolithophoren genetisch so zu modifizieren, dass diese tatsächlich sehr schnell jede gewünschte Menge Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen konnten.
Das dabei zugrundeliegende Prinzip war ganz einfach. Der Kohlenstoff stammte ursprünglich aus dem CO2 der Luft, gelangte aber von dort durch natürliche physikalisch-chemische Prozesse andauernd ins Meerwasser. Dort baute ihn die Alge über den Stoffwechsel in ihren Kalk-Schuppenpanzer ein.
Bei der neu geschaffenen Protoalge war dieser Prozess durch Modifikation des zugrundeliegenden Genabschnitts abgewandelt worden. Anstatt der bisherigen Kalkplättchen entstanden dadurch viel größere Strukturen. Die dazu verbrauchte Menge CO2 konnte man jetzt auch leicht steuern, ebenso die Geschwindigkeit, mit der dieser Prozess ablaufen sollte. Beides konnten sie jetzt problemlos auf das Hundertfache und mehr der bisherigen Werte erhöhen.
Genau dies war eine der grundlegenden Voraussetzungen, damit das Projekt Erfolg haben konnte.
Der Plan war, diese Protoalgen in den Ozeanen auszusetzen, wo sie sich stark vermehren und so die anderen Algen verdrängen sollten. Nach einer gewissen Zeit würden sie auch selbst absterben und auf den Meeresgrund sinken. Damit bei ihrer Zersetzung nicht wieder CO2 freigesetzt würde, wie das bei den bisherigen Algen der Fall war, hatten sie sich schon einen Trick einfallen lassen.
Leider gelang dieser aber bis jetzt